Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Ausgangswert für die Bildung der Rückstellung für Pensionsanwartschaften (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs III 161/54 S vom 26. Juli 1957 - Slg. Bd. 65 S. 206, BStBl 1957 III S. 314 -) ist der Barwert der Anwartschaften für die bereits auf die abgelaufene Dienstzeit entfallenden Rentenanteile.

Dieser Barwert ist im Hinblick auf die Fluktuation zu berichtigen.

Besteht für eine Wirtschaftsgruppe eine einheitliche Pensionsordnung, auf Grund deren die in einem Werk verbrachte Arbeitszeit bei übertritt eines Arbeiters oder Angestellten in ein anderes Werk der betreffenden Wirtschaftsgruppe voll angerechnet wird, so kann in einem solchen Fall die Fluktuation eventuell überhaupt unbeachtet bleiben.

Von dem gegebenenfalls nach Ziff. 2 berichtigten Ausgangswert ist ein Globalabschlag von 75 v. H. vorzunehmen.

 

Normenkette

BewG §§ 4, 6, 12, 10, 14, 103, 62, 66, 109

 

Tatbestand

Streitig ist der Abzug der Rückstellung für Pensionsanwartschaften und die Bewertung übernommener laufender Pensionen bei der vorläufigen Fortschreibung des Einheitswerts des Betriebsvermögens der Beschwerdeführerin (Bfin.) auf den 1. Januar 1954. Auf Grund des Gesetzes Nr. 27 der Alliierten Hohen Kommission über die Neuordnung der Eisen- und Stahlindustrie hat die Combined Steel Group die Beschlagnahme des im Eigentum der D. F. AG i. L. stehenden Umlaufvermögens, der Patente usw. sowie der im Eigentum der V. AG i. L. stehenden Werte des Anlagevermögens und die übertragung des Eigentums an diesen Werten auf die neu zu gründende Bfin. verfügt. Ebenso wurde die übernahme der nicht dinglich gesicherten Verbindlichkeiten der D. E. AG i. L. (Pensionsanwartschaften, Rückstellungen, übrige Verbindlichkeiten) durch die Bfin. angeordnet. Daraufhin wurde die Bfin. am 24. Mai 1952 errichtet und am 30. Mai 1952 in das Handelsregister eingetragen. In der Vermögensaufstellung der Bfin. auf den 1. Januar 1954 sind Rückstellungen für Pensionen in Höhe von 4.759.069 DM enthalten; davon entfallen 3.012.677 DM auf die von der Altgesellschaft übernommenen laufenden Renten und Pensionsanwartschaften. Der Betrag ist auf den 1. Januar 1952 nach versicherungsmathematischen Grundsätzen unter Berücksichtigung eines Rechnungszinssatzes von 3,5 v. H. errechnet worden. Der Unterschiedsbetrag von 1.746.392 DM entfällt auf Zuführungen zur Pensionsrückstellung für neu entstandene Verpflichtungen zur Leistung laufender Renten und Anwartschaften für die Zeit nach der übernahme von der Altgesellschaft. Hierbei sind die neu entstandenen laufenden Renten nach § 16 des Bewertungsgesetzes (BewG) bewertet, die Pensionsanwartschaften ebenfalls nach der versicherungsmathematischen Methode und unter Anwendung desselben Rechnungszinssatzes von 3,5 v. H. Das Finanzamt hat nur den nach § 16 BewG kapitalisierten Wert der laufenden Pensionen zum Abzug zugelassen. Der Abzug für Pensionsanwartschaften wird abgelehnt, weil es sich um aufschiebend bedingte Verbindlichkeiten handle. Ein weitergehender Abzug könne auch nicht unter Hinweis auf die übernahme von Pensionsverpflichtungen von der Altgesellschaft zugelassen werden. Die Sprungberufung der Bfin. gegen den vorläufigen Wertfortschreibungsbescheid bezweckte den Abzug der Pensionsanwartschaften mit ihrem versicherungsmathematisch errechneten Wert bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens. Darüber hinaus müßten im Streitfall auch mindestens die von der