Leitsatz (amtlich)

1. Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts werden nicht mißbraucht, wenn ein Makler den unmittelbaren Verkauf eines Grundstücks vom Eigentümer an den Erwerber herbeiführt, obwohl ihm formgerecht der Kauf des Grundstücks angetragen war.

2. In einem solchen Falle ist zu prüfen, ob nicht durch das Kaufangebot dem Makler ermöglicht worden ist, das Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten (BFH 96, 201).

 

Normenkette

GrEStG § 1 Abs. 1 Nrn. 6-7; GrEStSWG ND 1966 § 1 Nr. 5; StAnpG § 6 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Kläger ist Grundstücksmakler. Er hatte "Alleinauftrag", ein Grundstück zu verkaufen. Die Eigentümerin hatte ihm unter notarieller Beurkundung ein auf nicht ganz drei Monate befristetes Kaufangebot gemacht, ihn gleichzeitig aber auch unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB "ermächtigt", das Grundstück zu verkaufen und aufzulassen; bei Verkauf an Dritte sollte er befugt sein, sich bestimmte Beträge unmittelbar auszahlen zu lassen. Der Kläger hat das Grundstück namens der Eigentümerin unmittelbar an einen Dritten verkauft und aufgelassen.

Die Besteuerung des Kaufs ist außer Streit. Das FA (Beklagter) hatte den Kläger und den Dritten überdies wegen Umgehung einer Abtretung der Rechte aus dem Kaufangebot (§ 6 Abs. 1 und 2 StAnpG, § 1 Abs. 1 Nr. 6 bzw. Nr. 7 GrEStG) zur Grunderwerbsteuer herangezogen und deren Einsprüche zurückgewiesen. Das Verwaltungsgericht (VG) Berlin hat diesen Steuerbescheid aufgehoben (Urteil VII A 46/63 vom 11. Juni 1964, EFG 1965, 73). Der Beklagte hat gegen dieses Urteil insoweit, als es zugunsten des Klägers ergangen ist, Rechtsbeschwerde eingelegt.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Rechtsbeschwerde war zulässig. Sie war zwar durch das Landesfinanzamt (LFA) Berlin namens des Beklagten erhoben worden. Für deren Zulässigkeit ist aber die AO in der damals geltenden Fassung maßgebend geblieben (§ 184 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Die in dem Beschluß des erkennenden Senats II R 31/67 vom 14. Mai 1968 (BFH 92, 426, BStBl II 1968, 586) erhobenen und in dem Vorlagebeschluß II R 55/66 u. a. vom 16. Dezember 1969 aufrechterhaltenen Bedenken betreffen nur die Rechtslage unter der FGO (Urteil II 94, 95/63 vom 10. Juli 1968, BFH 93, 388, BStBl II 1968, 829). Die AO war hinsichtlich der Vorschriften des gerichtlichen Verfahrens noch nicht in gleichem Maße an das allgemeine Prozeßrecht angeglichen (vgl. § 107a Abs. 2 AO) wie heute die FGO (vgl. Rüggeberg, NJW 1970, 309).

Die Rechtsbeschwerde ist nunmehr als Revision zu behandeln (§ 184 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 FGO). Damit erledigt sich die später vom Beklagten selbst mit gleichem Inhalt eingelegte Revision; sie erfordert keine besondere Entscheidung.

Die Revision des Beklagten ist begründet.

Zu Recht hat allerdings das VG den Tatbestand einer Steuerumgehung (§ 6 Abs. 1 StAnpG) verneint. Denn ein Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts läge selbst dann nicht vor, wenn zur Erreichung des angestrebten wirtschaftlichen Ziels ein nach bürgerlichem Recht ungewöhnlicher Weg gewählt worden wäre; entscheidend müßte hinzukommen, daß durch diesen ungewöhnlichen Weg ein steuerlicher Erfolg erreicht werden sollte, der bei sinnvoller, Zweck und Ziel der Rechtsordnung berücksichtigender Auslegung vom Gesetz mißbilligt wird (Urteile II 175/61 vom 14. Oktober 1964, BFH 80, 539 [544], BStBl III 1964, 667; II 119/62 vom 20. Oktober 1965, BFH 83, 545, BStBl III 1965, 697; II 148/62 vom 8. Dezember 1965, BFH 84, 411, BStBl III 1966, 148; II 113/61 vom 2. März 1966, BFH 86, 396 [400 f.], BStBl III 1966, 509; II 149/63 vom 21. Dezember 1966, BFH 87, 458, BStBl III 1967, 189). Im vorliegenden Falle war der unmittelbare Verkauf von der Eigentümerin an den Dritten der bürgerlich-rechtlich normale Weg; er entsprach auch dem wirtschaftlich Gewollten. Daher liegt kein Grund vor, gemäß § 6 Abs. 2 StAnpG eine Abtretung der Rechte aus dem Kaufangebot (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 bzw. Nr. 7 GrEStG) zu unterstellen.

