Entscheidungsstichwort (Thema)

Gerichtliche Ausschlußfrist bei angeblich falscher Rechtsmittelbelehrung für Klage

 

Leitsatz (NV)

1. § 55 Abs. 1 FGO verlangt nicht, daß der Steuerpflichtige auch über die Einlegung der Klage durch einen Bevollmächtigten belehrt werden muß.

2. Zur Eröffnung des Rechtsweges bedarf es keiner ausdrücklichen Belehrung über den Sollinhalt einer Klage.

 

Normenkette

FGO § 55 Nr. 2, § 62 Abs. 3 S. 3, § 65 Abs. 1-2, § 79b

 

Tatbestand

Mit der Beschwerde machen die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) geltend, aufgrund der fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung gelte statt der regulären Frist die Jahresfrist. Spätestens zu diesem Zeitpunkt, dem 26. August 1996, hätte die Originalvollmacht und die Konkretisierung der Beschwer in Form eines Klageantrages vorgelegen. Vor Ablauf der Jahresfrist hätte das Finanzgericht (FG) Ausschlußfristen nicht setzen dürfen. Die vorher gesetzten Ausschlußfristen führten zu einer Verkürzung des Anspruchs auf Durchführung eines rechtsstaatlichen Gerichtsverfahrens und des rechtlichen Gehörs. Die Rechtsfolge einer fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung ergebe sich aus § 55 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO -- (vgl. Urteil des Niedersächsischen FG vom 8. Februar 1991 VI 525/87, Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1992, 21, und Rößler, Deutsche Steuer-Zeitung -- DStZ -- 1992, 317). Die Kläger seien aber in der Rechtsmittelbelehrung nicht darauf hingewiesen worden, daß die Anfechtung des Steuerbescheides konkreter Anträge bedürfe. Die vom Gesetzgeber in § 55 Abs. 2 FGO geschaffene Möglichkeit könne nicht durch vom FG festgesetzte Ausschlußfristen verkürzt werden. Diese Frage sei auch von grundsätzlicher Bedeutung.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Dabei kann dahinstehen, ob die Kläger entsprechend den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) dargelegt oder Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) bezeichnet haben, auf denen das angefochtene Urteil beruhen könnte. Denn jedenfalls ist die Beschwerde unbegründet.

1. Grundsätzliche Bedeutung

Es ist nicht erkennbar, daß sich im Streitfall die von den Klägern aufgeworfene Rechtsfrage nach der Bedeutung der Jahresfrist des § 55 Abs. 2 FGO aufgrund einer unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung für die Möglichkeit des FG, Ausschlußfristen zu setzen, überhaupt stellt. Die Frage ist hier nicht klärungsbedürftig und auch nicht klärungsfähig. Denn die den Klägern erteilte Rechtsmittelbelehrung ist nicht unrichtig. Die Kläger sind ausweislich der in der Einspruchsentscheidung enthaltenen Rechtsbehelfsbelehrung über das Gericht oder die Behörde belehrt worden, bei denen die Klage zu erheben oder anzubringen ist, ferner über die Frist von einem Monat zur Erhebung der Klage und über die Mußerfordernisse der Klage. Dazu heißt es: "Die Klage muß den Kläger, den Beklagten, den Gegenstand des Klagebegehrens, bei Anfechtungsklagen auch den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf bezeichnen. Sie soll einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben." Die den Klägern erteilte Rechtsmittelbelehrung entspricht somit -- nahezu wortwörtlich -- der Vorschrift des § 65 Abs. 1 FGO. Es ist daher weder dargetan noch sonst ersichtlich, warum die den Klägern erteilte Rechtsmittelbelehrung unzutreffend sein und daher die Frist von einem Jahr zur Einlegung der Klage maßgebend sein könnte.

Im übrigen verkennen die Kläger, daß das FG ihre Klage nicht etwa deshalb als unzulässig zurückgewiesen hat, weil sie die oben genannten Mußerfordernisse einer Klage i. S. von § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO nicht bezeichnet hätten, sondern weil -- so die hier bindenden Feststellungen des FG -- die Vollmacht nicht binnen der vom Berichterstatter gemäß § 62 Abs. 3 Satz 3 FGO mit ausschließender Wirkung gesetzten Frist nachgereicht worden ist. Da § 55 Abs. 1 FGO keine Belehrung über die Einlegung eines Rechtsmittels durch einen Bevollmächtigten vorsieht, kann sich die Jahresfrist (§ 55 Abs. 2 FGO) auch aus diesem Grunde nicht zugunsten der Kläger auswirken.

Daß das FG für die Abweisung der Klage zusätzlich auch darauf abgestellt hat, daß die zur Begründung der Klage dienenden Tatsachen und Beweismittel erst nach Ablauf der vom Berichterstatter gemäß § 79 b FGO gesetzten Frist angegeben worden sind und die Klage insoweit als unbegründet abgewiesen hat, hat indes mit der von den Klägern aufgeworfenen Frage nach den Wirkungen einer unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung nichts zu tun. Die der Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel betreffen den Sollinhalt der Klage und nicht den Mußinhalt (§ 65 Abs. 1 Satz 2 und 3 FGO). Es bedurfte daher zur Eröffnung des Rechtsweges keiner ausdrücklichen Belehrung auch über den Sollinhalt der Klage. Seit der Neufassung des § 65 FGO durch das FGO-Änderungsgesetz vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 1992, 2109, BStBl I 1993, 90) kann die Klage gemäß § 65 Abs. 2 FGO allerdings auch insoweit ergänzt werden, als sie allen den in Abs. 1 gestellten Anforderungen nicht entspricht. Da der Vorsitzende oder der von ihm bestimmte Berichterstatter gemäß § 65 Abs. 2 Satz 1 FGO verpflichtet ist, den Kläger zur Ergänzung der Klage um die erforderlichen Angaben aufzufordern (vgl. z. B. Senatsurteil vom 27. Juni 1996 IV R 61/95, BFH/NV 1997, 232), genügte die hier i. S. von § 55 Abs. 1 FGO vollständig erteilte Belehrung über den sog. Mußinhalt der Klage, um dem Kläger den Rechtsweg zu eröffnen. Wie der erkennende Senat durch seine Entscheidung vom 23. Januar 1997 IV R 84/95 (BFHE 182, 273) weiter entschieden hat, ergibt der zu § 79 b FGO ergangene Beschluß des X. Senats vom 8. März 1995 X B 243, 244/94 (BFHE 177, 201, BStBl II 1995, 417) nichts für die Auslegung des Begriffs des Gegenstands des Klagebegehrens. Die von den Klägern aufgeworfene Rechtsfrage nach der Ergänzungsfähigkeit der Klage binnen der Klagefrist ist somit auch aus diesen Gründen nicht klärungsbedürftig. Das von den Klägern genannte Urteil des Niedersächsischen FG in EFG 1992, 21 sowie die Anmerkung von Rößler in DStZ 1992, 317 geben zu der von den Klägern aufgeworfenen Frage ebenfalls nichts her.

2. Unter diesen Umständen kann das angefochtene Urteil auch nicht auf einem Verfahrensmangel beruhen. Das FG hat nämlich im Streitfall zu Recht angenommen, daß der Berichterstatter die von den Klägern angegriffenen Ausschlußfristen gemäß § 62 Abs. 3 Satz 3 und § 79 b FGO hat wirksam setzen können.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 422236

BFH/NV 1997, 784

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