Altgesellschaft herrührenden laufenden Pensionen mit ihrem versicherungsmathematisch ermittelten Wert als abzugsfähige Verbindlichkeiten angesehen werden. Der Sprungberufung wurde das versicherungsmathematische Gutachten des Diplomversicherungsmathematikers Dr. Heubeck vom 12. August 1954 beigefügt. Sterblichkeit, Invalidität und Arbeitsplatzwechsel (Fluktuation) sind nach Angabe des Gutachters in der Rechnung mit den ihnen zukommenden Wahrscheinlichkeiten berücksichtigt. Die am 1. September 1952 bei der Bfin. in Kraft getretene Pensionsordnung gewährt: Altersrenten an Werksangehörige von der Vollendung des 65. Lebensjahres an nach Ausscheiden aus dem Werk, Invalidenrenten, sofern dauernde Arbeitsunfähigkeit vorliegt, Witwenrenten an die Witwen verstorbener Werksangehöriger und Waisenrenten an die Abkömmlinge verstorbener Werksangehöriger. Als anrechnungsfähige Dienstzeit gilt die Zeit, die der Werksangehörige im Werk verbracht hat. Voraussetzung für die Anrechnung der Dienstzeit ist, daß - abgesehen von unverschuldeter Arbeitslosigkeit und Vorliegen höherer Gewalt - die Tätigkeit nicht länger als insgesamt ein Jahr unterbrochen worden ist, sowie daß der Werksangehörige nicht fristlos auf Grund eigenen Verschuldens entlassen wurde. Das gleiche gilt für eine Unterbrechung der Tätigkeit im eigenen Werk. Invalidenrente wird nicht gewährt, wenn die Invalidität von dem Werksangehörigen vorsätzlich und widerrechtlich herbeigeführt wurde. Ein Rechtsanspruch auf die Witwenrente entsteht nicht, wenn der Werksangehörige, als die Ehe geschlossen wurde, mehr als 60 Jahre alt oder um mehr als 25 Jahre älter als die Ehefrau war oder sich sonst aus den Umständen ergibt, daß die Ehe lediglich geschlossen worden ist, um den Hinterbliebenen die Unterstützung zuzuwenden. § 11 der Pensionsordnung setzt eine Höchstgrenze bei Zusammentreffen von Witwen- und Waisenrenten fest, § 12 behandelt die Anrechnung anderweitiger Einnahmen aus Renten. § 16 enthält eine Bestimmung über die allgemeine Kürzung der Renten. Danach kann die Gesellschaft Versorgungsleistungen für laufende oder künftige Fälle vorübergehend oder dauernd allgemein kürzen, wenn die gleichartigen gesetzlichen Sozialversicherungsrenten erhöht werden oder wenn die wirtschaftliche Lage des Werkes es erfordert. über das Vorliegen dieser Voraussetzungen und über das Ausmaß der Kürzung befindet die Gesellschaft. Das Finanzgericht hat die Sprungberufung der Bfin. als unbegründet zurückgewiesen. Es ist ebenfalls der Auffassung, daß die vom Altkonzern übernommenen Pensionszahlungen und Pensionsanwartschaften keine echten Schulden der Bfin. geworden seien. Für die laufenden Pensionszahlungen gelte ausschließlich die Bewertungsvorschrift des § 16 BewG. Pensionsanwartschaften könnten, da aufschiebend bedingt, überhaupt nicht zum Abzug zugelassen werden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.). Sie verbleibt dabei, daß die begehrte Rückstellung für Pensionsanwartschaften zugelassen werden müsse, und sie vertritt weiterhin die Ansicht, daß die von der Altgesellschaft übernommenen laufenden Renten nach versicherungsmathematischen Grundsätzen bewertet werden müßten. Dr. Heubeck hat noch ein Ergänzungsgutachten vom 2. Oktober 1956 eingereicht, dem unter anderem folgendes zu entnehmen ist: Der Kapitalwert der Pensionsverpflichtungen sei der abgezinste Wert aller aus einem bestimmten Belegschaftsstand zu erwartenden Leistungen, nach den Grundsätzen der Wahrscheinlichkeitsrechnung