Angabe der hebeberechtigten Gemeinde im Gewerbesteuermessbescheid

Mit der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags wird zwar u. a. über die persönliche und sachliche Steuerpflicht entschieden, nicht aber über die Frage der Steuerberechtigung (Hebeberechtigung). Das gilt im Grundsatz selbst dann, wenn in einem Gewerbesteuermessbescheid eine Gemeinde namentlich als hebeberechtigt bezeichnet wird. Der Steuerpflichtige ist dadurch nicht rechtsschutzlos gestellt. Die Verwaltungsgerichte haben im Verfahren gegen den Gewerbesteuerbescheid die Bestimmung des Steuergläubigers, also der hebeberechtigten Gemeinde, zu prüfen, wenn diese nicht Gegenstand eines Zuteilungs- oder Zerlegungsverfahrens war.

Hintergrund: Gesetzliche Regelung

Den Finanzbehörden obliegt allein die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages als Manifestation der Bestimmungsbefugnis zur persönlichen und sachlichen Gewerbesteuerpflicht nach § 184 Abs. 1 Satz 2 AO. Diese Festsetzung ist der steuerberechtigten Gemeinde als bindende Grundlage (vgl. § 171 Abs. 10 AO) mitzuteilen, damit diese ihrer Verpflichtung nachkommen kann, unter Anwendung ihres Hebesatzes die Gewerbesteuer zu errechnen (vgl. § 16 GewStG) und hiernach den Gewerbesteuerbescheid als Folgebescheid zu erlassen. Bindungswirkung i. S. d. § 351 Abs. 2 AO entfaltet dabei nur die Festsetzung der Gewebesteuermessbeträge.

Sachverhalt: Betriebssitz und Hebesatz der Gemeinde

Das Finanzamt hatte für die Klägerin für die Jahre 2004 bis 2011 Gewerbesteuermessbescheide erlassen, die als hebeberechtigte Gemeinde jeweils X auswiesen. Aus verschiedenen Gründen hatten sich in der Folge Zweifel am tatsächlichen Bestehen eines Betriebssitzes der Klägerin unter der Adresse in X ergeben. Das Finanzamt gelangte zu der Auffassung, dass der Sitz des Betriebes in X nur angegeben worden sei, um eine Besteuerung mit dem Gewerbesteuerhebesatz in X (290 %) zu erwirken, welcher um 200 % unter demjenigen von Y lag (490 %). Tatsächlich habe jedoch der Geschäftsbetrieb bis zum Jahreswechsel 2009/2010 in Räumlichkeiten in Y stattgefunden. Zum Jahreswechsel 2009/2010 sei der Standort in Y aufgegeben worden und ein Umzug nach Z erfolgt. Z hat einen Hebesatz von 260 %.

Das Finanzamt erließ für sämtliche Jahre geänderte Gewerbesteuermessbescheide und gab in den Bescheiden Y bzw. Z als hebeberechtigte Gemeinden an. Die mitgeteilten Besteuerungsgrundlagen berücksichtigend, erließ Y einen zusammengefassten Gewerbesteuerbescheid für die Jahre 2004 bis 2009 nebst Zinsen. Z erließ jeweils einen Bescheid über Gewerbesteuer 2010 und 2011 sowie Zinsbescheide.

Nach der erfolglosen Durchführung eines Einspruchsverfahren, in dem die Klägerin die Auffassung vertreten hatte, eine Änderung der Gewerbesteuermessbescheide sei verfahrensrechtlich hinsichtlich der hebeberechtigten Gemeinde nicht zulässig, hat das FG die Klage als unbegründet abgewiesen.

Entscheidung: BFH verneint Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin

Der BFH hat die hiergegen eingelegte Revision mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage bereits unzulässig gewesen sei. Entgegen der Auffassung des FG fehlte der Klägerin die Klagebefugnis, denn bei der Bezeichnung der hebeberechtigten Gemeinde in einem Gewerbesteuermessbescheid handele es sich um einen bloßen Hinweis der Finanzbehörde ohne Regelungswirkung, durch den der Steuerpflichtige nicht beschwert sei.

Entscheidungssatz des Verwaltungsakts maßgebend

Eine Klage ist nach § 40 Abs. 2 FGO nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts oder einer anderen Leistung in seinen Rechten verletzt zu sein. Aus § 157 Abs. 2 AO ergibt sich, dass die Rechtsverletzung durch einen Steuerverwaltungsakt aufgrund seines Entscheidungssatzes zu beurteilen ist, soweit keine gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen erfolgt. Aus der Begründung oder unselbständigen Besteuerungsgrundlagen des Verwaltungsakts ist dies grundsätzlich nicht abzuleiten. Auch ein in einem Steuerbescheid enthaltener bloßer Hinweis ohne Regelungswirkung begründet danach grundsätzlich keine Beschwer.

