Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteue

 

Leitsatz (amtlich)

Für die Bewertung der nach dem für die Hauptveranlagung maßgebenden Stichtage ausgegebenen Wertpapiere und Anteile ist bei Nachveranlagung und Neuveranlagungen jeweils der 31. Dezember des Jahres maßgebend, das dem Veranlagungszeitpunkte vorangeht.

Der Anpassungsabschlag von den Mittelwerten nach Abschn. 105 Abs. 11 VStR 1949 ist nur für die Bewertung von nichtnotierten Aktien und Anteilen auf den Stichtag 31. Dezember 1948 vorgesehen, da er lediglich die kurz nach der Währungsreform noch nicht übersehbaren wirtschaftlichen Verhältnisse ausgleichen soll.

 

Normenkette

BewG §§ 13, 69/1, § 69 Abs. 2; AntBewR; BewG §§ 11, 112; BewDV § 64

 

Tatbestand

Streitig ist die Bewertung von GmbH-Anteilen auf den 31. Dezember 1949, 31. Dezember 1950 und 31. Dezember 1951. Die Bfin. ist am 1. April 1949 als GmbH von den Gesellschaftern der OHG gegründet worden. Gegenstand der GmbH ist im wesentlichen der Vertrieb der Erzeugnisse der OHG, deren gesamten wirtschaftlichen Betrieb sie übernommen hat. Der OHG verblieben die beweglichen und unbeweglichen Anlagen sowie gewisse Bestände an Rohstoffen.

Finanzamt, Steuerausschuß und Finanzgericht stellten den gemeinen Wert der GmbH-Anteile jeweils auf den 31. Dezember 1949, 31. Dezember 1950 und 31. Dezember 1951 fest.

Die Feststellung auf den 31. Dezember 1949 bestreitet die Bfin. dem Grunde nach nicht. Sie behauptet aber, dieser Wert gelte für alle Veranlagungszeitpunkte innerhalb des Hauptveranlagungszeitraumes 1949, so daß Feststellungen auf den 31. Dezember 1950 und 31. Dezember 1951 unzulässig seien. Außerdem bestreitet sie die Höhe der für die drei Stichtage ermittelten Werte.

Das Finanzgericht führte aus: Die einheitliche und gesonderte Feststellung des gemeinen Wertes von Anteilen könne von Amts wegen erfolgen. Im vorliegenden Falle sei das Feststellungsverfahren erforderlich, um das Vermögen der beiden Gesellschafter, die bei der Gründung der GmbH deren Anteile erworben hätten, auf die Voraussetzungen einer Vermögensteuerneuveranlagung zu überprüfen. Das Finanzgericht legte in Anlehnung an die Verwaltungspraxis (Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 25. April 1936, RStBl 1936 S. 421; Abschn. 103 Abs. 1 VStR 1949) § 69 Abs. 2 Satz 2 BewG in der an den streitigen Stichtagen gültigen Fassung dahin aus, im Falle einer Nachveranlagung oder von mehrmaligen Neuveranlagungen innerhalb des Hauptveranlagungszeitraumes seien die neu ausgegebenen Geschäftsanteile jeweils auf den 31. Dezember des Jahres neu zu bewerten, das dem Veranlagungszeitpunkte vorangehe. Das Prinzip des § 69 Abs. 2 Satz 1 BewG a. F. gelte entgegen der Auffassung der Bfin. nicht für die nach dem Stichtage für die Hauptveranlagung ausgegebenen Anteile. Diese Auslegung des Gesetzes werde durch das Steueränderungsgesetz (StändG) vom 26. Juli 1957 (BStBl 1957 I S. 352) bestätigt. Denn nach der dortigen Fassung des § 69 Abs. 2 BewG sei für die Bewertung von neu ausgegebenen Wertpapieren bei Neuveranlagungen und Nachveranlagungen Stichtag der 31. Dezember des Jahres der Ausgabe. Dies gelte rückwirkend bis zum Hauptfeststellungszeitraum 1953, und zwar mit der hier entscheidenden Modifikation, § 69 Abs. 2 Satz 2 BewG a. F. anzuwenden, wenn dies für den Steuerpflichtigen günstiger sei (Art. 12 Abs. 2 StändG 1957). Durch diese Bezugnahme sei zum Ausdruck gebracht, daß § 69 Abs. 2 Satz 2 BewG a. F. im Sinne der Verwaltungspraxis auszulegen sei. Das Finanzgericht kommt somit zu dem Ergebnis, das Finanzamt habe zu Recht die Anteile auf den 31. Dezember 1949, 31. Dezember 1950 und 31. Dezember 1951 zwecks Neuveranlagung der Gesellschafter bewertet.