kalkuliert, auf denen das gesamte Versicherungswesen beruhe: Invalidität, Sterblichkeit, Fluktuation, die Wahrscheinlichkeit, beim Tode verheiratet zu sein, das jeweilige Alter der Ehefrau für eine in Frage kommende Witwenrente, die durchschnittliche Anzahl und das Durchschnittsalter der für eine Waisenrente in Betracht kommenden Kinder. Die Grundlagen hierfür würden aus der Statistik gewonnen. Es werde unterstellt, daß der Betriebsangehörige eine zusätzliche Arbeitsleistung erbringe, die ihm in Form der Pension später ausgezahlt werde. Als Gegenwartswert der Pensionsverpflichtungen, wie er in den Bilanzen berücksichtigt werde, gelte dann jeweils der Rückstellungsbetrag, der der bereits abgeleisteten Dienstzeit entspreche. Der der künftigen Dienstleistung der Belegschaft entsprechende Zuwachs werde erst in den künftigen Dienstjahren gebildet. Diese Pensionsschuld, die durch bereits abgeleistete Dienste entstanden sei, könne grundsätzlich nicht anders behandelt werden als das Deckungskapital, das bei einer Versicherungsgesellschaft durch Prämienzahlung entstanden sei. In der mündlichen Verhandlung über die Rb. vom 15. November 1957 haben sich die Vertreter der Bfin. mit dem Grundsatzurteil des Senats III 161/54 S vom 26. Juli 1957 (Slg. Bd. 65 S. 206, Bundessteuerblatt - BStBl - 1957 III S. 314) eingehend befaßt. In dem genannten Urteil wurde ausgesprochen, daß bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens nach dem Gesetz der großen Zahl die Zulässigkeit der Bildung einer Rückstellung für Pensionsanwartschaften zu bejahen sei. Ausgangswert für die Bildung der Rückstellung für Pensionsanwartschaften sei das nach versicherungsmathematischen Grundsätzen errechnete Deckungskapital, bei dem bereits der Einfluß der Fluktuation berücksichtigt worden sei. Von dem danach verbleibenden Wert des Deckungskapitals seien Abschläge wegen der Vorbehalte der Unternehmer hinsichtlich der Pensionszahlungen, der Verwendung des Abzinsungssatzes 3,5 v. H. statt 5,5 v. H. bei der versicherungsmathematischen Berechnung und aus sonstigen Gründen (eigenkapitalähnlicher Charakter des Rückstellungsbetrags, Verbesserung des Betriebsklimas usw.) in Höhe von etwa 75 v. H. vorzunehmen. In dem Urteil ist der Abschlag von 75 v. H. nicht im einzelnen aufgeschlüsselt. Es ist lediglich ausgeführt worden, daß wegen der gebotenen Erhöhung des Rechnungszinsfußes von 3,5 v. H. auf 5,5 v. H. ein durchschnittlicher Abschlag von 25 v. H. vorzunehmen sei. Für die sonstigen Entlastungsmomente wurde unter Berücksichtigung andererseits der die Pensionsanwartschaftslast erhöhenden Steigerungen des Lohn- und Gehaltsniveaus ein Globalabschlag von noch 50 v. H. vorgenommen. In der in einem gleichliegenden Fall (III 87/56) stattgefundenen mündlichen Verhandlung ist die Frage des Vertreters der Steuerpflichtigen nach einer Aufschlüsselung des Globalabschlags dahin beantwortet worden, daß man wegen der Vorbehalte bei Pensionszusagen etwa einen Abschlag von 25 v. H. annehmen könne, wegen des eigenkapitalähnlichen Charakters der Rückstellung 20 v. H., wegen Verbesserung des Betriebsklimas 15 v. H., zusammen sonach 60 v. H. Abschläge. Andererseits sei wegen der Möglichkeit künftiger Lohn- und Gehaltssteigerungen ein Zuschlag von etwa 10 v. H. angemessen. Demnach ergebe sich außer dem Abschlag von 25 v. H. vom Ausgangswert wegen des Rechnungszinsfußes von 3,5 v. H. anstatt 5,5 v. H. ein Gesamtabschlag von noch 50 v. H.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.

