Leitsatz (amtlich)

Zur Frage des Erwerbs der Verwertungsbefugnis, wenn ein Architekt, der den Kaufpreis für das ganze Grundstück zu zahlen hat, berechtigt ist, das Grundstück zu parzellieren und an von ihm zu bestimmende Bauinteressenten zu veräußern, die in der Verwendung des Grundstücks zu seinen Gunsten gebunden sind.

 

Normenkette

GrEStSWG ND 1966 § 1 Nr. 5

 

Tatbestand

Der Kläger, ein Architekt, bemühte sich im Einverständnis mit der Eigentümerin eines Grundstücks, durch Inserate Interessenten für die einzelnen zu bildenden Bauparzellen zu finden. Er erläuterte ihnen die genauen Erwerbsbedingungen - vor allem, daß für den Entwurf und die Bauleitung der zu errichtenden Häuser nur der Kläger zugezogen werden dürfe - und trug in einem von ihm gefertigten Teilungsplan die Namen der jeweiligen Interessenten für die geplanten Baugrundstücke ein. Schriftliche Aufträge oder schriftliche Vollmachten zum Erwerb der Grundstücke erteilten die Interessenten dem Kläger nicht; sie leisteten teilweise schon Zahlungen auf ein Sonderkonto des Klägers.

Ende August 1960 kaufte der Kläger in einem notariell beurkundeten Vertrag (Vertrag I) "für Personen, die ihn beauftragt haben und die in einer dem Notar zu übergebenden Aufstellung im einzelnen benannt sind", das Grundstück zum Kaufpreis von ... DM (§ 1). Besitz, Nutzungen und Lasten sollten im November 1960 auf "die Käufer" übergehen (§ 3). Den Kaufpreis sollte der Kläger nach Eingang der behördlichen Genehmigungen entrichten (§ 4). Die Eigentümerin erteilte dem Kläger Vollmacht, "die Kaufverträge in ihrem Namen mit den Käufern abzuschließen, insbesondere die Auflassung an die einzelnen ihn beauftragenden Käufer vorzunehmen und den Kaufpreis in Empfang zu nehmen" (§ 5). Die Kosten für die Durchführung des Vertrages sollten der Kläger "bzw. die Käufer" tragen. Der Kläger verpflichtete sich, an den Auktionator eine Vermittlungsgebühr von 6 % zu zahlen. Es blieb ihm überlassen, die Kosten des Vertrages und seiner Durchführung anteilig auf die einzelnen Käufer umzulegen (§ 6).

Nach der Parzellierung des Grundstücks in X-Baustellen, einen Kinderspielplatz und drei Wegeparzellen schloß der Kläger vor demselben Notar "handelnd in Vollmacht" für die Eigentümerin in deren Namen einzelne Kaufverträge mit den Interessenten über die gebildeten Parzellen und mit der Stadt über die Spielplatz- und Straßenparzellen und erklärte die Auflassung (Verträge II). Zum Kaufpreis von ...DM/qm hatten die Käufer anteilig Vermittlergebühr, Vermessungskosten und Kosten des Vertrages I zu tragen. Von den Einzelverträgen wurden die meisten bis Oktober 1960 und einige in der Zeit vom November 1960 bis Februar 1961 geschlossen. In mehreren anderen Fällen waren an die Stelle der ursprünglichen Interessenten andere Käufer getreten.

Auf das Sonderkonto des Klägers hatten bis Ende August 1960 die meisten Interessenten ... DM und bis Oktober 1960 einige Interessenten ... DM eingezahlt. Die Sparkasse hatte sich Ende August 1960 verpflichtet, den Gesamtbetrag von ... DM fristgemäß an die Eigentümerin zu überweisen, was im Oktober 1960 auch geschah. Das Konto wies darauf einen Debetsaldo von ... DM auf.

Das FA setzte für den Erwerb im Vertrag I nach dem Kaufpreis und der halben Vermittlergebühr die Grunderwerbsteuer fest, da ein Zwischengeschäft des Klägers auf eigene Rechnung vorliege.

Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Das FG führte aus: Der Vertrag I stelle ein Rechtsgeschäft dar, das den Anspruch auf Übereignung des Grundstücks begründe (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Er sei kein Vorvertrag, da die unbedingte Zahlungsverpflichtung bereits festgelegt gewesen sei. Der Kläger habe den Vertrag nicht als Vertreter für Dritte geschlossen. Die Verkäuferin habe ihn als ihren Vertragspartner angesehen. Dem Kläger habe als Ausgleich für die übernommenen Verpflichtungen ein Auflassungsanspruch zugestanden, über den er frei habe verfügen können und über den er auch durch Teilung und Abtretung verfügt habe. Da eindeutig Gegenstand des Vertrages I nicht die einzelnen Baustellen gewesen seien, sondern das ganze ungeteilte Grundstück, komme es nicht darauf an, ob nach dem im Vertrag I zum Ausdruck gekommenen Willen der Vertragsparteien als Erwerber der einzelnen Baustellen die Interessenten gelten sollten. Die beantragte Anhörung der Auskunftspersonen erübrige sich deshalb. Selbst wenn der Vertrag I den Verkauf der einzelnen Teilflächen zum Gegenstand hätte, wäre ein unmittelbarer Erwerb der Dritten mehr als zweifelhaft. Denn bei Abschluß des Vertrages hätten diese Dritten keinesfalls objektiv - zweifelsfrei nachweisbar - festgestanden.

Mit der Rechtsbeschwerde rügt der Kläger wesentliche Verfahrensmängel, unzureichende Sachaufklärung, Verstoß gegen den klaren Akteninhalt und gegen die Denkgesetze sowie falsche Auslegung des § 1 GrEStG. Das FG hätte die Frage, ob die Verkäuferin das Vertretungsverhältnis gekannt habe bzw. ob sie den Vertreter oder die Vertretenen als Vertragsgegner angesehen habe, nicht durch Auslegung des Vertrages, sondern durch die beantragte Vernehmung der Auskunftspersonen klären müssen. Auf die gleiche Weise hätte festgestellt werden müssen, ob vor der Verhandlung Ende August 1960 alle Käufer festgestanden hätten und dem Notar der Plan mit den Eintragungen der Interessenten (= Käufer) bekanntgewesen sei, ferner, daß der Kläger von den Interessenten auch beauftragt gewesen sei, das ganze Grundstück in deren aller Namen zu kaufen. Das FG hätte auch aufklären müssen, was sich der Notar gedacht habe, als der Kläger als Beauftragter der Verkäuferin ein zweites Mal verkauft habe. Der Vertrag I habe nicht für den Kläger, sondern für die genau bestimmbaren Kaufinteressenten einen Übereignungsanspruch begründet. Der Kläger habe auch keine Verwertungsbefugnis im Sinne des § 1 Abs. 2 GrEStG erhalten, da nach dem Vertrag I alle Rechte und Nutzungen mit der Übergabe auf die einzelnen Käufer übergehen sollten.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist unbegründet.

