Entscheidungsstichwort (Thema)

PKH: Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse

 

Leitsatz (NV)

Für die Gewährung von PKH für ein beabsichtigtes Rechtsmittelverfahren kann auf eine Erklärung nach amtlichem Vordruck nur verzichtet werden, wenn der betroffene Beteiligte innerhalb der Rechtsmittelfrist unter Bezugnahme auf eine in der Vorinstanz eingereichte Erklärung ausdrücklich versichert, daß sich die Verhältnisse zwischenzeitlich nicht geändert haben. Diese Versicherung muß einer Erklärung gemäß §117 Abs. 2 ZPO gleichrangig sein. Sie ist daher -- wie diese Erklärung selbst -- vom jeweiligen Antragsteller persönlich abzugeben und zu unterzeichnen (Bestätigung und Konkretisierung der bisherigen Rechtsprechung).

 

Normenkette

FGO § 142 Abs. 1; ZPO § 117 Abs. 1-2, § 119

 

Verfahrensgang

FG des Landes Sachsen-Anhalt

 

Tatbestand

Die Kläger und Antragsteller (Antragsteller) haben als (in den Streitjahren zusammenveranlagte) Eheleute Klage wegen abweichender Festsetzung von Einkommensteuer 1993 aus Billigkeitsgründen bzw. Erlaß von Einkommensteuer 1992 erhoben, die das Finanzgericht (FG) abgewiesen hat. "Zum Zwecke der zulassungsfreien Revision" gegen diese Entscheidung begehren die Antragsteller Gewährung von Prozeßkostenhilfe (PKH).

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag ist abzulehnen.

Nach §142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. §114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Als Maßnahme der PKH kommt auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts (§121 ZPO) oder Steuerberaters (§142 Abs. 2 FGO) in Betracht, wenn sie erforderlich erscheint oder die Vertretung durch derartige Personen als Prozeßbevollmächtigte vorgeschrieben ist.

Die von den Antragstellern beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet jedoch keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Würde die Revision -- durch einen vor dem Bundesfinanzhof (BFH) vertretungsberechtigten Prozeßbevollmächtigten (vgl. Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs) -- eingelegt, wäre sie wegen Versäumung der Revisionsfrist von einem Monat (§120 Abs. 1 Satz 1 FGO), die im Streitfall am 9. Juni 1997 endete, als unzulässig zu verwerfen. Gleiches hätte für die Einlegung einer Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision nach §115 Abs. 3 FGO zu gelten, für die eine Beschwerdefrist ebenfalls von einem Monat nach der Zustellung des FG-Urteils einzuhalten ist.

Die Erfolgsaussicht des beabsichtigten Rechtsmittels könnte daher nur bejaht werden, wenn den Antragstellern zu seiner Einlegung durch einen dazu befugten Vertreter wegen der Versäumung der Rechtsmittelfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren wäre (§56 Abs. 1 FGO). Dies setzt aber voraus, daß sie ohne Verschulden verhindert waren, die gesetzliche Frist einzuhalten.

Ist ein Beteiligter wegen Mittellosigkeit an der rechtzeitigen Einlegung eines Rechtsmittels gehindert, kann von einer unverschuldeten Verhinderung nur ausgegangen werden, wenn er innerhalb der Rechtsmittelfrist alles in seinen Kräften Stehende und Zumutbare getan hat, um das in seiner Mittellosigkeit bestehende Hindernis zu beheben. Das bedeutet, daß er bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist alle Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH zur Einlegung des Rechtsmittels schaffen muß. Dazu gehört, daß er innerhalb dieser Frist das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel darstellt (§117 Abs. 1 ZPO) und zudem unaufgefordert die nach §117 Abs. 2 ZPO dem Antrag auf Gewährung von PKH beizufügende Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beifügt (BFH-Beschlüsse vom 25. März 1986 III R 134/80, BFH/NV 1986, 631; vom 16. Januar 1996 III S 3/95, BFH/NV 1996, 778). Die Erklärung gemäß §117 Abs. 2 ZPO ist auf dem durch die Verordnung vom 17. Oktober 1994 (BGBl I 1994, 3001) eingeführten amtlichen Vordruck abzugeben (§117 Abs. 3 und 4 ZPO). Kommt ein Beteiligter diesen Erfordernissen nicht nach, scheidet eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus, sofern er nicht ohne sein Verschulden hieran gehindert war.

Vorliegend haben die Antragsteller zwar innerhalb der Rechtsmittelfrist PKH beantragt. Ob sie in ihrem Antrag das Streitverhältnis hinreichend dargestellt haben, um dem Senat die Beurteilung zu ermöglichen, ob und in welchem Umfang die beabsichtigte Rechtsverfolgung Aussicht auf Erfolg hat, erscheint bereits zweifelhaft. Offenbar schließen die Antragsteller in ihrem Gesuch letztlich selbst nicht aus, daß die Vorentscheidung "sich prozessual als vertretbar auch im Revisionsverfahren erweisen mag".

