Entscheidungsstichwort (Thema)

Ablehnung eines Vertagungsantrages

 

Leitsatz (NV)

  1. Die Ablehnung eines Vertagungsantrages kann auch dann eine Verletzung des rechtlichen Gehörs beinhalten, wenn das Gericht wegen einer vorherigen Fristsetzung nach § 79b Abs. 1 FGO verspätet vorgebrachte Tatsachen zurückweisen kann.
  2. Bei den Revisionsgründen des § 119 FGO ist die Kausalität des Verfahrensmangels für die Entscheidung unwiderleglich zu vermuten.
 

Normenkette

FGO § 79b Abs. 1, § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 116 Abs. 6, § 119 Nr. 3

 

Gründe

Die Beschwerde ist wegen eines Verfahrensfehlers des Finanzgerichts (FG) i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) begründet; das angefochtene Urteil war gemäß § 116 Abs. 6 FGO aufzuheben und der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

Im Streitfall liegt eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 119 Nr. 3 FGO) vor, weil der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) bzw. sein Prozessbevollmächtigter durch Ablehnung des Vertagungsantrages nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen konnten (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 9. Dezember 1998 IV B 37/98, BFH/NV 1999, 663). Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist, wie das FG zutreffend erkannt hat, auch dann anzunehmen, wenn das Gericht wegen einer vorherigen Fristsetzung nach § 79b Abs. 1 FGO verspätet vorgebrachte Tatsachen zurückweisen kann. Der Senat kann offen lassen, ob der Kläger die Entscheidungserheblichkeit seines möglichen Vortrags ausreichend dargelegt hat, denn bei den Revisionsgründen des § 119 FGO ist die Kausalität des Verfahrensmangels für die Entscheidung unwiderleglich zu vermuten (s. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 119 Rz. 14).

Im Streitfall vermag der Senat, obwohl es sich um einen Grenzfall handelt, entgegen der Auffassung der Vorinstanz noch nicht die offensichtliche Absicht einer Prozessverschleppung oder eine schwerwiegende Verletzung einer Mitwirkungspflicht des Klägers zu erkennen. Vielmehr war der Prozessbevollmächtigte tatsächlich während des Termins arbeitsunfähig. Die Dauer der Erkrankung (Beckenbruch) stand bei Eintritt der Verletzung noch nicht eindeutig fest. Auch das Unterlassen der rechtzeitigen Beauftragung eines Unterbevollmächtigten im Streitfall kann noch nicht als schwerwiegende Pflichtverletzung angesehen werden. Die allgemeinen Ausführungen des FG zu vermeintlichen Organisationsmängeln und Vorgehensweisen des Prozessbevollmächtigten in seiner Einzelkanzlei begründen den Vorwurf einer absichtlichen Prozessverschleppung noch nicht in hinreichender Weise.

 

Fundstellen

BFH/NV 2002, 198

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