Zur Höhe der festzustellenden Werte ging das Finanzgericht von einem aus Vermögenswert und Ertragswert gebildeten Mittelwerte aus, den es in Anwendung des Abschn. 105 Abs. 9 VStR 1949 zum 31. Dezember 1949 um 90 %, zum 31. Dezember 1950 um 65 % und zum 31. Dezember 1951 um 40 % minderte. Nach den eigenen Angaben der Bfin. betrage der Durchschnittsertrag der Jahre 1949 bis 1951 das Vielfache des eingezahlten Stammkapitals. Diese Bewertungsmerkmale seien vor dem Finanzgericht unstreitig gewesen. Die Bfin. habe auf die genannten Ausgangswerte einen weiteren Anpassungsabschlag von 50 % gemäß Abschn. 105 Abs. 11 VStR 1949 verlangt. Diesen lehne das Finanzgericht ab, da alsdann der gemeine Wert unter dem Vermögenswerte liegen würde. Der Wert von Geschäftsanteilen, durch deren Besitz die Gesellschaft beherrscht werde, liege jedoch regelmäßig nicht unter dem Substanzwert (Entscheidung des Reichsfinanzhofs III 52/42 vom 24. September 1942, RStBl 1942 S. 1052). Bei der günstigen Ertragslage der Bfin. müsse der gemeine Wert wesentlich über dem Vermögenswerte liegen. Der in den VStR 1949 vorgesehene Anpassungsabschlag von 50 % beziehe sich nur auf den Stichtag 31. Dezember 1948. Das Finanzgericht nahm (zum Teil in übereinstimmung mit dem Finanzamt) folgende Abschläge vor:

Dezember 1949 31. Dezember 1950 31. Dezember 1951 --- ./. 20 % -------- ./. 10 % ---------- ./. 10 %

Mit der Rb. macht die Bfin. erneut geltend, die Feststellung eines gemeinen Wertes auf den 31. Dezember 1950 und auf den 31. Dezember 1951 sei nicht zulässig, da nicht ersichtlich sei, weshalb es bei neu ausgegebenen Anteilen anders sein solle als bei früher ausgegebenen Anteilen. Die rückwirkende Anwendung der Verwaltungspraxis bis 1953 laut StändG 1957 spreche nicht für die Auslegung des Finanzgerichts, da sie nur anwendbar sei, falls sie für den Steuerpflichtigen günstiger sei; für die Zeit vor 1953 enthalte sie nichts.

Ein Anpassungsabschlag von 50 % sei zum 31. Dezember 1949 gerechtfertigt. Höchstens könne er insoweit gekürzt werden, als sonst der Vermögenswert unterschritten würde. Gewinne und Verluste der späteren Folgejahre dürften zur Bewertung nicht herangezogen werden.

Außerdem machte die Bfin. als Verfahrensrüge geltend, das Finanzgericht habe sich mit dem streitigen Rechtsproblem und ihren Ausführungen nicht genügend auseinandergesetzt.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist unbegründet.

Die geltend gemachte Verfahrensrüge ist unbegründet. Das Finanzgericht hat die rechtliche und sachliche Seite des Rechtsstreites ausreichend behandelt, wie die Urteilsgründe beweisen. Auf jeden Schriftsatz im einzelnen einzugehen, ist das erkennende Gericht nicht verpflichtet.

Die Ausführungen des Finanzgerichts sind zutreffend.

Bewertungsstichtag.

