Kürzung der Verpflegungspauschalen

Die Verpflegungspauschalen sind auch dann zu kürzen, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Mahlzeiten zur Verfügung stellt, diese vom Arbeitnehmer aber nicht eingenommen werden.

Hintergrund: Vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Mahlzeiten

Der Soldat S bewohnte im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung eine Zweitwohnung am Bundeswehrstandort. Die Bundeswehr stellte ihm in der Kaserne Frühstück, Mittag- und Abendessen zur Verfügung. Für die Inanspruchnahme des Mittag-/Abendessens hatte S eine Zuzahlung von jeweils 3 EUR und für das Frühstücks von 1,63 EUR pro Mahlzeit zu leisten. Nahm er eine Mahlzeit nicht ein, erhielt er 150 % des Sachbezugs als steuerpflichtiges Trennungsgeld. Im Streitjahr nahm S nur das Mittagessen in der Kaserne ein.

Das FA ging davon aus, bei den Werbungskosten wegen doppelter Haushaltsführung seien die in § 9 Abs. 4a EStG geregelten Verpflegungspauschalen nach § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG zu kürzen (für Frühstück um 20%, für Mittag-/Abendessen um 40%). Dem folgte das FG und wies die Klage unter Hinweis auf den Gesetzeswortlaut und den Vereinfachungszweck ab.

Entscheidung: Kürzung der Verpflegungspauschalen auch bei Nichteinnahme der Mahlzeiten

Der BFH bestätigt die Auffassung des FG. Die Verpflegungspauschalen waren zu kürzen. Das gilt auch für Frühstück und Abendessen, obwohl S diese Mahlzeiten tatsächlich nicht eingenommen hat.

Auslegung nach dem Wortlaut

Das Zurverfügungstellen einer Mahlzeit durch den Arbeitgeber (oder auf dessen Veranlassung durch einen Dritten) i.S. von § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG erfordert nicht, dass der Arbeitnehmer die Mahlzeit auch tatsächlich einnimmt. Aus welchen Gründen er sie nicht einnimmt, ist ebenfalls unerheblich. Das "zur Verfügung stellen" beinhaltet schon nach dem Wortsinn lediglich die Bereitstellung. Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer in die Lage versetzen, die angebotene bzw. bereitgestellte Mahlzeit anzunehmen.

Ob der Arbeitnehmer die Mahlzeit tatsächlich annimmt (in Besitz nimmt), ist für die Frage, ob die Mahlzeit zur Verfügung gestellt wurde, unerheblich. Das Annehmen einer Mahlzeit durch den Arbeitnehmer ist nach der Wortbedeutung etwas anderes als das Zurverfügungstellen, Bereitstellen oder Abgeben durch den Arbeitgeber.

Vereinfachungszweck der Regelung

Diese Auslegung wird durch den Gesetzeszweck bestätigt. Der Gesetzgeber beabsichtigte mit der Neuregelung der Verpflegungsmehraufwendungen ab 2014 in § 9 Abs. 4a EStG eine Vereinfachung gegenüber der früheren Rechtslage (Gesetz v. 20.2.2013, BStBl I 2013, 188).

Steht dem Arbeitnehmer dem Grunde nach der Werbungskostenabzug in Form von Verpflegungspauschalen zu, so unterbleibt nunmehr ab 2014 gemäß § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG die Lohnversteuerung der üblichen, nach § 8 Abs. 2 Satz 8 EStG zu bewertenden Mahlzeiten. Folgerichtig sind im Gegenzug die Verpflegungspauschalen gemäß § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG entsprechend zu kürzen.

Durch den Verzicht auf die Besteuerung des geldwerten Vorteils einerseits bei gleichzeitiger Kürzung des Werbungskostenabzugs andererseits sollen Arbeitgeber und Finanzverwaltung von Verwaltungsaufwand entlasten werden (BT-Drs. 17/10774, S. 12 und 16). Dieses gesetzgeberische Ziel würde weitgehend verfehlt, wenn Arbeitgeber und Finanzverwaltung jeweils im Einzelnen aufzeichnen und feststellen müssten, ob der Arbeitnehmer eine ihm zur Verfügung gestellte Mahlzeit auch tatsächlich eingenommen hat.

Typisierende Kürzung der Pauschalen

Der Gesetzgeber konnte typisierend davon ausgehen, dass dem Arbeitnehmer in diesen Fällen für seine Verpflegung keine Mehraufwendungen entstehen. Es ist daher nur folgerichtig, die ebenfalls im Wege der Typisierung festgelegten Verpflegungspauschalen (anteilig) zu kürzen, wie dies § 9 Abs. 4a Satz 8 EStG anordnet. Nimmt der Arbeitnehmer eine ihm zur Verfügung gestellte Mahlzeit - aus welchen Gründen auch immer - nicht ein, ändert dies nichts daran, dass es bei typisierender Betrachtung auch in einem solchen Fall an einem beruflich veranlassten Verpflegungsmehraufwand fehlt, wenn sich der Arbeitnehmer anderweitig verpflegt.

Keine Verpflichtung zur Teilnahme an der Gemeinschaftsverpflegung

Für die Kürzung der Verpflegungspauschalen ist es ohne Bedeutung, dass S nicht verpflichtet war, an der Gemeinschaftsverpflegung teilzunehmen. Entscheidend ist allein, dass die Bundeswehr ihm die entsprechenden Mahlzeiten (Frühstück, Mittag-/Abendessen) tatsächlich zur Verfügung gestellt hat.

Die ihm dem Grunde nach zustehenden Verpflegungspauschalen waren nach § 9 Abs. 4a Sätze 8 und 12 EStG um insgesamt 100% (20% + 40% + 40%) auf 0 EUR zu kürzen. Die vom S für die eingenommenen Mittagessen gezahlten Entgelte von jeweils 3 EUR mindern nach § 9 Abs. 4a Sätze 10 und 12 EStG den Kürzungsbetrag.

Hinweis: Übereinstimmung mit dem Reisekostenerlass

Die Entscheidung entspricht dem Reisekostenerlass (BMF v. 24.10.2014, BStBl I 2014, 1412, Rz 75) und der Kommentarliteratur zu dem ab 2014 geltenden neuen Reisekostenrecht (Gesetz v. 20.02.2013, BStBl I 2013, 188). Die Typisierung ist durch den Vereinfachungszweck der Neuregelung gerechtfertigt. Möglicherweise kann die Kürzung in bestimmten Fällen dadurch verhindert werden, dass der Arbeitnehmer mit dem Arbeitgeber vereinbart, dass ihm keine Mahlzeiten zur Verfügung gestellt werden. 

BFH Urteil vom 07.07.2020 - VI R 16/18 (veröffentlicht am 05.11.2020)

Alle am 05.11.2020 veröffentlichten Entscheidungen des BFH.