Leitsatz

1. Die der Höhe nach unterschiedliche gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung von Miet- und Pachtzinsen für bewegliche und unbewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens und von Aufwendungen für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten nach § 8 Nr. 1 Buchst. d, e und f GewStG muss nicht einem strikten Folgerichtigkeitsgebot genügen.

2. Die Fiktion eines in Miet-/Pachtzinsen und in Aufwendungen für Rechteüberlassung enthaltenen Finanzierungsanteils zwingt den Gesetzgeber nicht dazu, die entsprechenden Hinzurechnungstatbestände an einem typischen, realitätsgerechten Zinsniveau auszurichten.

 

Normenkette

§ 7, § 8 Nr. 1 Buchst. a, d, e, f GewStG, Art. 12, Art. 14, Art. 28 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2, Art. 100 Abs. 1 Satz 1, Art. 106 Abs. 6 GG, § 68 FGO

 

Sachverhalt

Die Klägerin betreibt Hotels auf angemieteten Ho­telgrundstücken. Sie erwirtschaftete 2008 einen ­handelsrechtlichen Verlust von 8.829.468 EUR und einen nach § 7 GewStG anzusetzenden Verlust von 3.400.149 EUR. Wegen Aufwendungen für Schuld­zinsen (14.994 EUR), Miet- und Pachtzinsen für ­be­wegliche und unbewegliche Wirtschaftsgüter (10.066.675 EUR bzw. 59.011.743 EUR) und Lizenzgebühren (459.238 EUR) kam es zu gewerbe­steuerrechtlichen Hinzurechnungen nach § 8 Nr. 1 Buchst. a, d, e und f GewStG i.H.v. insgesamt 10.100.191 EUR. Aufgrund eines Verlustabzugs gemäß § 10a GewStG ergab sich ein Gewerbeertrag von 2.280.000 EUR und ein Messbetrag von 79.800 EUR. Außerdem erließ das FA einen geänderten Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes zum 31.12.2008. Die Einsprüche hatten keinen Erfolg.

Das FG wies die Klage ab (FG Köln, Urteil vom 19.3.2015, 13 K 2768/10, Haufe-Index 8131181, EFG 2015, 1384), weil das BVerfG in seiner bisherigen Rechtsprechung die gewerbesteuerrechtlichen Hinzurechnungen als verfassungskonform angesehen habe.

 

Entscheidung

Der BFH hat die Revision zurückgewiesen, weil die Hinzurechnungsvorschriften nicht in Widerspruch zur Verfassung stehen und daher kein Anlass für eine Richtervorlage nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG bestand.

 

Hinweis

Der III. Senat hat die Zuständigkeit für die Gewerbesteuer von Körperschaftsteuerpflichtigen vom I. Senat übernommen.

1. Die erheblichen Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Gewerbesteuer haben das BVerfG bisher nicht zu einer kritischen Prüfung bewegt. Vergleicht man die BVerfG-Entscheidungen zur Gewerbesteuer mit denen zur Einkommensteuer, dann erweckt dies fast den Eindruck, als sei die Gewerbesteuer von der verfassungsrechtlichen Überprüfung dispensiert.

2. Die Gewerbesteuer als solche und insbesondere die Hinzurechnungen unterliegen gleichheitsrechtlichen Bedenken. Nach dem vom BVerfG zu Art. 3 Abs. 1 GG entwickelten Maßstab zur Verfassungskonformität von Steuergesetzen steht dem Gesetzgeber bei der Auswahl eines Steuergegenstands sowie bei der Bestimmung des Steuersatzes ein weitreichender Entscheidungsspielraum zu (BVerfG, Beschluss vom 15.2.2016, 1 BvL 8/12, BStBl II 2016, 557, Haufe-Index 9213347, Rz. 25, betr. Hinzurechnung von Schuld-, Miet- und Pachtzinsen gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. a, d und e GewStG; BVerfG, Urteil vom 10.4.2018, 1 BvR 1236/11, BStBl II 2018, 303, Haufe-Index 11632832, Rz. 105, betr. Gewerbesteuerpflicht für Gewinne aus der Veräußerung von Mitunternehmeranteilen). Danach wird der Gleichheitssatz nicht verletzt, wenn der Gesetzgeber einen Sachgrund für die Wahl des Steuergegenstands vorbringen kann, die Berücksichtigung sachwidriger, willkürlicher Erwägungen ausgeschlossen ist und die konkrete Belastungsentscheidung für ein Steuerobjekt nicht mit anderen Verfassungsnormen in Konflikt gerät. Die mit der Wahl des Steuergegenstands getroffene Belastungsentscheidung hat der Gesetzgeber zur möglichst gleichmäßigen Belastung aller Steuerpflichtigen bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands folgerichtig umzusetzen. Ausnahmen von einer folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes. Dem Gesetzgeber ist es erlaubt, Sachverhalte, an die er dieselben steuerrechtlichen Folgen knüpft, zu typisieren und dabei in weitem Umfang die Besonderheiten des einzelnen Falls zu vernachlässigen. Dabei muss er sich aber realitätsgerecht am typischen Fall orientieren.

3. Das BVerfG sieht die Gewerbesteuer mit ihrer Verankerung in Art. 106 Abs. 6 GG sowie Art. 28 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 GG und ihrer Grundstruktur und herkömmlichen Ausgestaltung als verfassungsrechtlich gerechtfertigt an. Sie ist eine vornehmlich auf den Ertrag des Gewerbebetriebs gerichtete Objektsteuer. Die damit einhergehenden Korrekturen des Gewinns um Hinzurechnungen und Kürzungen sind die Konsequenz des Objektsteuercharakters. Dadurch ergeben sich naturgemäß Abweichungen von dem nach den Vorschriften des EStG und des KStG ermittelten Gewinn und damit auch vom ­subjektiven Leistungsfähigkeitsgedanken. Die von den Hinzurechnungsvorschriften ausgehenden Belastungen sind von der verfassungsrechtlichen Legitimität der Gewerbesteuer erfasst und im Grund...

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