Rz. 1

Die gesellschaftliche und rechtliche Bedeutung von privatrechtlichen Stiftungen ist in den vergangenen Jahren erheblich angestiegen. Allein im Jahr 2019 wurden in Deutschland 576 rechtsfähige Stiftungen des bürgerlichen Rechtes errichtet (Statistik Bundesverband Deutscher Stiftungen, abrufbar unter http://www.stiftungen.org). Ende 2020 gab es in Deutschland insgesamt 23.876 rechtsfähige Stiftungen des bürgerlichen Rechts (Bundesverband Deutscher Stiftungen, a. a. O.). Insb. hat sich die Zahl neu errichteter Stiftungen seit den Reformen des Stiftungs- und Gemeinnützigkeitsrechts in den Jahren 2000, 2002, 2007 und 2013 erheblich erhöht. Die Stiftungsaufsichtsbehörden der einzelnen Bundesländer haben allein in dem Zeitraum von 2002 bis 2015 insgesamt 11.380 rechtsfähige Stiftungen des bürgerlichen Rechts neu anerkannt (vgl. Bundesverband Deutscher Stiftungen, a. a. O.).

 

Rz. 2

Der weit überwiegende Anteil der rechtsfähigen Stiftungen des bürgerlichen Rechts ist gemeinnützig i. S. d. §§ 51ff. AO. Die Errichtung einer gemeinnützigen Stiftung ist für den Stifter mit erheblichen Steuervorteilen verbunden (s. Rn. 275 und s. Rn. 331). Zu den wichtigsten gemeinnützigen Zwecken, die Stiftungen in der Bundesrepublik Deutschland verfolgen, gehören soziale Zwecke wie die Förderung sozial Schwacher oder von Menschen mit Behinderung, daneben die Förderung der Wissenschaft und Forschung, der Bildung und Erziehung sowie der Kunst und Kultur. Zahlreiche Stiftungen engagieren sich in den letzten Jahrzehnten auch verstärkt im Bereich des Umwelt- und Naturschutzes (s. auch Schmidt in Bertelsmann Stiftung, Handbuch Stiftungen, 2003 87 ff.).

Die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Steuervorteilen, die mit der Errichtung einer gemeinnützigen Stiftung verbunden sind, tritt für die überwiegende Anzahl der Stifter neben weitere, meist gewichtigere Beweggründe für eine Stiftungserrichtung (hierzu auch Timmer in Graf Strachwitz/Mercker, 46 ff.). Das philanthropische, echte Mäzenatentum nimmt dabei eine nach wie vor bedeutsame Stellung ein. Oftmals trifft es auch mit Nachfolgeerwägungen zusammen, zumal das private Vermögen in der Bundesrepublik Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten erheblich angestiegen ist.

 

Rz. 3

Über eine rechtsfähige Stiftung lassen sich Unternehmen und Vermögensmassen in ihrer Gesamtheit erhalten sowie vor Begehrlichkeiten von Nachfolgern und Dritten, z. B. an einer Übernahme interessierten Wettbewerbern, sichern. Da eine Stiftung an ihren – von dem Stifter gewählten – Zweck und seine Vorstellungen hinsichtlich des Vermögenserhalts gebunden ist, darf sie z. B. ihr übertragene Unternehmensanteile oder Kunstsammlungen nicht oder nur nach den Vorgaben des Stifters veräußern. Durch die Struktur der Stiftung als selbstständiges Rechtssubjekt, das den Stifterwillen perpetuiert, kann ein EL Vermögensmassen über seinen Tod hinaus zusammenhalten.

Ein weiterer Beweggrund für die Errichtung einer Stiftung kann auch darin liegen, dass eine Stiftung durch ihre Tätigkeit und ihren Namen das Andenken an den Stifter dauerhaft aufrechterhält, z. B. dann, wenn ein Stifter keine nahen Verwandten hat.

 

Rz. 4

Politisch ist nach der letzten großen Stiftungsrechtsreform eine weitere Modernisierung des Stiftungszivilrechts beabsichtigt. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe Stiftungsrecht hat hierzu im Jahr 2018 einen Entwurf vorgelegt. Das BMJV hat im September 2020 einen Referentenentwurf vorgelegt. Die weiteren Entwicklungen sind zu verfolgen. Gescheitert ist hingegen vorerst die Idee einer Stiftung auf der Grundlage des supranationalen Rechts der EU (Fundatio Europaea, FE). Die EU-Kommission hat den entsprechenden Entwurf einer Verordnung (COM(2012) 35) im Jahr 2014 wieder zurückgenommen (COM(2014), 910 endg., Anhang 2 zu der Mitteilung vom 16.12.2014, Ziffer 61.)

 

Rz. 5

Relevant für die Vermögensnachfolge und für Vermögensübertragungen ist vor allem die rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts, wie sie in den §§ 80 ff. BGB geregelt ist. Ihre Rechtsgrundlagen sollen daher an dieser Stelle eingehend dargelegt werden (s. Rz. 6 ff.).Daneben bezeichnet die Praxis als "Stiftung" auch andere Gestaltungen auf der Grundlage des Vertragsrechts (wie bspw. die Treuhandstiftung, s. Rn. 97), des öffentlichen Rechts (s. Rn. 103) oder des ausländischen Rechts (s. Rn. 253). Diese sind für die Vermögensnachfolge nur teilweise von Belang und sollen daher hier nur im Ansatz aufgezeigt werden (s. Tz. 3).

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