Aufhebungsgrund ist die durch das Grundsatzurteil des Senats vom 26. Juli 1957 nicht gebilligte Auffassung der Vorinstanzen, daß keine Rückstellungen für Pensionsanwartschaften bei der Einheitsbewertung zugelassen werden dürften.

Die Vertreter der Bfin. haben in der mündlichen Verhandlung in der jetzt zur Entscheidung anstehenden Sache in der Hauptsache zu dem richtigen Ausgangswert für die Bemessung der Rückstellung und zur Höhe der Abschläge Stellung genommen. Als Ausgangswerte für die Bildung der Rückstellung bieten sich drei Werte an:

Der Wert gemäß § 6 a des Einkommensteuergesetzes (EStG), nämlich der Betrag, der auf das Wirtschaftsjahr entfällt, wenn die Rückstellung nach versicherungsmathematischen Grundsätzen gleichmäßig auf die Zeit von der Pensionszusage bis zu dem vertraglich vorgesehenen Eintritt des Versorgungsfalles verteilt wird. Die vor dem Zeitpunkt der Pensionszusage im Betrieb verbrachten Dienstjahre werden also in dem Wert nach § 6 a a. a. O. außer Betracht gelassen.

Der Barwert der Pensionsanwartschaften. Er ist der abgezinste Betrag aller nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit in Zukunft noch zu erwartenden baren Fälligkeiten (Schriftsatz Dr. Heubeck vom 4. Dezember 1957). Nach Dr. Heissmann (Ruhegeldanwartschaften in der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens, Sonderdruck aus: "Die Wirtschaftsprüfung" 1957 Nr. 22 S. 4) stellt der Barwert einer Anwartschaft die volle derzeitige Belastung durch die künftigen Rentenzahlungen dar, wobei jede einzelne Rentenzahlung auf den Stichtag abgezinst und mit den entsprechenden Wahrscheinlichkeiten multipliziert wird. In diesem Wert ist auch der Teil der Rente enthalten, der erst in den künftigen Dienstjahren erdient wird.

Der Barwert der Anwartschaften abzüglich des Barwerts der noch in der späteren Aktivitätszeit zu machenden planmäßigen Zuführungen zur Rückstellung (Dr. Heubeck, Schriftsatz vom 4. Dezember 1957). Bei diesem Wert wird die Dienstzeit zwischen Eintrittsjahr und Zusagejahr berücksichtigt. Er ist gleich dem Barwert der Anwartschaften für die bereits auf die abgelaufene Dienstzeit entfallenden Rentenanteile (Dr. Heissmann a. a. O. S. 4). Dieser Wert entspricht nach Auffassung der genannten Versicherungsmathematiker dem vom Bundesfinanzhof in seinem Urteil I 113/52 U vom 10. Februar 1953 (Slg. Bd. 57 S. 254, BStBl 1953 III S. 102) bezeichneten Wert, den der Erwerber eines Unternehmens als durch die in der Vergangenheit liegende Dienstleistung des Beschäftigten bedingt berücksichtigen würde.

Im Zeitpunkt der Pensionierung sind die drei Werte gleich groß, in den vorangegangenen Zeitpunkten ist der Wert nach § 6 a EStG der geringste Wert, der Barwert der Anwartschaften der höchste, der Barwert der Anwartschaften für die auf die abgelaufene Dienstzeit entfallenden Rentenanteile liegt zwischen beiden Werten. Es fragt sich, welcher von diesen drei Werten der Bildung der Rückstellung für Pensionsanwartschaften zugrunde zu legen ist. § 6 a EStG kommt für die Bewertung nach dem BewG nicht in Betracht. Er gilt nur für die Ertragsbesteuerung. Auch der volle, ungekürzte Barwert der Pensionsanwartschaften ist nicht vertretbar, da er die künftig anfallenden Leistungen der Belegschaft nicht als rückstellungsmindernden Faktor berücksichtigt. Somit würde der volle Barwert ein höheres Gewicht der Pensionsanwartschaftslast berücksichtigen, als ihr zu einem bestimmten vor Eintritt des Pensionsfalles liegenden Zeitpunkt tatsächlich und wirtschaftlich zukommt.

