Zu Finanzierungszwecken zwischengeschaltete gemeinnützige GmbH

Eine Körperschaft ist dann nicht selbstlos tätig, wenn sie die durch Spenden ihrer Gesellschafter erlangten (nicht gebundenen) Vermögensmittel ausschließlich und von vornherein zur Finanzierung einer von diesen Gesellschaftern beherrschten Personengesellschaft einsetzt.

Hintergrund: Finanzierung einer KG durch zwischengeschaltete gemeinnützige GmbH

Die X-GmbH wurde als gemeinnützige Gesellschaft gegründet. Gesellschaftszweck ist die Förderung des Gesundheitswesens (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 3 AO). Die vier Gesellschafter sind familiär verbunden und waren daneben zu 98 % an einer KG beteiligt.

Kapitalbedarf der KG

Die KG deckte ihren Kapitalbedarf zunächst durch Gesellschafterdarlehen. In 2010 wurden diese Darlehen um 3 Mio. EUR zurückgeführt. Der fortbestehende Kapitalbedarf wurde nun durch die GmbH gedeckt. Dazu schloss die GmbH mit der KG Darlehensverträge ab, in denen sich die GmbH verpflichtete, der KG 3 Mio. EUR als verzinsliches Darlehen für 10 Jahre zu gewähren. Die dafür erforderlichen Mittel erhielt die GmbH durch Zahlungen der vier Gesellschafter in 2010/2011 von insgesamt 3 Mio. EUR zur Anlage in den Vermögensstock. Die GmbH erteilte ihnen hierfür Spendenquittungen, nachdem das FA zuvor eine vorläufige Bescheinigung über die Gemeinnützigkeit erteilt hatte. Aufgrund der Darlehensverträge flossen der GmbH Zinsen zu, die sie in 2013 einer Kinderklinik spendete.

In 2013 widerrief das FA die Gemeinnützigkeits-Bescheinigung mangels Selbstlosigkeit (§ 55 AO). Die GmbH sei vorrangig zur Förderung eigenwirtschaftlicher Interessen der Gesellschafter tätig geworden. Die gegen die darauf erlassenen KSt- und GewSt-Messbescheide erhobene Klage wies das FG mit der Begründung ab, die GmbH habe durch zu niedrig verzinste Darlehen vGA an die KG vorgenommen.

Entscheidung: Eigenwirtschaftliche Interessen der Gesellschafter

Für die Selbstlosigkeit der Förderung gemeinnützige Zwecke unterscheidet § 55 AO zwischen dem Verbot der primären Verfolgung eigenwirtschaftlicher Zwecke (§ 55 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 AO, "Selbstlosigkeit im engeren Sinne") und weiteren Vorgaben für die Mittel- und Vermögensverwendung (§ 55 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 1 bis 5 AO). Selbst einer objektiv im gemeinnützigen Sinn tätigen Körperschaft kann daher die Steuerbefreiung versagt werden, wenn die Gesellschafter in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgen.

Abwägung zwischen den eigenwirtschaftlichen Vorteilen und der Förderung der Allgemeinheit

"Eigenwirtschaftliche Zwecke" werden nicht nur verfolgt, wenn es um die wirtschaftlichen Interessen und Vorteile der Körperschaft selbst geht. Eine Körperschaft handelt auch dann nicht selbstlos, wenn sie in erster Linie unmittelbar oder mittelbar die wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder (BFH v. 23.10.1991, I R 19/91, BStBl II 1992, 62) oder diesen nahestehenden Personen wahrnimmt. An der Selbstlosigkeit fehlt es aber nicht nur dann, wenn der Eigennutz der Mitglieder in den Vordergrund tritt, sondern regelmäßig auch dann, wenn eigenwirtschaftliche Vorteile für alle Beteiligten oder wenigstens für einen wesentlichen Teil der Beteiligten mitentscheidend gewesen sind. Eigenwirtschaftliche Zwecke der Mitglieder werden somit "in erster Linie" verfolgt, wenn die bewirkte Förderung der Allgemeinheit im Vergleich zu den eigenwirtschaftlichen Vorteilen der Mitglieder oder ihnen nahestehenden Personen nicht überwiegt.

Mitentscheidende eigenwirtschaftliche Vorteile

Hiervon ausgehend hat die GmbH mit der Darlehenshingabe an die KG gegen § 55 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 AO verstoßen. Die Abwägung des Gemeinwohlnutzens mit den verfolgten eigenwirtschaftlichen Interessen ergibt, dass die Förderung der Allgemeinheit die eigenwirtschaftlichen Vorteile der Gesellschafter und der ihnen nahestehenden KG nicht überwiegt, sondern dass die eigenwirtschaftlichen Vorteile zumindest mitentscheidend für die Gründung der GmbH waren. Die GmbH wurde zur mittelbaren Gesellschafterfinanzierung der KG eingesetzt und ermöglichte erst dadurch ihren Gesellschaftern eine erhebliche (eigenwirtschaftliche) Steuerersparnis. Die von der GmbH durch Spenden erlangten Mittel waren zur Finanzierung der KG von vornherein eingeplant. 

Eigenwirtschaftliche Vorteile trotz Spenden in den Vermögensstock

Der Feststellung eigenwirtschaftlicher Vorteile steht nicht entgegen, dass die in den Vermögensstock gespendeten Beträge in dem Sinne "weg" sind, dass sie der Verfügungsmacht der spendenden Gesellschafter auf Dauer entzogen wurden. Denn die KG benötigte fortwährend finanzielle Mittel, die ihr bislang von den Gesellschaftern direkt und ohne Spendenabzug zugeführt wurden. Da der KG diese Darlehen nicht ohne Ersatzfinanzierung entzogen werden konnten, waren sie bereits vor der Finanzierung über die GmbH de facto der Verfügungsbefugnis der Gesellschafter weitgehend entzogen.

Hinweis: Wirtschaftliche Vorteile durch Steuerersparnis

Mit dieser Entscheidung entzieht der BFH dem Modell "Finanzierung des für den Betrieb benötigten Fremdkapitals durch Darlehen einer gemeinnützigen GmbH nach Spendenzuwendungen an die GmbH" die Grundlage. Schädliche Eigeninteressen liegen bereits vor, wenn die eigenwirtschaftlichen Vorteile zumindest mitentscheidend für die Gestaltung waren. Der Selbstlosigkeitsgrundsatz ist nicht auf wirtschaftliche Vorteile in der Erwerbssphäre beschränkt. Schädlich sind ebenso wirtschaftliche Vorteile im privaten Bereich, also auch ersparte Aufwendungen. Eine (schädliche) Ausgabenersparnis tritt daher auch dann ein, wenn wirtschaftliche Vorteile durch Steuerersparnis erlangt werden sollen.

Im Übrigen hat der BFH ausdrücklich offen gelassen, ob ein Verstoß gegen den Grundsatz der Selbstlosigkeit auch aus dem Vorliegen von vGA durch zu niedrig verzinste und ungesicherte Darlehen folgt. 

BFH Urteil vom 22.08.2019 - V R 67/16 (veröffentlicht am 14.11.2019)

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