Mit der Festsetzung des Steuermessbetrags wird zwar u. a. über die persönliche und sachliche Steuerpflicht entschieden (§ 184 Abs. 1 Satz 2 AO), nicht aber auch über die Frage der Steuerberechtigung (Hebeberechtigung). Hierfür sieht die AO mit dem Zerlegungs- und dem Zuteilungsverfahren in den §§ 185 ff., 190 AO vielmehr gesonderte Verfahren vor, in denen für die daran Beteiligten verbindlich entschieden wird, welchem Steuerberechtigten und gegebenenfalls in welchem Umfang der in einem Gewerbesteuermessbescheid festgesetzte Gewerbesteuermessbetrag zuzuteilen ist.

Beteiligte in diesen Verfahren sind neben dem Steuerpflichtigen die Steuerberechtigten, denen ein Anteil an dem Steuermessbetrag zugeteilt worden ist oder die einen Anteil beanspruchen (§ 186 AO), und damit diejenigen, die durch die Bestimmung des Steuerberechtigten rechtlich betroffen werden. Durch die Bereitstellung dieser Verfahren hat der Gesetzgeber Instrumente zur Lösung des Konflikts über die Steuerberechtigung einer Gemeinde bereitgestellt. Nachdem sowohl die Gemeinden als (potenzielle) Steuerberechtigte als auch der Steuerpflichtige nach § 186 AO an dem Zuteilungs- bzw. Zerlegungsverfahren beteiligt sind, bieten diese speziellen Verfahren auch ein ausreichendes Forum zur Klärung der konkreten materiellen Steuerberechtigung einer Kommune und ihrer daran lediglich anknüpfenden Erhebungskompetenz für die Gewerbesteuer. Die Frage der Steuerberechtigung einer Gemeinde und damit auch deren Hebeberechtigung ist daher nach der Regelungstechnik der AO nicht Regelungsgegenstand eines Gewerbesteuermessbescheids.

Ausreichenden Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten erhält ein Steuerpflichtiger gegen einen seiner Ansicht nach von einer nicht hebeberechtigten Gemeinde erlassenen Gewerbesteuerbescheid aber auch dann, wenn ein Grundlagenbescheid in Form eines Zuteilungs- oder Zerlegungsbescheids nicht vorliegt und ein solcher Bescheid auch nicht mehr ergehen kann, etwa weil die sogenannte Zerlegungs- bzw. Zuteilungssperre des § 189 Satz 3 AO greift. Im Rahmen der Anfechtung dieses Bescheids kann der Steuerpflichtige dann geltend machen, nicht die den Bescheid erlassende Kommune, sondern eine andere sei hebeberechtigt. Danach haben die Verwaltungsgerichte im Verfahren gegen den Gewerbesteuerbescheid die Bestimmung des Steuergläubigers, also der hebeberechtigten Gemeinde, zu prüfen, wenn diese nicht Gegenstand eines Zuteilungs- oder Zerlegungsverfahrens war.

Hinweis: Mitteilung der hebeberechtigten Gemeinde nur Information

Die namentliche Bezeichnung einer hebeberechtigten Mitteilung dient letztlich nur dazu, den Steuerpflichtigen darüber zu informieren, an wen die Mitteilung nach § 184 Abs. 3 AO, die ebenfalls keinen eigenständigen Verwaltungsakt darstellt, erfolgt. Selbst wenn danach eine Gemeinde zunächst aufgrund einer Mitteilung der Finanzbehörde nach § 184 Abs. 3 AO einen Gewerbesteuerbescheid erlassen hat, wird ihre Steuerberechtigung nicht durch diese Mitteilung, sondern ggf. erst in einem auf Antrag eines Beteiligten einzuleitenden Zuteilungsverfahren geklärt. Der in diesem Verfahren ergangene Zuteilungsbescheid stellt insoweit hinsichtlich der Steuerberechtigung den Grundlagenbescheid für den Gewerbesteuerbescheid dar. Nur die Gemeinde, die im Zuteilungsbescheid als Steuerberechtigte bezeichnet wird, ist zum Erlass eines Gewerbesteuerbescheids berechtigt. Eine darin nicht als steuerberechtigt genannte Gemeinde muss daher einen bereits erlassenen Gewerbesteuerbescheid unabhängig davon aufheben, ob die Finanzbehörde ihr den Inhalt des Gewerbesteuermessbescheids zuvor nach § 184 Abs. 3 AO mitgeteilt hatte.

BFH, Urteil v. 11.5.2023, IV R 3/19; NV veröffentlicht am 3.8.2023


Schlagworte zum Thema:  Gewerbesteuer, Gemeinde, Verwaltungsakt