Unter diesen Umständen kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger überhaupt in der Lage gewesen wäre, Rechte aus dem Kaufangebot mit der Wirkung abzutreten, daß der Dritte dieses Kaufangebot hätte annehmen können. Denn der Kläger wurde zwar in derselben beurkundeten Erklärung auch ermächtigt, das Grundstück für die Eigentümerin an Dritte zu verkaufen, wobei auf sich beruhen kann, ob darin eine undeutlich formulierte Vollmacht (§§ 167, 164 Abs. 1 BGB) oder eine Einwilligung (§ 183 BGB) zur Verfügung im eigenen Namen (§ 185 Abs. 1 BGB) zu sehen ist. Der von der Eigentümerin zu notariellem Protokoll gegebene Verkaufsantrag (§ 145 BGB) selbst richtete sich aber nur an den Kläger und wäre daher von ihm anzunehmen gewesen. Hätte indessen der Kläger den Antrag angenommen, so wäre der Kauf zustande gekommen und es hätte nicht mehr um die Abtretung der Rechte aus dem Kaufangebot (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG), sondern nur um die Abtretung eines Übereignungsanspruchs (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG) gehen können. Auch unter diesem möglichen Gesichtspunkt ist indessen eine Steuerumgehung (§ 6 Abs. 1 StAnpG) zu verneinen (vgl. für diesen Fall auch § 6 Abs. 2 und 3 StAnpG).

Offen bleibt jedoch, ob nicht durch das Kaufangebot dem Kläger im Sinne des § 1 Abs. 2 GrEStG ermöglicht worden ist, das Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten (vgl. Urteil II 131/64 vom 6. Mai 1969, BFH 96, 201 [204 f.], BStBl II 1969, 595). Dieser Vorgang würde sich allerdings zwischen der Eigentümerin und dem Kläger abgespielt haben, während eine Abtretung der Rechte aus dem Kaufangebot vom Kläger an den Dritten (Erwerber) gegangen wäre. Trotzdem würde es sich in der Person des Klägers, um den es jetzt allein noch geht, um denselben Lebensvorgang handeln (vgl. BFH, a. a. O.), so daß nicht etwa (unzulässigerweise) der dem Steuerbescheid zugrunde liegende Lebenssachverhalt ausgewechselt würde, sondern nur der dem Bescheid zugrunde liegende Sachverhalt anders gewürdigt würde. Denn jedenfalls hat das FA mit der Steuerfestsetzung die Tatsache erfaßt, daß dem Kläger durch das Verhalten der Eigentümerin ermöglicht wurde, dem späteren Erwerber das Grundstück zu verschaffen.

Der vorliegende Fall ist mit dem des Beschlusses II B 42/68 vom 12. Dezember 1968 (BFH 94, 359) nicht zu vergleichen. Denn dort hatte der Makler durch einen nicht nur angetragenen (§ 145 BGB), sondern abgeschlossenen Kaufvertrag einen allerdings noch durch Genehmigungserfordernisse bedingten (vgl. § 3 Abs. 5 Nr. 5 Buchst. b StAnpG) Anspruch auf Übereignung erlangt (§ 433 Abs. 1 Satz 1 BGB; vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Dem Sachverhalt des Beschlusses II B 39/68 vom 3. Dezember 1968 (BFH 94, 352, BStBl II 1969, 170) gegenüber ist hier mindestens die Zeitdauer der Bindung der Eigentümerin geringer. Doch liegen beide Punkte zunächst am Rande. Denn der hier festgestellte Sachverhalt läßt nicht ersehen, ob überhaupt davon gesprochen werden kann, daß die Geschäfte auf Rechnung des Klägers gehen sollten und gegangen sind; er ist andererseits auch nicht geeignet, diese Möglichkeit auszuschließen.

Demnach war das angefochtene Urteil insoweit, als es den Kläger betrifft, aufzuheben und die Sache unter Übertragung der Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens (§ 143 Abs. 2 FGO) zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Entsprechend war durch Vorbescheid zu erkennen (§§ 121, 90 Abs. 3 Satz 1 FGO).

 

Fundstellen

BStBl II 1970, 674

BFHE 1970, 320

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Basic. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge