Leitsatz (amtlich)

Geht das FG in einem Verfahren wegen Lohnsteuerermäßigung von einer unzulässigen Klageänderung beim Übergang des Klägers von der Verpflichtungs- zur Feststellungsklage aus, so sind weder zwei Streitwerte festzustellen, noch ist der einheitliche Streitwert in Höhe der zusammengerechneten Ansprüche zu bestimmen. Streitwert ist regelmäßig der vom Kläger beantragte Lohnsteuer-Ermäßigungsbetrag. Bei seiner Ermittlung ist die Höchstbetragsregelung für beschränkt abzugsfähige Sonderausgaben zu berücksichtigen.

 

Normenkette

FGO § 140 Abs. 3; LStDV § 20a Abs. 3

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hatte im Lohnsteuer-Ermäßigungsverfahren 1971 die Eintragung eines weiteren Freibetrags für Sonderausgaben wegen Bausparkassenbeiträgen von 2 200 DM verlangt. Der Aufforderung des Beklagten und Beschwerdegegners (FA), die Lohnsteuerkarte vorzulegen, kam der Kläger nicht nach, sondern erhob am 21. Mai 1971 Klage. Er beantragte, "die mit Antrag vom 27. März 1971 geltend gemachten Sonderausgaben in Form von Bausparbeiträgen als Freibetrag anzuerkennen". Das FG sah darin eine Verpflichtungsklage. Mit Schriftsatz vom 11. Juli 1971 änderte der Kläger seinen Antrag, der nunmehr wie folgt lautete: "Es wird festgestellt, daß das FA dem Kläger den beantragten Freibetrag zu gewähren hat." Mit Schriftsatz vom 8: März 1972 erklärte der Kläger die Hauptsache für erledigt, soweit sie die steuerrechtliche Berücksichtigung von Bausparkassenbeiträgen betreffe; denn er habe sich zur Inanspruchnahme der Wohnungsbau-Prämie entschlossen. Das FA widersprach der Umstellung des Antrags und gab keine Erledigungserklärung ab. Das FG verneinte das Vorliegen der Voraussetzungen des § 67 Abs. 1 FGO und sah die Klageänderung als unzulässig an. Es wies sowohl die Verpflichtungs- als auch die Feststellungsklage ab und legte dem Kläger die Kosten des Verfahrens auf. Den Streitwert der Verpflichtungsklage und den Streitwert der Feststellungsklage setzte es auf j e 739 DM fest. Dagegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 146, 129 FGO). Der Kläger ist der Ansicht, daß das FG bei der Streitwertberechnung die Höchstbetragsregelung bei den beschränkt abzugsfähigen Sonderausgaben hätte berücksichtigen müssen. Im übrigen sei das rechtliche Interesse an einer Feststellungsklage nicht so hoch wie das bei einer Verpflichtungsklage. Es sei auch nur der Streitwert für die Feststellungsklage anzusetzen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist begründet.

Der Kläger hat seinen Antrag zwar nicht beziffert, die Beschwerde läßt aber das Beschwerdebegehren erkennen und das ist als ausreichend anzusehen.

Der Streitwert ist unter Berücksichtigung der Sachanträge der Beteiligten vom Gericht nach freiem Ermessen zu bestimmen (§ 140 Abs. 3 FGO), wobei die Festsetzung des Streitwerts eine selbständige gerichtliche Entscheidung (Beschluß) ist, auch wenn sie gleichzeitig mit der Entscheidung zur Hauptsache ergeht und äußerlich als Teil des Urteils erscheint (Beschluß des BFH vom 25. Januar 1967 I B 11/66, BFHE 88, 19, BStBl III 1967, 253).

Die Festsetzung von getrennten Streitwerten für die Feststellungs- und die Verpflichtungsklage mit je 739 DM war unzulässig; denn es handelte sich um eine einheitliche Klage. Eine getrennte Streitwertfestsetzung wäre nur in Betracht gekommen, wenn der Kläger zwei selbständige Klagen erhoben und das Gericht diese nicht verbunden hätte (BFH-Urteil vom 6. Februar 1957 II 186/55 S, BFHE 64, 312, BStBl III 1957, 118). Für eine Instanz sind zwar mehrere Streitwerte festzusetzen, wenn der Rechtsbehelf während des Verfahrens eingeschränkt wird und sich das auf die Höhe der Gebühren auswirkt (BFH-Urteil vom 15. November 1967 IV 311/62, BFHE 92, 305, BStBl II 1968, 534). Ein derartiger Fall liegt hier aber nicht vor, denn das FG ist von einer unzulässigen Klageänderung ausgegangen. Diese schließt begrifflich eine Beschränkung des Klageantrags aus. Anders als die Klageänderung berührt die nachträgliche Erweiterung oder Beschränkung des Klagebegehrens die Identität des Streitgegenstands nicht.

Der Streitwert beträgt auch nicht 1 478 DM; denn die Zusammenrechnung setzt nach § 5 ZPO voraus, daß der Kläger mehrere Ansprüche mit seiner Klage geltend gemacht hat. Dabei muß es sich um selbständige Ansprüche handeln, so daß eine aus mehreren Teilen bestehende Gesamtleistung beansprucht wird. Die Zusammenrechnung wird auch dann abgelehnt, wenn trotz prozessualer Selbständigkeit mehrerer Begehren in Wirklichkeit nur eine Leistung verlangt wird oder wenn es sich um Wahl- oder Hilfsanträge handelt (Stein-Jonas, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 19. Aufl., § 5 Anm. I 1, 2 und 3; BFH-Beschluß vom 8. März 1973 IV B 18/69, BFHE 109, 14, BStBl II 1973, 505). Davon ist auch bei der Klageänderung auszugehen, denn der Kläger hat jeweils nur den einen oder den anderen Anspruch geltend machen wollen (so auch Beschluß des Kammergerichts, 1. Zivilsenat vom 20. Mai 1968 1 W 590/68, Der Deutsche Rechtspfleger 1968 S. 289).

Für die Verpflichtungsklage im Lohnsteuer-Jahresausgleichsverfahren hat der Senat entschieden, daß Streitwert regelmäßig der beantragte Lohnsteuer-Erstattungsbetrag sei (Beschluß vom 15. Juni 1973 VI B 6/73, BFHE 109, 424, BStBl II 1973, 685). Entsprechendes gilt für das Lohnsteuer-Ermäßigungsverfahren. Hier bemißt sich der Streitwert nach der vom Kläger beantragten Lohnsteuerermäßigung, und zwar unabhängig davon, ob er seinen behaupteten Anspruch im Wege der Anfechtungs-, der Verpflichtungs- oder der Feststellungsklage verfolgt und ob sein prozessuales Begehren zulässig ist.

Da sich das Begehren des Klägers nicht nur auf ein Tätigwerden des FA bezog (BFH-Beschluß vom 25. Juli 1974 IV B 5/74, BFHE 113, 155, BStBl II 1974, 746), sondern auf die Eintragung eines bestimmten Freibetrags gerichtet war, konnte der volle Streitwert auch nicht ermäßigt werden.

Dem Kläger ist darin zu folgen, daß nach § 20 a Abs. 3 LStDV im Ermäßigungsverfahren die Höchstbetragsregelung für die beschränkt abzugsfähigen Sonderausgaben gilt. Da das FG das bei seiner Streitwertberechnung nicht berücksichtigt hat, war diese neu durchzuführen.

 

Fundstellen

BStBl II 1975, 515

BFHE 1975, 199

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