Es bleibt danach nur der Ansatz des Barwerts der Anwartschaften für die auf die abgelaufene Dienstzeit entfallenden Rentenanteile übrig. Der Umstand, daß der Senat in dem Grundsatzurteil die Pensionszusage rechtlich nicht als Arbeitsentgelt, sondern als Fürsorgeakt des Arbeitgebers angesehen hat, steht dem Ansatz dieses Barwerts nicht entgegen. Sonach ist also dieser Barwert Ausgangspunkt für die Ermittlung der Rückstellung für Pensionsanwartschaften. Dieser Ausgangswert bedarf grundsätzlich noch der Korrektur im Hinblick auf die Fluktuation. Die künftige Fluktuation ist ein Entlastungsmoment, dessen Nichtberücksichtigung den Ausweis einer höheren Belastung zur Folge hätte, als der tatsächlichen Belastung entspricht (Hinweis auf Heissmann, Sonderdruck aus: "Die Wirtschaftsprüfung" 1957 Nr. 22 S. 4). Die Höhe der Fluktuation richtet sich nach den Verhältnissen des einzelnen Betriebs. Sie ist stark konjunkturabhängig und schwankend. Auch läßt sie sich im Gegensatz zur Sterbens- und Invaliditätswahrscheinlichkeit nicht allgemein und zuverlässig statistisch erfassen. Bei der Abrechnung zwischen Alt- und Neugesellschaft ist die Fluktuation nach Angaben der Bfin. mit einem generellen Abschlag von 5 v. H. von dem nach der versicherungsmathematischen Methode errechneten Wert der Rückstellung für angemessen gehalten worden (Schriftsatz Dr. Heubeck vom 4. Dezember 1957). Allerdings ist von der Bfin. (Schriftsätze Dr. Heubeck vom 4. Dezember 1957 und vom 10. Dezember 1957, letzterer in der gleichliegenden Sache III 89/56 ergangen) die Auffassung vertreten worden, daß bei exakter versicherungsmathematischer Berücksichtigung der Fluktuation der Barwert der Anwartschaften für die auf die abgelaufene Dienstzeit entfallenden Rentenanteile (nicht der volle Barwert) höher wird, als er sein würde, wenn die Fluktuation außer Betracht bliebe. Berücksichtigt man, daß sich die eigenschaffende Industrie in einer einheitlichen Pensionsordnung verpflichtet hat, jeweils der in einem Werk verbrachten Zeit diejenige Zeit gleichzustellen, die der Werksangehörige in Werken der Eisen- und Stahlindustrie mit entsprechender Pensionsordnung verbracht hat (Hinweis auf § 5 Ziff. 3 a der bei der Bfin. bestehenden Pensionsordnung), so kann in einem solchen Fall eventuell die Fluktuation überhaupt unbeachtet bleiben. Die Rb. richtet sich des weiteren insbesondere gegen die in dem Grundsatzurteil vorgenommenen Abschläge vom Ausgangswert. Anerkannt wird lediglich ein durchschnittlicher Abschlag von 25 v. H. infolge der Verwendung des Rechnungszinsfußes von 3,5 v. H. statt 5,5 v. H. Dagegen wird die Berechtigung zur Vornahme weiterer Abschläge bestritten. Die Bfin. ist der Auffassung, daß weder wegen der einer Pensionszusage beigefügten Vorbehalte noch wegen eigenkapitalähnlichen Charakters der Rückstellungsbeträge noch wegen Verbesserung des Betriebsklimas Abschläge vom Ausgangswert angebracht seien. Selbst wenn diese oder sonstige Umstände berücksichtigt werden könnten, würden sie nach Auffassung der Bfin. durch die Niveauerhöhung der Arbeitsentgelte, das Aufrücken der Angestellten in höhere Gehaltsstufen im Laufe des Beschäftigungsverhältnisses und die Verlängerung der Lebenserwartung mehr als ausgeglichen. Der Senat kann diesen Ausführungen nicht beitreten. Insbesondere lehnt er die Auffassung von der Bedeutungslosigkeit der Vorbehalte bei den Pensionszusagen der Arbeitgeber ab. Darauf, ob der Bundesminister der Finanzen für die ertragsteuerliche Behandlung die Aufstellung von Vorbehalten für unschädlich erklärt hat (vgl. Abschn. 41 Abs. 2 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR - 1955), kommt es hier nicht an.

