Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Streitwert einer Untätigkeitsklage ist jedenfalls dann die volle Höhe des streitigen Steuerbetrags, wenn der Antrag des Klägers nur auf eine Sachentscheidung gerichtet ist.

Unter die Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, für die nach § 128 Abs. 3 FGO die Beschwerdegrenze von 50 DM gilt, fällt der Streit über die Höhe des Streitwerts nur dann, wenn der Streitwert im Rahmen des Kostenansatzes nach § 147 FGO ermittelt worden ist und gegen die Höhe des Streitwerts im Wege der Erinnerung gegen den Kostenansatz (§ 148 FGO) Einwendungen erhoben werden.

 

Normenkette

AO § 320/4; FGO § 140/3, § 128 Abs. 3, §§ 147-148

 

Tatbestand

Gegen den Beschwerdeführer (Steuerpflichtigen - Stpfl. -) ergingen am 5. Mai 1964 nach § 222 AO berichtigte Einkommensteuerbescheide für 1955 bis 1959/60. Gegen diese erhob der Stpfl. am 29. Mai 1964 Einspruch, den er am 28. Juli 1964 begründete. Am 12. August 1965 legte der Stpfl., da das Finanzamt (FA) über seinen Einspruch noch nicht entschieden hatte, beim Finanzgericht (FG) "Berufung" ein mit dem Antrag, unter Aufhebung der angefochtenen Einspruchsentscheidung des FA die vorläufig berichtigten Bescheide des FA vom 5. Mai 1964 über die Einkommensteuer für 1955 bis 1959/60 ersatzlos aufzuheben und die Kosten des Verfahrens dem Land aufzuerlegen. Der Stpfl. sah die Untätigkeit des FA als Zurückweisung des Einspruchs an und hielt daher die Berufung gemäß § 263 AO a. F. für zulässig.

In der mündlichen Verhandlung vom 17. Dezember 1965 besprach der Vorsitzende des FG mit dem Vertreter des Stpfl. die Formulierung des Klagebegehrens. Im Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 17. Dezember 1965 ist dazu festgehalten:

"Nach Erörterung der sich daraus ergebenden kostenrechtlichen Folgen wiederholte der Vertreter des Bf. seinen Antrag aus seinem Schriftsatz vom 12. August 1965, in dem er ausdrücklich betonte, er begehre eine Sachentscheidung im Wege der Untätigkeitsklage."

Auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 17. Dezember 1965 entschied das FG:

Die Untätigkeitsklage wird als unzulässig verworfen. Der Berufungsführer hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird festgestellt auf 845.000 DM. Das FG kam zu dem Ergebnis, eine vorwerfbare Untätigkeit des FA sei nicht erkennbar.

Das Urteil wurde dem Stpfl. zu Händen seines Bevollmächtigten am 27. Januar 1966 zugestellt.

Gegen die Festsetzung des Streitwerts richtet sich die Beschwerde des Stpfl. vom 1. März 1966, eingegangen beim FG am 7. März 1966, mit dem Antrag, den Wert des Streitgegenstandes auf 84.500 DM festzusetzen. Der Stpfl. beruft sich darauf, daß nach dem Urteil des BFH IV 70/59 S vom 15. November 1962 (BFH 76, 741, BStBl III 1963, 270) der Streitwert einer Untätigkeitsklage 10 % der streitigen Steuer betrage.

Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. Da das Urteil des FG, in dem die Festsetzung des Streitwerts enthalten ist, nach dem Inkrafttreten der FGO ergangen ist (BFH- Urteil VI R 80/66 vom 15. Juli 1966, BFH 86, 543, BStBl III 1966, 595), richtet sich die Zulässigkeit der Beschwerde nach den Vorschriften der FGO (§ 184 Abs. 2 Ziff. 2 FGO). Nach § 146 Abs. 3 FGO ist gegen den Beschluß des FG, durch den der Streitwert festgesetzt wird, die Beschwerde zulässig. Dies gilt auch dann, wenn die Entscheidung über den Streitwert in der Form ergeht, daß sie mit dem Urteil verbunden wird. Denn sie verliert dadurch nicht die rechtliche Eigenschaft eines Beschlusses. Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen (§ 129 Abs. 1 FGO). Diese Frist begann jedoch nicht zu laufen, da der Stpfl. über die Beschwerde nicht belehrt wurde (§ 55 FGO). Die Jahresfrist des § 55 Abs. 2 FGO ist gewahrt. Die Beschränkung der Beschwerde auf den Fall, daß der Wert des Beschwerdegegenstands 50 DM übersteigt, gilt nach § 128 Abs. 3 FGO nur "in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen". Darunter fällt der Streit über die Höhe des Streitwerts nur dann, wenn der Streitwert im Rahmen des Kostenansatzes nach § 147 FGO ermittelt worden ist und gegen die Höhe des Streitwerts im Wege der Erinnerung gegen den Kostenansatz (§ 148 FGO) Einwendungen erhoben werden.

Der Streitwert wird durch das wirtschaftliche Interesse des Klägers an der von ihm begehrten Entscheidung bestimmt. Welche Entscheidung der Kläger begehrt, ergibt sich aus seinem Antrag. Im Streitfall hat der Stpfl. eindeutig erklärt, er begehre im Wege der Untätigkeitsklage eine Sachentscheidung nach Massgabe seines Antrags in der Berufungsschrift. Dieser Antrag war darauf gerichtet, daß die berichtigten Einkommensteuerbescheide ersatzlos aufzuheben seien. Zutreffend hat daher das FG den Betrag der durch diese Bescheide nachgeforderten Steuer als Streitwert angesehen. Das BFH-Urteil IV 70/59 S, a. a. O., steht dieser Auffassung nicht entgegen. Der verfahrensrechtliche Sachverhalt lag damals anders. Der Steuerpflichtige hatte Berufung eingelegt mit den Anträgen, das FA anzuweisen, über die Einsprüche zu entscheiden und in der Sache selbst die angefochtenen Steuerbescheide entsprechend abzuändern. Dazu bemerkte der IV. Senat, ein in der Begründung der Untätigkeitsklage enthaltener Sachantrag sei nur als Hilfsantrag zu würdigen. Das kann aber nach Auffassung des erkennenden Senats nicht gelten, wenn der Steuerpflichtige - wie im vorliegenden Fall - ausdrücklich nur einen Sachantrag stellt.

Diese Entscheidung ergeht mit Zustimmung des IV. Senats.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412440

BStBl III 1967, 253

BFHE 1967, 19

BFHE 88, 19

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