Die Bewertung der GmbH-Anteile beruht auf § 13 Abs. 2 BewG und findet ihre nähere Ausgestaltung hinsichtlich des Gegenstandes der Feststellung, der örtlichen Zuständigkeit und der Einleitung des Verfahrens von Amts wegen in den §§ 64 bis 66 der Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz (BewDV). Insoweit bestehen zwischen den Beteiligten keine Unstimmigkeiten und sachlich keine Bedenken. Streitig ist dagegen die Auslegung des § 69 BewG a. F., der den Stichtag für die Bewertung von Wertpapieren und Anteilen festlegt. Nach der für die hier in Frage stehenden Jahre gültigen Fassung des § 69 Abs. 1 und Abs. 2 BewG (a. F.) ist Stichtag für die Bewertung von Anteilen einer GmbH der 31. Dezember des Jahres, das dem für die Hauptveranlagung zur Vermögensteuer maßgebenden Zeitpunkte vorangeht. Während nach Abs. 2 Satz 1 der Stichtag der Hauptveranlagung auch für Neu- und Nachveranlagungen zur Vermögensteuer auf einen anderen Zeitpunkt gilt, ist für die Bewertung der nach dem Stichtage für die Hauptveranlagungen ausgegebenen Anteile bei Neu- und Nachveranlagung der 31. Dezember des Jahres maßgebend, das dem Veranlagungszeitpunkte vorangeht. Das bedeutet, nicht der erste Neu- oder Nachveranlagungszeitpunkt gilt für den ganzen Hauptveranlagungszeitraum, sondern der jeweils vorangegangene 31. Dezember ist bei Bewertung neu ausgegebener Anteile maßgebend, also unter Umständen mehrmalige und nicht nur einmalige Bewertung im Hauptveranlagungszeitraum. Denn in § 69 Abs. 2 BewG a. F. stehen die Sätze 1 und 2 jeweils für verschiedene Tatbestände gleichberechtigt nebeneinander, nicht der Satz 2 unter dem Satz 1. Wenn die Bfin. die unterschiedliche Behandlung zwischen vor und nach dem Hauptveranlagungszeitpunkte ausgegebenen Wertpapieren entweder für eine unrichtige Auslegung des Gesetzes oder für eine unzulässige Ungleichmäßigkeit ansieht, so kann ihr in beidem nicht gefolgt werden. Die langjährige Verwaltungsübung und Abschn. 103 Abs. 1 VStR 1949, wonach bei Neu- und Nachveranlagungen innerhalb desselben Hauptveranlagungszeitraumes die neu ausgegebenen Wertpapiere auf den 31. Dezember des Jahres zu bewerten sind, das dem jeweiligen Veranlagungszeitpunkte vorangeht, sind zwar für die Steuergerichte nicht bindend, geben aber doch einen Anhalt, wenn die von der Bfin. vertretene Meinung keine gewichtigen Gegengründe vorbringen kann.

Der Gesetzeswortlaut a. F. macht einen Unterschied zwischen Wertpapieren und Anteilen, die vor und die nach dem Stichtage für die Hauptveranlagung ausgegeben wurden. In übereinstimmung mit dem Finanzgericht folgert der Senat aus der Neufassung des § 69 Abs. 2 BewG durch das StändG 1957 ("Für die Bewertung von Wertpapieren und Anteilen ..., die nach dem in Abs. 1 Satz 1 bezeichneten Zeitpunkt ausgegeben sind, ist bei Neuveranlagungen und Nachveranlagungen Stichtag der 31. Dezember des Jahres der Ausgabe.") und aus Art. 12 StändG, daß das StändG 1957 von der Rechtsgültigkeit des § 69 Abs. 2 BewG a. F. und der Gesetzmäßigkeit der bis dahin angewandten Verwaltungspraxis ausging. Anderenfalls hätte die weitere Anwendung eines Verfahrens contra legem nicht gesetzlich sanktioniert werden dürfen. Entgegen der Auffassung der Bfin. würde auch die steuerliche Begünstigung ("eine für den Steuerpflichtigen günstigere Bewertung") einer gesetzlichen Grundlage bedürfen. Schließlich stellt die damalige unterschiedliche Behandlung keine willkürliche Ungleichmäßigkeit dar, sondern läßt sich wirtschaftlich und steuerrechtlich erklären. Die jeweils zeitnähere Bewertung der neuen Anteile bei Neu- und Nachveranlagungen findet dadurch ihre Rechtfertigung, daß sich die Merkmale für die Bewertung der neu ausgegebenen Wertpapiere und Anteile im ersten Jahre der Neuausgabe noch nicht so durchgesetzt haben, daß sie die Grundlage für mehrere Jahre bilden können. Sie könne vielmehr gerade in den ersten Jahren nach ihrer Ausgabe besonderen Wertschwankungen unterliegen.