Ebensowenig ist entscheidend, ob sich ein Unternehmen nur im Notfall entschließen wird, von einem Vorbehalt Gebrauch zu machen. Schließlich kann auch aus der Rechtsprechung zum Arbeitsrecht der Standpunkt der Bfin. nicht begründet werden. Insoweit ist insbesondere auf die Urteile des Bundesarbeitsgerichts vom 13. Juli 1956 (Der Betriebs-Berater 1956 S. 926 = Neue Juristische Wochenschrift 1956 S. 1693) und vom 14. Februar 1956 (Der Betriebs-Berater 1957 S. 259) hinzuweisen. Danach ist bei einer frei widerruflichen Pensionszusage der Widerruf nur dann nicht zulässig, wenn er sich als offenbarer Rechtsmißbrauch darstellt. Hat sich der Arbeitgeber den Widerruf nach freiem Ermessen vorbehalten, so braucht er nur seine, nicht die Interessen des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Nur muß er sich auch in diesem Falle in den Grenzen der guten Sitten halten und darf sich nicht über das Verbot des Rechtsmißbrauchs und der Willkür hinwegsetzen. Unter Beachtung dieser Grenzen ist er jedoch nicht gehindert, von seinem Vorbehalt Gebrauch zu machen und die Pensionszusage frei zu widerrufen. Allerdings läßt sich die Entlastung durch Vorbehalte nicht generell mit einem bestimmten Satz erfassen. Das Gewicht der Vorbehalte kann von Fall zu Fall verschieden sein. Es kann Fälle geben, wo Art und Inhalt des einer Pensionszusage beigefügten Vorbehalts die Entstehung einer abzugsfähigen Pensionsanwartschaft überhaupt ausschließen. Allerdings wird dies bei einem Vorbehalt, wie er im Streitfall vorliegt, nicht der Fall sein. Man wird die Entstehung einer abzugsfähigen Pensionslast wohl nur in den Fällen verneinen können, in denen die Pensionsgewährung in das freie Belieben des Arbeitgebers gestellt ist. In der großen Mehrzahl der Fälle werden die Vorbehalte, insbesondere die allgemeinen Vorbehalte wegen Pensionskürzung bei Erhöhung der gesetzlichen Sozialversicherungsrenten und bei schlechter Wirtschaftslage des Unternehmens (Hinweis auf § 16 der Pensionsordnung der Bfin.) nur als entlastendes Moment bei Bemessung der Rückstellung für Pensionsanwartschaften gewertet werden können. Auch an dem eigenkapitalähnlichen Charakter der Rückstellung für Pensionsanwartschaften hält der Senat fest. Es ist nicht zutreffend, daß die Rückstellungsbeträge eine langfristige Verbindlichkeit des Unternehmers an die Werksangehörigen darstellen. Sie sind eigengebildetes Kapital (mitunter auch als Sozialkapital oder Liquiditätsreserve bezeichnet), nicht Fremdkapital. Sie werden im allgemeinen auch nicht zu Zahlung der späteren Pensionen benötigt, weil die für die Pensionäre erforderlichen Bezüge aus den jährlichen Erträgen des Unternehmens entnommen werden. Sollten wirklich die Jahresgewinne auf längere Zeit die Zahlung der Bezüge der Pensionen nicht mehr ermöglichen, bietet sich die Möglichkeit der Herabsetzung dieser Bezüge, sei es auf Grund von Vorbehalten, sei es auf Grund des den Arbeitsvertrag beherrschenden Grundsatzes von Treu und Glauben. Wegen dieser besonderen Verhältnisse der Rückstellungsbeträge erklären sich auch die Empfehlungen von Finanz- und Treuhandgesellschaften an Unternehmerkreise zur Eigenfinanzierung durch Bildung von Pensionsrückstellungen. Zweifelhaft kann sein, ob die Verbesserung des Betriebsklimas auf die Rückstellung für Pensionsanwartschaften lastenmindernd einwirkt. Unzutreffend ist allerdings nach Auffassung des Senats, wenn Heissmann (Sonderdruck S. 8) ausführt, daß es sich insoweit um die Bewertung von Hoffnungen handle. Es handelt sich nicht um zu bewertende Chancen oder Hoffnungen, sondern um einen Umstand, der geeignet ist, die Höhe der Pensionsanwartschaftenlast zu mindern, und den auch ein etwaiger Erwerber des Unternehmens bei sorgfältiger Prüfung nicht unbeachtet lassen würde. Wenn die Bfin. behauptet, daß die betriebliche Altersversorgung heute von der Arbeitnehmerschaft ganz allgemein als selbstverständliche Einrichtung angesehen werde, und daß auf ganz andere Dinge, z. B. Aufstiegsmöglichkeiten, Wert gelegt werde, so erachtet der Senat diese Ausführungen insbesondere für den hier maßgebenden Stichtag vom 1. Januar 1954 als zu weitgehend. Im übrigen ist der Senat der Auffassung, daß es wegen der Unterschiedlichkeit der wirtschaftlichen und rechtlichen Verhältnisse der Betriebe überhaupt nicht angängig ist, prozentual bestimmte Abschläge für die einzelnen auf die Pensionsanwartschaftslast mindernd einwirkenden Umstände festzustellen, ausgenommen den durchschnittlichen Abschlag von 25 v. H. wegen Anwendung des Rechnungszinsfußes von 3,5 v. H. statt 5,5 v. H. Es ist zur Korrektur des Ausgangswerts für die Ermittlung der Rückstellung von Pensionsanwartschaften lediglich ein Globalzuschlag angemessen. Der Senat hält daran fest, daß dieser Globalabschlag 75 v. H. einschließlich des Abschlags wegen des Rechnungszinssatzes beträgt.

