Gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnungen sind verfassungsgemäß

Hintergrund: positiver Gewerbeertrag durch Hinzurechnungen
Die Hotelgesellschaft H betreibt ihre Hotels in angemieteten Gebäudegrundstücken. Im Streitjahr 2008 erwirtschaftete sie hohe handelsrechtliche und körperschaftsteuerliche Verluste. Erhebliche Aufwendungen entstanden für Schuldzinsen, für Miet-/Pachtzinsen für bewegliche und unbewegliche Wirtschaftsgüter und für Lizenzgebühren, die zu gewerbesteuerrechtlichen Hinzurechnungen nach § 8 Nr. 1 Buchst. a, d, e und f GewStG und zu einem positiven Gewerbeertrag führten. Das FA setzte den GewSt-Messbetrag entsprechend fest. Die Hinzurechnungen wirkten sich ebenso auf die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts zum 31.12.2008 aus. H wandte sich mit verfassungsrechtlichen Argumenten gegen die Hinzurechnungen der Miet-/Pachtzinsen (Buchst. d, e) und der Lizenzgebühren (Buchst. f). Die anschließende Klage wies das FG Köln mit dem Hinweis auf die bisherige Rechtsprechung des BVerfG ab.
Entscheidung: Die unterschiedliche gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung ist verfassungsgemäß
Die Korrekturen des Gewinns um Hinzurechnungen und Kürzungen sind Folge des Objektsteuercharakters der GewSt. Das objektive Nettoprinzip und der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit treten insoweit zurück. Die Besonderheit als Objektsteuer kann dazu führen, dass ertraglose Betriebe belastet werden, indem – wie im Streitfall – GewSt allein durch Hinzurechnungen ausgelöst wird, oder negative und positive Ergebnisse aus mehreren Betrieben nicht saldiert werden und deshalb für einzelne Betriebe GewSt anfällt, obwohl das saldierte Ergebnis aus allen Betrieben negativ ist. Auch eine mögliche Substanzbesteuerung liegt in der Natur einer Objektsteuer. Diese Belastungen sind – entgegen Stimmen im Schrifttum - hinzunehmen und verstoßen nicht gegen Art. 3 Abs. 1, Art. 12 und 14 GG (BFH v. 4.6.2014, I R 70/12, BStBl II 2015 S. 289).
Möglicherweise eingeschränkter Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers
Bei der Auswahl des Steuergegenstands steht dem Gesetzgeber grundsätzlich ein weiter Gestaltungs- und Einschätzungsspielraum zu, so z.B. bei der Besteuerung einerseits von Gewerbetreibenden und der Verschonung von Einkünften aus selbständiger Arbeit andererseits. Allerdings könnte es sich bei den Hinzurechnungs- und Kürzungsvorschriften nicht um die Auswahl des Steuergegenstands, sondern um Differenzierungen innerhalb des Steuergegenstands handeln, was eine engere Bindung des Gesetzgebers an sachliche Erwägungen, insbesondere der Folgerichtigkeit und Belastbarkeit, zur Folge haben könnte. Aber auch dann, wenn dem Gesetzgeber insoweit nur ein eingeschränkter Gestaltungsspielraum zustehen sollte, besteht für ihn keine strenge Folgerichtigkeitskontrolle. Vielmehr genügt es, wenn sich die Hinzurechnungsvorschriften folgerichtig in das Konzept einer ertragsorientierten Objektsteuer einfügen lassen. Die der Höhe nach unterschiedliche Hinzurechnung von Miet-/Pachtzinsen für bewegliche und unbewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens oder für die befristete Überlassung von Rechten muss daher nicht einem strikten Folgerichtigkeitsmaßstab genügen. Der Gesetzgeber ist nicht dazu gezwungen, die Hinzurechnungstatbestände an einem typischen, realitätsgerechten Zinsniveau auszurichten. Er war daher bei der Neukonzeption durch das UntStRefG 2008 zu einer groben Schätzung des Finanzierungsanteils berechtigt. Eine willkürliche Festsetzung ist darin nicht zu sehen (BFH v. 4.6.2014, I R 70/12, BStBl II 2015 S. 289).
Keine unzulässige Rückwirkung
Der BFH verneint auch einen Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot durch Einfügung des Buchst. e in § 8 Nr. 1 GewStG (Hinzurechnung der Miet-/Pachtzinsen für Grundbesitz) mit Wirkung ab 2008. Ein Vertrauen der H auf Fortbestehen ihres zuvor erstellten Unternehmenskonzepts, nur mit angemietetem Grundbesitz zu wirtschaften, ist nicht schützenswert. Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht nicht so weit, vor jeder Enttäuschung zu bewahren. Soweit nicht besondere Merkmale der Schutzwürdigkeit hinzutreten, genießt die allgemeine Erwägung, das geltende Recht werde unverändert fortbestehen, keinen verfassungsrechtlichen Schutz (BVerfG v. 10.4.2018, 1 BvR 1236/11, BStBl II 2018 S. 303, Rz 138). Die Nichteinbeziehung der Miet-/Pachtzinsen bis 2007 verschaffte H keine gefestigte, schützenswerte Rechtsposition.
Hinweis: Problematik der gesetzgeberischen Grenzen
Das FG Köln hatte zuvor im Hinblick auf eine Vorlage des FG Hamburg (Beschluss v. 29.2.2012, 1 K 138/10, EFG 2012 S. 960) im AdV-Verfahren ebenfalls Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit bejaht, die AdV aber aus anderen Gründen abgelehnt (FG Köln v. 4.7.2012, 13 V 1292/12, EFG 2012 S. 2036). Nachfolgend hat der BFH die Zweifelhaftigkeit verneint (BFH v. 16.10.2012, I B 128/12, BStBl II 2013 S. 30). Die dagegen erhobene Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG v. 6.5.2013, 1 BvR 821/13, BFH/NV 2013 S. 1212). Die Vorlage des FG Hamburg wurde als unzulässig zurückgewiesen (BVerfG v. 15.2.2016, 1 BvL 8/12, BStBl II 2016 S. 557). Mit der jetzigen Entscheidung des BFH dürfte die Frage für die Praxis geklärt sein. Gleichwohl wird die Diskussion nicht verstummen, da die Grenzen des Gesetzgebers immer nur allgemein beschrieben werden und zu wenig konturiert sind.
BFH, Urteil v. 14.6.2018, III R 35/15, veröffentlicht am 22.8.2018.
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