Entscheidungsstichwort (Thema)

Erforderliche Substantiierung eines Prozeßkostenhilfegesuchs

 

Leitsatz (NV)

1. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Rechtsmittelfrist wegen Mittellosigkeit zur Beauftragung eines Prozeßbevollmächtigten kann nur dann gewährt werden, wenn der Antragsteller innerhalb der Rechtsmittelfrist ein vollständiges Prozeßkostenhilfegesuch zusammen mit der erforderlichen formularmäßigen Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt hat.

2. Ein ordnungsgemäßer Antrag auf Prozeßkostenhilfe muß jedenfalls erkennen lassen, in welchen Punkten und in welchem Umfang der Antragsteller die gegen ihn ergangene Entscheidung angreifen will.

 

Normenkette

FGO §§ 56, 142; ZPO § 117

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Finanzbeamter im Ruhestand. Er ist von seiner vierten Ehefrau geschieden und lebt mit ihr gemeinsam -- allerdings von ihr getrennt -- in einem Einfamilienhaus, das ihm und der Frau je zur Hälfte gehört. Die Einkünfte aus dem Einfamilienhaus, in dem auch noch Zimmer an Studenten vermietet sind, werden einheitlich und gesondert festgestellt.

Laut Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) hatte der Kläger im Streitjahr 1987 an seine geschiedene Ehefrau Unterhalt in Höhe von 10 548 DM und im Streitjahr 1988 in Höhe von 10 920 DM zu zahlen. Außerdem war der Kläger unterhaltsverpflichtet gegenüber seinen drei aus der Ehe hervorgegangenen Kindern, die in der Wohnung der Mutter lebten. Die vom Kläger für die Kinder zu leistenden Unterhaltsbeträge betrugen in den Streitjahren für die Kinder A und B je 413,33 DM monatlich und für das Kind C 488,33 DM monatlich.

Tatsächlich hat der Kläger für die geschiedene Ehefrau und die Kinder insgesamt im Streitjahr 1987 7 479,24 DM und im Streitjahr 1988 14 748,35 DM durch Pfändung bzw. Abtretung seines Ruhegehalts an Unterhaltszahlungen erbracht. Es bestanden zudem Unterhaltsrückstände aus früheren Jahren.

Der Kläger gab für die Streitjahre keine Einkommensteuererklärungen ab. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) schätzte daraufhin die Besteuerungsgrundlagen und setzte schließlich aufgrund zweimaliger Änderung gegenüber den ursprünglichen Einkommensteuerbescheiden die Einkommensteuer fest. Dabei wurden jeweils zwei halbe Kinderfreibeträge berücksichtigt. Aufgrund der Steuerfestsetzung ergaben sich Nachzahlungen zu Lasten des Klägers.

Nach erfolglosen Einsprüchen machte der Kläger mit der Klage geltend, er sei auch weiterhin zur Abgabe der Steuererklärungen nicht in der Lage. Die erforderlichen Unterlagen befänden sich im Besitz seiner Ehefrau. Verschiedene Herausgabeklagen seien von den Zivilgerichten in rechtswid riger Weise abgewiesen worden, bzw. die Unterlagen seien nur zum Teil an ihn zurückgegeben worden. Es hätten sich für die Veranlagungszeiträume bis einschließlich 1983 Steuererstattungen ergeben. Dies müsse auch für die Streitjahre gelten. Außerdem seien die Unterhaltszahlungen an die Ehefrau einkommensmindernd zu berücksichtigen. Diese habe auch die Mieteinnahmen aus dem im gemeinsamen Eigentum stehenden Einfamilienhaus für Zwecke des Unterhalts einbehalten. Die Kinderfreibeträge seien ihm in voller Höhe zuzurechnen, weil nur er Unterhalt geleistet habe. Im übrigen seien die Kinderfreibeträge und auch der Grundfreibetrag aus verfassungsrechtlichen Gründen zu niedrig.

Auf Anfrage des Finanzgerichts (FG) erklärte die geschiedene Ehefrau des Klägers, daß sie dem Antrag des Klägers auf Abzug der Unterhaltsleistungen nicht zustimme. Mit der Übertragung des Kinderfreibetrags und des Ausbildungsfreibetrags für den Sohn C sei sie für 1987 und 1988 einverstanden. Der Übertragung des Kinderfreibetrags für die Tochter A stimme sie für 1988 zu.

Das FG gab der Klage insoweit statt, als die geschiedene Ehefrau des Klägers der Übertragung der Kinderfreibeträge und des Ausbildungsfreibetrags zugestimmt hatte. Außerdem berücksichtigte es Beträge nach § 33 a Abs. 1 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für die Streitjahre geltenden Fassung.

Im übrigen wies das FG die Klage ab. Es lehnte die Berücksichtigung der Unterhaltszahlungen an die Ehefrau ab, weil die Ehefrau dem Abzug nicht zugestimmt habe. Einem Abzug der Unterhaltsleistungen nach § 33 a Abs. 1 EStG stehe entgegen, daß die Ehefrau eigene Einkünfte und Bezüge gehabt habe, die die unschädlichen Beträge um mehr als 4500 DM überstiegen hätten. Hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Kinder- und Grundfreibeträge verwies das FG auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 25. September 1992 2 BvL 5, 8 und 14/91 (BVerfGE 87, 153, BStBl II 1993, 413). Danach müsse es für die Veranlagungszeiträume bis einschließlich 1992 bei der bisherigen Regelung verbleiben.

Das FG ließ die Revision nicht zu.