Die in dem Grundsatzurteil anerkannte wirtschaftliche Last aus den Pensionsanwartschaften unterscheidet sich nach Art und Inhalt wesentlich von einer Einzelschuldverpflichtung. Bei Ermittlung der Pensionsanwartschaftslast sind vorausschauend lange Zeiträume zu berücksichtigen, vom Eintritt eines jungen Arbeiters in das Unternehmen an bis zum Eintritt des Pensionsfalles mit 65 Lebensjahren etwa 45 Jahre. Es lassen sich alle künftigen Umstände, die für die Entstehung der Last bedeutsam sind, auch nicht annähernd übersehen. Dies gilt z. B. von Abschwächungen der Konjunktur, Ausfuhrrückgang, Wandlungen in der Wirtschaft, z. B. durch Automation, und als Folge dieser Umstände Entlassung von Arbeitnehmern. Danach bleibt die - wenn auch mit versicherungsmathematischer Exaktheit - errechnete Last doch immer mit einem starken Unsicherheitsfaktor behaftet. Es ist von einem bestimmten Stichtag aus gesehen nicht nur ungewiß, ob ein individuell bestimmter Arbeiter oder Angestellter in den Genuß der Pension kommt - dies wäre nicht maßgebend -, sondern es kann nicht einmal mit Sicherheit gesagt werden, daß die laufenden Anwartschaften generell später in effektive Pensionen übergehen werden. Solche möglicherweise in der Zukunft eintretenden Vorkommnisse kann auch die versicherungsmathematische Betrachtung bei Berücksichtigung der Wahrscheinlichkeiten der Erreichung eines gewissen Lebensalters, der Invalidität, des Eintritts der Witwen- und Waisenversorgung nicht erfassen. Aus demselben Grunde ist es nicht angängig, die Niveauerhöhung der Löhne und Gehälter in den zurückliegenden Jahren als für die weiteren künftigen Zeiträume in dem von der Bfin. ausgeführten Ausmaß zu übernehmen. Es wäre hiernach wegen des besonders gearteten Charakters dieser Pensionsanwartschaftslast abwegig, den versicherungsmathematisch errechneten Wert unverkürzt als Rückstellung zuzulassen.