Die Feststellung eines gemeinen Wertes der GmbH-Anteile auf die Stichtage 31. Dezember 1949, 31. Dezember 1950 und 31. Dezember 1951 ist somit zutreffend.

Die Feststellung der Höhe des gemeinen Wertes der Geschäftsanteile.

Für die Bewertung von Anteilen an einer GmbH, die im Inlande keinen Kurswert haben, ist der gemeine Wert maßgebend. Läßt sich, wie hier, der gemeine Wert aus Verkäufen nicht ableiten, so ist er unter Berücksichtigung des Gesamtvermögens und der Ertragsaussichten der Gesellschaft zu schätzen (ß 13 BewG). Für die Schätzung hat sich seit Jahren ein auch von der Rechtsprechung gebilligtes Verfahren herausgebildet, nämlich den gemeinen Wert als Mittel zwischen Vermögenswert und Ertragswert zu bilden (Abschn. 105 VStR 1949; zunächst sogenanntes Berliner Verfahren, später mit gewisser Abänderung sogenanntes Stuttgarter Verfahren, Richtlinien zur Bewertung nichtnotierter Aktien und Anteile an Kapitalgesellschaften 1953 und 1957). Die Verwaltungsrichtlinien für die Bewertung nichtnotierter Anteile an Kapitalgesellschaften sind als ein wertvolles und für die Einheitlichkeit der Bewertung geeignetes Verfahren anzuerkennen, als Verwaltungsvorschriften aber nicht für die Gerichte bindend (Entscheidung des Bundesfinanzhofs III 396/58 S vom 19. Dezember 1960, BStBl 1961 III S. 92, Slg. Bd. 72 S. 241). Die Berechnung des gemeinen Wertes von GmbH-Anteilen an Hand der Richtlinien, durch die Ungleichmäßigkeiten vermieden werden sollen (Entscheidung des Bundesfinanzhofs III 261/59 U vom 6. April 1962, BStBl 1962 III S. 253, Slg. Bd. 74 S. 682), ist und bleibt aber eine Schätzung auf der Grundlage des gegebenen Einzelfalles, wobei die verschiedenen Möglichkeiten zu Abschlägen unter Berücksichtigung der jeweils gegebenen Verhältnisse hinreichende Bewegungsfreiheit geben (siehe Entscheidung des Bundesfinanzhofs III 396/58 S a. a. O.).

Hier ist nur der von der Bfin. begehrte Anpassungsabschlag von 50 % (Abschn. 105 Abs. 11 VStR 1949) streitig. Die Bewertungsrichtlinien geben verschiedene Möglichkeiten, um zu einem gerechten, gleichmäßigen Schätzungsergebnis zu kommen. Der Anpassungsabschlag für den 31. Dezember 1948 ist wegen der gerade für die kurz nach der Währungsreform bestehende unsichere Wirtschaftslage und nicht für spätere Stichtage vorgesehen, und selbst für diesen Tag nicht in der starren Höhe von 50 % vorgeschlagen, wie das dortige Beispiel B beweist. Das Finanzgericht hält sich zudem im Rahmen der pflichtgemäßen und den Richtlinien entsprechenden Schätzung, wenn es unter Bezugnahme auf das Urteil des Reichsfinanzhofs III 52/42 vom 24. September 1942 (a. a. O.) das Begehren auf einen 50 - prozentigen Anpassungsabschlag auch deshalb für überhöht hält, da dann der Wert der Anteile der personenbezogenen GmbH unter dem Substanzwerte liegen würde. Aus diesem Hinweis kann die Bfin. jedoch nicht den hilfsweisen Antrag herleiten, es müsse wenigstens bis zum Substanzwerte ein Abschlag gewährt werden.

Die Hinweise in den Urteilsgründen auf die Ertragslage und die Umsätze in den nachfolgenden Jahren stellen keine unzulässige Rechtsanwendung durch mißbräuchliche Schätzung unter Außerachtlassung des Stichtagsprinzips dar, da diese Ausführungen das Urteil nicht tragen, sondern nur am Rande stehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411004

BStBl III 1964, 30

BFHE 1964, 77

BFHE 78, 77

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