Leitsatz (amtlich)

1. Übersteigt der Wert des Streitgegenstandes (Wert der Beschwer) einer eingelegten Revision die gesetzliche Revisionssumme, so ist eine gleichwohl eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde mangels eines Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig (im Anschluß an den BFH-Beschluß vom 2. Oktober 1969 I B 14/69, BFHE 97, 1, BStBl II 1969, 735).

2. Behauptet die Klägerin (Organgesellschaft) in dem gerichtlichen Verfahren das Bestehen eines Organschaftsverhältnisses und begehrt sie deshalb die Aufhebung der festgesetzten Gewerbesteuer, so ist streitbefangen die gesamte Gewerbesteuer, die sich aufgrund des festgesetzten Gewerbesteuermeßbetrags ergibt. Die - ggf. notwendige - anderweitige Festsetzung des Gewerbesteuermeßbetrags für den Organträger beeinflußt den Wert des Streitgegenstandes für dieses Verfahren nicht.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 3; ZPO § 3

 

Tatbestand

Die Klägerin, Revisionsklägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) - eine GmbH - ist durch Betriebsaufspaltung aus einem anderen Unternehmen (KG) hervorgegangen. Das von ihr betriebene Unternehmen (mit Grundstück, Gebäuden, und beweglichen Anlagen) hat sie von der KG gepachtet. Der Beklagte, Revisionsbeklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) setzte den einheitlichen Gewerbesteuer-Meßbetrag 1971 für die Klägerin auf 28 847 DM fest.

Mit ihrem Einspruch machte die Klägerin geltend, sie sei Organ der KG und daher nicht selbständig gewerbesteuerpflichtig. Das FA hielt ein Organschaftsverhältnis mangels einer wirtschaftlichen Eingliederung der Klägerin in die KG nicht für gegeben und wies den Einspruch zurück. In seiner Entscheidung setzte es den Streitwert auf 73 775 DM fest.

Gegen das klagabweisende Urteil des Finanzgerichts (FG) legte die Klägerin am 20. Dezember 1977 Revision ein, zunächst mit dem Antrag "... das Urteil aufzuheben und festzustellen, daß Gewerbesteuerpflicht nicht besteht", später mit dem Antrag "die Gewerbesteuer-Veranlagung der ... GmbH wegen Unselbständigkeit aufzuheben ...". In ihrer Revisionsschrift trug die Klägerin u. a. vor, sie habe gegen die Streitwertfestsetzung des FA Beschwerde eingelegt und beantragt, den Streitwert auf 5 310 DM herabzusetzen. Da das FA über die Beschwerde noch nicht entschieden habe, sei sie "vorsorglich gehalten, gegen die eventuelle Nichtzulassung der Revision hiermit Beschwerde einzulegen ...". Sie meint, die Sache habe wegen der Organschaftsvoraussetzung der wirtschaftlichen Eingliederung grundsätzliche Bedeutung.

Nach Auffassung des FA ist für eine Nichtzulassungsbeschwerde kein Raum, da die eingelegte Revision mit einem Streitwert von über 10 000 DM zulässig sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Es fehlt bezüglich dieser Beschwerde an einem Rechtsschutzbedürfnis. Die von der Klägerin eingelegte Revision ist als Streitwertrevision (zulassungsfreie Revision) ohnehin statthaft.

Der Klägerin stand das Rechtsmittel der Revision gemäß § 115 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. Art. 1 Nr 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs offen, ohne daß es einer Zulassung bedarf. Der Wert des Streitgegenstandes (Wert der Beschwer der Klägerin) in dem Revisionsverfahren (§ 155 FGO i. V. m. § 3 der Zivilprozeßordnung - ZPO -; vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 8. März 1977 VII R 3/76, BFHE 122, 8, BStBl II 1977, 614) übersteigt 10 000 DM. Die Klägerin begehrt unter Aufhebung des angefochtenen FG-Urteils, "die Gewerbe-Steuerveranlagung der ... GmbH wegen Unselbständigkeit aufzuheben". Die Klägerin will erreichen, daß sie selbst bezüglich ihrer gewerblichen Tätigkeit (vgl. § 2 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 des Gewerbesteuergesetzes - GewStG -) nicht der Gewerbesteuer unterliegt. Im Streit befindet sich daher nach dem maßgebenden Revisionsantrag der Klägerin die gesamte Gewerbesteuer, die sich für die Klägerin aufgrund der Festsetzung des Gewerbesteuer-Meßbetrages durch das FA für das Jahr 1971 ergibt (vgl. dazu BFH-Beschluß vom 2. November 1977 I E 2/77, BFHE 123, 410, BStBl II 1978, 58). Unter Berücksichtigung eines Hebesatzes von 300 % übersteigt der streitbefangene Gewerbesteuerbetrag 10 000 DM erheblich. Dabei läßt der Senat dahingestellt, ob die Steuer (nur) von dem Steuermeßbetrag nach dem Gewerbeertrag (so das FA in der Einspruchsentscheidung) oder von dem einheitlichen Gewerbesteuer-Meßbetrag (so das Vorbringen des FA in diesem Beschwerdeverfahren) zu berechnen ist.

Die Klägerin irrt, wenn sie meint, es gehe in dem Revisionsverfahren allein "um die Überschneidung der Gewerbesteuer-Festsetzung" mit der für die KG festzusetzenden Gewerbesteuer. Abgesehen davon, daß das FA nach Lage der Dinge den Betrieb der Klägerin als selbständigen Gewerbesteuergegenstand angesehen und behandelt hat, können andere als die in dem jeweiligen Gerichtsverfahren im Streit befangenen Steuerbeträge bei der Ermittlung des Werts des Streitgegenstandes für die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht berücksichtigt werden. Die von der Klägerin angeführte Entscheidung des BFH vom 25. Oktober 1963 VI 342/62 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1964 S. 86) betraf einen anders gelagerten Sachverhalt. In dem damaligen Rechtsstreit ging es um die Zusammenfassung zweier offener Handelsgesellschaften zu einem einheitlichen gewerblichen Unternehmen durch das zuständige FA, während die beiden Personengesellschaften in dem Rechtsstreit die Festsetzungen getrennter Steuermeßbeträge erreichen wollten.

Ist eine Revision aber bereits wegen der Höhe des Werts des Streitgegenstandes gegeben, so kommt eine besondere Zulassung des Rechtsmittels gemäß § 115 Abs. 2 FGO nicht in Betracht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72555

BStBl II 1978, 463

BFHE 1979, 143

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