Beachtlich ist in diesem Zusammenhang auch der Umstand, daß nach Handelsrecht nicht einmal der Ausweis einer Rückstellung für Pensionsanwartschaften in der Handelsbilanz erforderlich ist (Teichmann-Köhler, Aktiengesetz S. 301, und Brodmann, Aktienrecht § 261 HGB Anm. 7 g, anderer Meinung allerdings das Gutachten des Fachausschusses der Wirtschaftsprüfer in Wirtschaftsprüfung 1933 S. 273). Wollte man die Rückstellung für Pensionsanwartschaften mit ihrem versicherungsmathematisch errechneten Wert unverkürzt zum Abzug zulassen, so würde die Pensionsrückstellung nicht selten und gerade bei besonders namhaften Unternehmungen höher sein als das Grundkapital. Danach ist, wenn man überhaupt das Vorliegen einer wirtschaftlichen Last aus den Pensionsanwartschaften bejaht und deshalb grundsätzlich einen Abzug bei der Einheitsbewertung zuläßt, ein solcher nur nach Vornahme eines beträchtlichen Abschlags von dem versicherungsmathematisch errechneten Wert möglich. Die Vornahme eines solchen Abschlags bedeutet keinen Rückschritt gegenüber der grundsätzlichen Anerkennung der Pensionsanwartschaftslast (Heubeck, Pensionsanwartschaften in der Einheitsbewertung, Der Betrieb 1957 S. 928), sondern die notwendige Zurückführung des versicherungsmathematisch errechneten Werts der Pensionsanwartschaftslast auf ein den Verhältnissen gerecht werdendes Ausmaß. Es verbleibt daher grundsätzlich bei dem globalen Abschlag von 75 v. H. einschließlich des wegen des Rechnungszinsfußes von 3,5 v. H. statt 5,5 v. H. vorzunehmenden Abschlags. Ausgangswert für die Berechnung der Rückstellung ist der versicherungsmathematisch errechnete Wert im Sinne des oben erläuterten Barwerts der Anwartschaften für die auf die abgelaufene Dienstzeit entfallenden Rentenanteile. Dieser Ausgangswert ist wegen des Einflusses der Fluktuation zu korrigieren, es sei denn, daß bei Vorliegen einer gemeinsamen Pensionsordnung wie in der eisenschaffenden Industrie überhaupt von der Berücksichtigung der Fluktuation abgesehen wird. Von dem gegebenenfalls berichtigten Ausgangswert ist der globale Abschlag von 75 v. H. vorzunehmen. Der von der Bfin. vorgeschlagenen Methode, zunächst 25 v. H. vom Ausgangswert wegen änderung des Rechnungszinssatzes abzusetzen und die weiteren 50 v. H. von dem Restwert abzuziehen, glaubt der Senat nicht folgen zu können, da in diesem Fall die Maximalhöhe der für gerechtfertigt gehaltenen Rückstellung für die Pensionsanwartschaften von 25 v. H. überschritten würde.

Die weiterhin von der Bfin. noch vertretene Ansicht, daß die vom Altkonzern übernommenen Pensionsanwartschaften oder laufenden Pensionen allein wegen der übernahme als echte Verbindlichkeiten der Bfin. gelten müßten, ist bereits vom Finanzgericht mit zutreffenden Gründen zurückgewiesen worden. Die Zuweisung von Passivposten der Altgesellschaft an die Bfin. schafft nicht schon echte Schulden der letzteren, sondern nur, wenn und insoweit bereits bei der Altgesellschaft echte Verbindlichkeiten vorgelegen haben. Die übernommenen Pensionsanwartschaften können daher nur nach allgemeinen Grundsätzen für Pensionsanwartschaften, und die übernommenen laufenden Pensionen nur nach § 16 BewG bewertet werden.

Die Sache ist nicht spruchreif. Sie wird an das Finanzamt zur weiteren Prüfung im Sinne vorstehender Ausführungen zurückverwiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408988

BStBl III 1958, 146

BFHE 1958, 376

BFHE 66, 376

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