Mit einem Sammelschriftsatz, der sich gegen einen Beschluß des Amtsgerichts, gegen ein anderes Urteil des FG und gegen zwei Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) richtete, legte der Kläger auch "Rechtsmittel" gegen das Urteil des FG in vorliegendem Fall ein. In bezug auf dieses Urteil macht er geltend, das FA schulde ihm -- wie früher -- Erstattung zuviel einbehaltener Lohnsteuer. Das Land ... schulde ihm die "endliche Zurückerlangung der ... mit Justizfehlern gestohlenen Akten. Die Verzögerung dieser Rückerlangung berechtige das FA nicht, aus Ungeduld ... einen Steuer- Fantasie-Schätzungs-Amoklauf ... zu betreiben und wegen nicht rechtskräftiger Forderungen alle nur möglichen Zwangsmittel in offensichtlich verbrecherischer Weise ... einzusetzen".

In der Rechtsmittelschrift hat der Kläger Prozeßkostenhilfe (PKH) für alle dort aufgeführten Verfahren beantragt, also auch für das Rechtsmittel gegen das Urteil des FG im vorliegenden Fall. Eine Erklärung auf dem durch die Verordnung vom 24. November 1980 (BGBl I 1980, 2163) eingeführten Vordruck über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers ist dem Antrag nicht beigefügt.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf PKH für das Rechtsmittel gegen das Urteil des FG im vorliegenden Fall kann keinen Erfolg haben.

Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Da das FG die Revision nicht zugelassen hat und Gründe für eine zulassungsfreie Revision nach § 116 Abs. 1 FGO nicht ersichtlich sind, kommt als Rechtsmittel, mit dem der Kläger im vorliegenden Fall das Urteil des FG erfolgversprechend angreifen könnte, nur die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nach § 115 Abs. 3 FGO in Betracht. Eine solche Nichtzulassungsbeschwerde bietet im Streitfall jedoch keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

1. Dies folgt allerdings nicht schon daraus, daß der Kläger das Rechtsmittel (innerhalb der Beschwerdefrist) persönlich eingelegt hat, obwohl sich nach Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) vor dem BFH jeder Beteiligte -- ausgenommen juristische Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden -- durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen muß. Zwar könnte die Nichtzulassungsbeschwerde wegen Ablaufs der Frist für ihre Einlegung (§ 115 Abs. 3 Satz 1 FGO) nicht mehr rechtzeitig durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer für den Kläger nachgeholt werden. Da der Kläger Antrag auf PKH gestellt hat, könnte er gemäß § 56 FGO aber nach Entscheidung über diesen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen, um das von ihm persönlich eingelegte Rechtsmittel durch eine vor dem BFH vertretungsberechtigte Person in ordnungsgemäßer Form wiederholen zu lassen (vgl. Gräber /Koch, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 56 Rdnr. 15 m. w. N.).

Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wäre jedoch, daß der Kläger innerhalb der Rechtsmittelfrist für die Nichtzulassungsbeschwerde alles Zumutbare getan hat, um das Hindernis der Mittellosigkeit zu beseitigen. Diese Voraussetzung ist nur erfüllt, wenn innerhalb der Rechtsmittelfrist ein vollständiges PKH- Gesuch zusammen mit der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers nebst den entsprechenden Belegen eingereicht worden ist (ständige Rechtsprechung, vgl. u. a. BFH-Beschluß vom 3. April 1987 VI B 150/85, BFHE 149, 409, BStBl II 1987, 573; Gräber /Koch, a. a. O., § 56 Rdnr. 15, jeweils m. w. N.). Im Streitfall hätte der Kläger daher innerhalb der Frist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 142 FGO i. V. m. § 117 Abs. 2 bis 4 ZPO außer seinem Antrag einen ausgefüllten Vordruck über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorlegen müssen. Das ist nicht geschehen, so daß dem Kläger nach der Entscheidung über den Antrag auf Gewährung von PKH keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für die Wiederholung der von ihm persönlich eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer gewährt werden könnte.

2. Im übrigen fehlt es nicht nur an einer ordnungsgemäßen Erklärung des Klägers über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Auch der Antrag auf Gewährung der PKH selbst ist nicht ordnungsgemäß gestellt worden. Nach § 142 FGO i. V. m. § 117 Abs. 1 Satz 2 ZPO ist in dem Antrag das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel darzustellen. Der Senat kann offenlassen, ob hierzu für PKH zu einer Nichtzulassungsbeschwerde bei einem nicht durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer vertretenen Antragsteller eine schlüssige Darlegung der Erfolgsaussichten der Nichtzulassungsbeschwerde in zumindest laienhafter Form gefordert werden muß und kann (vgl. u. a. BFH-Beschluß vom 8. August 1990 X S 18/90, BFH/NV 1991, 185, und die abweichende Meinung von Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 142 Rdnr. 14). Jedenfalls muß der Antrag auf PKH erkennen lassen, in welchen Punkten und in welchem Umfang der Antragsteller das gegen ihn ergangene Urteil angreifen will.

Diesen Anforderungen wird der Antrag auf PKH des Klägers in keiner Weise gerecht. Er behauptet lediglich pauschal die Unrechtmäßigkeit des Urteils und verbindet damit unsachliche Vorwürfe gegen die Justiz. Würde eine solche pauschale Behauptung der Unrechtmäßigkeit des Urteils ohne jegliche Substantiierung für einen ordnungsgemäßen PKH-Antrag ausreichen, könnte der Antragsteller damit erreichen, daß der BFH unter allen denkbaren Gesichtspunkten prüft, ob ein Rechtsmittel gegen das Urteil Erfolg haben könnte. Dies kann nicht Zweck eines Antrags auf PKH sein.

 

Fundstellen

Haufe-Index 420183

BFH/NV 1995, 255

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