Das FG kommt aufgrund des von ihm festgestellten Sachverhalts in Anlehnung an die Entscheidung des Senats II 163/60 vom 25. Oktober 1961 (HFR 1963, 294, StRK, Grunderwerbsteuergesetz, § 1, Rechtsspruch 96) zu dem Ergebnis, daß die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG vorliegen, weil der Kläger den Vertrag I nicht als (unmittelbarer) Vertreter, sondern im eigenen Namen und somit selbst als (Zwischen-)Erwerber geschlossen habe, und damit als Vertragspartei selbst einen Auflassungsanspruch erworben habe. Diese Entscheidung ist richtig, sofern der Kläger den Auflassungsanspruch erlangt hat. Dagegen hat der Kläger Verfahrensrügen erhoben. Darüber braucht jedoch nicht entschieden zu werden. Es kann dahingestellt bleiben, ob § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG anwendbar ist und damit auch, ob die erhobenen Verfahrensrügen, die sämtliche das Vertretungsverhältnis betreffen, begründet sind. Denn die Grunderwerbsteuerpflicht des Klägers folgt andernfalls aus § 1 Abs. 2 GrEStG. Nach dem vom FG festgestellten und insoweit vom Kläger nicht angegriffenen Sachverhalt hat der Kläger die rechtliche und wirtschaftliche Möglichkeit erhalten, das Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten. Auch wenn man zugrunde legt, daß der Vertrag I mit unmittelbarer Wirkung für und gegen die einzelnen Kaufinteressenten abgeschlossen worden wäre (§ 164 Abs. 1 BGB), so hätten diese nach § 5 der Urkunde nur einen Anspruch auf Abschluß und Erfüllung von Einzelverträgen erhalten. Der Kläger hingegen hat durch den Vertrag I zusammen mit seinem früheren Auftrag auf die Gestaltung der Einzelverträge einen solchen Einfluß erlangt, daß seine Stellung wirtschaftlich der der Eigentümerin ähnlich war (vgl. zu jeweils anderen Sachverhalten Beschlüsse des BFH II B 39/68 vom 3. Dezember 1968, BFH 94, 352, 354, BStBl II 1969, 170; II B 42/68 vom 12. Dezember 1968, BFH 94, 359; BFH-Urteil II 144/64 vom 28. April 1970, BFH 99, 320, BStBl II 1970, 674). Er besaß die notarielle Vollmacht der Eigentümerin, in ihrem Namen Kaufverträge abzuschließen, die Auflassung zu erklären und den Kaufpreis in Empfang zu nehmen. Die genaue Bestimmung der erst noch durch Parzellierung zu schaffenden Grundstücke der "Käufer" lag bei ihm. Ihm war es überlassen, die durch den Vertrag I entstandenen Kosten, für die er selbst einzustehen hatte, auf die einzelnen Käufer umzulegen. Er konnte, - wie es teilweise auch geschehen ist - anstelle der ursprünglichen mit neuen Interessenten Verträge abschließen. Die "Käufer" wären in der Verwendung des erworbenen Grundstücks zugunsten des Klägers gebunden gewesen.

Die Verkäufe gingen auch auf Rechnung des Klägers. Ob er einen Mehrerlös hätte erzielen und behalten dürfen, mag dahinstehen. Denn er verschaffte sich so die Möglichkeit, daß er die Architektenaufträge für die Bebauung der zu bildenden Parzellen erhielt. Der Kläger hatte dafür auch ein nicht unerhebliches Risiko auf sich genommen: Er selbst hat sich verpflichtet, den Kaufpreis von 200 000 DM und eine Maklerprovision von 6 % zu zahlen, sowie die Beurkundungs- und Durchführungskosten des Vertrages und etwaige Vermessungskosten zu tragen.

Dem Ergebnis, daß der Kläger zumindest die Verwertungsbefugnis erlangt hat, steht auch nicht entgegen, daß nach dem Vertrag I alle Rechte und Nutzungen mit der Übergabe auf die einzelnen Käufer übergehen sollten. Zwar setzt der Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG regelmäßig voraus, daß der Berechtigte nicht nur besitz- und nutzungsberechtigt, sondern auch an der Substanz des Grundstücks wertmäßig beteiligt ist (vgl. BFH-Urteil 60/60 U vom 27. Januar 1965, BFH 82, 51, BStBl III 1965, 265). Dies trifft die Fälle, in denen gerade die Besitz- und Nutzungsberechtigung selbst ein Merkmal des § 1 Abs. 2 GrEStG darstellt. Das schließt aber nicht aus, daß in anderen Fällen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 GrEStG auch ohne Überlassung von Besitz und Nutzung aus anderen Gründen vorliegen können. Dies gilt gerade in den Fällen, in denen ein Grundstück zur Veräußerung überlassen wird, wenn dann diese Veräußerung in der umfassendsten Form der wertmäßigen Substanzbeteiligung, nämlich auf Rechnung des Ermächtigten, durchgeführt wird (vgl. BFH-Urteil II 78/62 U vom 21. Juli 1965, BFH 83, 166 [170 ff.], BStBl III 1965, 561, 562, 563 a. E.).

 

Fundstellen

BStBl II 1972, 495

BFHE 1972, 165

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