Jedenfalls aber haben die Antragsteller nicht innerhalb der Rechtsmittelfrist die dem Antrag gemäß §117 Abs. 2 ZPO beizufügenden Erklärungen über ihre persön lichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege beigefügt. PKH wird grundsätzlich für jeden Rechtszug gesondert gewährt (§119 ZPO), die Voraussetzungen dafür sind somit (mit Ausnahme des Beschwerdeverfahrens gegen die Ablehnung von PKH durch die Vorinstanz -- vgl. dazu BFH-Beschluß vom 8. Mai 1996 V B 32/95, BFH/NV 1996, 941) für jeden Rechtszug gesondert zu prüfen. Auf eine erneute Erklärung nach amtlichem Vordruck kann daher nur unter der Voraussetzung verzichtet werden, daß der betroffene Beteiligte innerhalb der Rechtsmittelfrist unter Bezugnahme auf seine Erklärung ausdrücklich versichert, daß sich die Verhältnisse zwischenzeitlich nicht geändert haben (BFH- Beschlüsse vom 5. November 1986 IV S 7/86, IV B 49/86, BFHE 148, 13, BStBl II 1987, 62; vom 29. Oktober 1990 III B 463/90, III S 9/90, BFH/NV 1991, 621; vom 1. März 1995 X B 341/94, BFH/NV 1995, 1008). Diesem Erfordernis ist vorliegend nicht genügt. Zwar verweist der Antragsteller für sich und für die von ihm vertretene Antragstellerin auf die von beiden dem FG im Klageverfahren eingereichten Erklärungen und darauf, daß diese "nach wie vor von Aktualität" seien und zur Vermeidung von Kopieraufwand "ihre Gültigkeit auch für das zweitinstanzliche Verfahren erklärt" werde. Die geforderte Versicherung muß jedoch -- soll sie diese ersetzen -- einer Erklärung gemäß §117 Abs. 2 ZPO gleichrangig sein (BFH-Beschluß in BFH/NV 1991, 621, 622, re. Sp.). Sie muß daher über eine bloße Bezugnahme auf eine bereits vorliegende Erklärung hinausgehen. Jedenfalls ist die bezeichnete Versicherung -- wie die Erklärung nach §117 Abs. 2 ZPO selbst (vgl. den amtlichen Vordruck und das "Hinweisblatt zum Vordruck über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozeßkostenhilfe", BGBl I 1994, 3005, 3008 a. E.) -- vom jeweiligen Antragsteller, im Falle gemeinsamer Antragstellung daher von jedem der Antragsteller persönlich abzugeben und zu unterzeichnen.

Vorliegend fehlt es zumindest an einer entsprechenden Versicherung der Antragstellerin. Als persönliche Erklärung konnte sie nicht durch den Antragsteller als ihrem Bevollmächtigten, dem nicht die Eigenschaft eines gesetzlichen Vertreters zukommt, abgegeben werden. Das Fehlen dieser Erklärung hindert die Überprüfung des PKH-Gesuchs insgesamt. Denn ihr kommt, da es sich bei den Antragstellern nach der Vorentscheidung und sonstigen Aktenlage -- von ihnen unwidersprochen -- um (zusammenveranlagte) Ehegatten handelt, über den Antrag der Antragstellerin hinaus auch für die Gewährung von PKH für den Antragsteller Bedeutung zu (vgl. dazu zuletzt den BFH-Beschluß in BFH/NV 1996, 778). Dies gilt um so mehr, als die vom Antragsteller dem FG vorgelegte Erklärung Angaben über die Einkünfte und das Vermögen des Ehegatten nicht enthält.

Erneute Erklärungen gemäß §117 Abs. 2 ZPO oder gleichrangige Versicherungen beider Antragsteller wären darüber hinaus auch bereits deshalb erforderlich gewesen, weil die im März 1997 gegenüber dem FG abgegebenen Erklärungen ursprünglich bereits vom November 1996 bzw. Januar 1997 datierten und zwischenzeitlich nicht aktualisiert worden sind.

Wiedereinsetzung der Antragsteller insoweit kommt nicht in Betracht, da nicht erkennbar ist, daß sie ohne Verschulden gehindert waren, ihren Pflichten nach §117 Abs. 2 FGO ordnungsgemäß nachzukommen. Insbesondere entschuldigt nicht die Absicht der Vermeidung von (nicht zwangsläufig entstehenden) Kopierkosten. Da den Antragstellern die Möglichkeit, PKH zu erlangen, bekannt war, hätten sie sich Kenntnis über die Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Antragstellung für das Rechtsmittelverfahren verschaffen müssen. Andernfalls tragen sie das Risiko des Rechtsverlustes. Eine Verpflichtung der Gerichte, die Antragsteller über das erforderliche Verfahren aufzuklären, bestand auch aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1991, 621; vom 13. Oktober 1993 II S 20/93, BFH/NV 1994, 654; Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Juni 1983 1 BvR 277/83, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Finanzgerichtsordnung, §142, Rechtsspruch 33).

Aus den dargestellten Gründen ist nicht damit zu rechnen, daß den Antragstellern wegen der Versäumung der Rechtsmittelfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden wird.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66786

BFH/NV 1998, 79

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