Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Umdeutung der Revision in eine NZB

 

Leitsatz (NV)

Die Umdeutung einer zur Fristwahrung eingelegten "Revision" in eine NZB ist nicht möglich, wenn die im Revisionsschriftsatz angekündigte Begründung nicht innerhalb der Frist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde eingegangen ist.

 

Normenkette

FGO § 115

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Tatbestand

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage teilweise abgewiesen ohne die Revision zuzulassen. Dem Prozeßbvollmächtigten der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wurde das Urteil des FG am 12. August 1994 zugestellt. Dessen Schriftsatz vom 9. September 1994 lautet wie folgt:"

In dem Rechtsstreit ... wegen Gewinnfeststellung 1981--1983, Einheitswert des Be triebsvermögens auf den 1. 1. 1981 und 1. 1. 1982, Gewerbesteuermeßbeträge 1981--1983 und Umsatzsteuer 1981--1983 lege ich namens der Revisionsklägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts vom 20. 04. 1994, zugestellt am 12. 08. 1994, Revision ein.

Die Revisionsbegründung erfolgt in einem gesonderten Schriftsatz. Das Revisionsverfahren soll geführt werden, soweit das Finanzgericht der Klage nicht stattgegeben hat."

Zugleich mit der Aufforderung, eine Prozeßvollmacht vorzulegen, wies die Geschäftsstelle des erkennenden Senats den Prozeßbevollmächtigten mit Schreiben vom 27. September 1994 hinsichtlich der Zulässigkeit der Revision auf die Rechtsmittelbelehrung des FG sowie darauf hin, daß das FG die Revision nicht zugelassen hat.

Mit Schriftsatz vom 10. Oktober 1994 ließ die Klägerin vortragen, das FG habe -- insoweit pflichtwidrig -- nicht ausdrücklich über die Zulassung bzw. Nichtzulassung der Revision entschieden. Bereits aus diesem Grund sei die Revision zuzulassen. Hilfsweise sei die eingelegte Revision als Nichtzulassungsbeschwerde umzudeuten. Vorsorglich erhebe sie Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision und beantrage insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Ihrer Auffassung nach sei schon die am 9. September 1994 eingelegte Revision so zu verstehen, daß zunächst deren Zulassung begehrt werde. Die Revision sei schon wegen der fehlenden Zulassungsentscheidung des FG zuzulassen. Zur Begründung des Rechtsmittels macht die Klägerin weiter geltend, das Urteil sei hinsichtlich der Tatsachen- und Beweiswürdigung inhaltlich fehlerhaft und in sich widersprüchlich. Verfahrensfehlerhaft sei, daß in dem seit August 1986 anhängigen Klageverfahren zwar am 31. Oktober 1988 eine Beweisaufnahme stattgefunden habe, danach jedoch bis zur mündlichen Verhandlung am 20. April 1994, mithin 5 1/2 Jahre, nichts weiter geschehen sei. Anschließend habe es weitere 4 Monate gedauert, bis das Urteil zugestellt worden sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig.

Gemäß Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs findet abweichend von § 115 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die Revision nur statt, wenn das FG oder auf die Beschwerde der Bundesfinanzhof (BFH) sie zugelassen hat oder wenn ein Fall der zulassungsfreien Revision gemäß § 116 FGO gegeben ist.

Hierauf wurde die Klägerin durch die der angefochtenen Entscheidung beigefügte Rechtsmittelbelehrung besonders hingewiesen.

Durch den Schriftsatz vom 9. September 1994 hat die Klägerin ausdrücklich Revision eingelegt. Eine Umdeutung der Revision in eine Nichtzulassungsbeschwerde ist im Streitfall nicht möglich. Bereits im Beschluß vom 27. Januar 1967 VI R 216/66 (BFHE 88, 73, BStBl III 1967, 291) hat der BFH dargelegt, daß wegen der erheblichen rechtlichen und verfahrensmäßigen Unterschiede von Nichtzulassungsbeschwerde und Revision eine Revisionsschrift regelmäßig nicht in eine Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision umgedeutet werden darf. So kann u. a. die Nichtzulassungsbeschwerde -- anders als die Revision (vgl. § 120 Abs. 1 FGO) -- nur innerhalb eines Monats nach Zustellung der Revision eingelegt und begründet werden (§ 115 Abs. 3 FGO; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 115 Rz. 55 m. w. N.). Damit scheidet im Streitfall die Möglichkeit einer Umdeutung der Revisionsbegründung in eine Nichtzulassungsbeschwerde schon deshalb aus, weil die im Revisionsschriftsatz angekündigte Begründung nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils, sondern erst nach Ablauf der Frist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde, eingegangen ist. Angesichts des eindeutigen Wortlauts des lediglich auf die (fristwahrende) Ein legung des Rechtsmittels beschränkten Schriftsatzes kann nicht davon ausgegangen werden, daß mit ihm eine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt wurde (vgl. BFH-Beschluß vom 18. Dezember 1986 I R 84/86, BFH/NV 1988, 34; Gräber/Ruban, a. a. O., § 115 Rz. 50 m. w. N.).

Auch die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde scheidet aus. Die Fristversäumnis wäre nur unverschuldet i. S. des § 56 Abs. 1 FGO, wenn sie der Prozeßbevollmächtigte, dessen Verschulden sich die Klägerin zurechnen lassen muß (§ 155 FGO i. V. m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung), auch durch die äußerste, den Umständen des Falles angemessene und vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht hätte verhindern können (BFH-Beschluß vom 7. Februar 1977 IV B 62/76, BFHE 121, 171--k--74, BStBl II 1977, 291). Das war nicht der Fall. Der Prozeßbevollmächtigte hätte aus der dem Urteil beigefügten Rechtsmittelbelehrung ohne weiteres den Schluß ziehen können und müssen, daß die Revision mangels entsprechender Zulassung im vorinstanzlichen Urteil gerade nicht zugelassen war und deshalb die Zulassung der Revision einer Beschwerde bedurfte (vgl. z. B. BFH- Beschluß vom 18. September 1992 V B 135/92, BFH/NV 1993, 542).

Gründe, die eine zulassungsfreie Revision gemäß § 116 FGO gerechtfertigt erscheinen lassen, sind nicht ersichtlich.

Soweit die Klägerin mit dem Hinweis, das Urteil sei erst 4 Monate nach der mündlichen Verhandlung zugestellt worden, sinngemäß einen Verfahrensmangel i. S. des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO rügt, ist die Rüge unbegründet. Ein bei Verkündung noch nicht vollständig abgefaßtes Urteil gilt als i. S. des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO dann nicht mit Gründen versehen, wenn Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung nicht binnen fünf Monaten nach Verkündung schriftlich niedergelegt, von den Richtern besonders unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben worden sind (Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 27. April 1993 GmS--OGB 1/92, mitgeteilt u. a. in Neue Juristische Wochenschrift 1993, 2603). Im Streitfall hat das FG ausweislich des Sitzungsprotokolls die Zustellung des Urteils nach § 104 Abs. 2 FGO beschlossen. Der Senat kann offenlassen, ob in diesen Fällen uneingeschränkt die gleichen Grundsätze gelten, wie sie der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes für die Verkündigung eines Urteils ausgesprochen hat; denn jedenfalls ist das Urteil innerhalb von vier Monaten nach der mündlichen Verhandlung zugestellt worden.

 

Fundstellen

BFH/NV 1995, 626

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