Schrifttum

App, Mitteilung der Entscheidungsunterlagen im Beschwerdeverfahren gegen Maßnahmen der Finanzbehörden im Erhebungs- und im Vollstreckungsverfahren, DStZ 1987, 96;

Carl, Das rechtliche Gehör im Besteuerungsverfahren, StW 1996, 417;

Dißars, Das Recht auf Akteneinsicht der Beteiligten im Steuerrecht, NJW 1997, 481;

Durst, Akteneinsicht im Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren, PStR 2008, 185;

von Wedelstädt, die Änderungen und Ergänzungen im Anwendungserlass zur Abgabenordnung durch das BMF-Schreiben vom 02.01.2009, DB 2009, 254.

A. Bedeutung der Vorschrift

 

Tz. 1

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 364 AO gewährt rechtliches Gehör im finanzbehördlichen Rechtsbehelfsverfahren. Das rechtliche Gehör ist ein aus rechtsstaatlichen Grundsätzen abgeleitetes Verfahrensrecht, welches unverzichtbarer Bestandteil eines jeden Verwaltungsverfahrens ist. § 364 AO ergänzt den Informationsanspruch des § 91 AO, wonach ein Beteiligter die Gelegenheit haben "soll", sich zu entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern, bevor ein belastender Verwaltungsakt ergeht. Die Vorschrift verstärkt die Verpflichtung der Finanzbehörde, einen Verwaltungsakt hinreichend zu begründen, für das Einspruchsverfahren, indem sie dem Steuerpflichtigen einen Rechtsanspruch auf Mitteilung der Besteuerungsgrundlagen gewährt. § 364 AO ist eine "Mussvorschrift". Die Berechtigung auf Einsicht ist jedoch auf die Zulässigkeit des Einspruchs begrenzt, insbes. geht sie nicht weiter als die Einspruchsbefugnis (Birkenfeld in HHSp, § 364 AO Rz. 32). Eine Einsichtnahme kann nur solange begehrt werden bis ein bestimmtes Besteuerungsverfahren bestandskräftig abgeschlossen ist (BFH v 15.09.2010, II B 4/10, BFH/NV 2011, 2; Dumke in Schwarz/Pahlke, vor § 78–133 AO Rz. 77b). Nach § 364 AO bzw. § 75 FGO sind den Beteiligten die Unterlagen der Besteuerung auf Antrag oder, wenn die Begründung des Einspruchs bzw. der Klageschrift dazu Anlass gibt, von Amts wegen mitzuteilen. Den Anforderungen dieser Regelungen ist Rechnung getragen, wenn dem Steuerpflichtigen im Verlaufe des Verfahrens – ungeachtet der bestehenden Möglichkeit zur Akteneinsicht (§ 78 FGO) – sämtliche Unterlagen, die für die Einschätzung des Sachverhalts als wertbildend anzusehen sind, zugänglich gemacht worden sind (FG Sa v. 20.12.2013, 2 V 1323/13, n. v.).

 

Tz. 2

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

vorläufig frei

B. Unterlagen der Besteuerung

 

Tz. 3

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Unterlagen der Besteuerung sind alle Beweismittel und Beweisergebnisse, wie Auskünfte, Gutachten, Zeugenaussagen, Bewertungs-, Berechnungs- und Schätzungsgrundlagen. Auch Amtshilfemitteilungen und Kontrollmitteilungen müssen dem Steuerpflichtigen bekanntgegeben werden (Seer in Tipke/Kruse, § 364 AO Rz. 4). Besteuerung ist grundsätzlich nicht nur die Steuerfestsetzung und -ermittlung; auch das Erhebungs- und Vollstreckungsverfahren gehört zum Besteuerungsverfahren i. w. S. Auch ein Schätzungsergebnis muss für den Steuerpflichtigen verständlich erläutert werden (Birkenfeld in HHSp, § 364 AO Rz. 37). Die Beteiligten müssen Gelegenheit haben, sich in angemessener Frist zu den Unterlagen zu äußern. Die Finanzbehörde muss sich mit den Einwendungen des Steuerpflichtigen sachlich auseinandersetzen.

C. Besondere Auswirkungen

 

Tz. 4

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 364 AO begründet anders als § 29 VwVfG keinen Anspruch auf Akteneinsicht. Die Gewährung von Akteneinsicht ist jedoch nicht unzulässig, sondern steht im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde und der Einsichtsuchende hat einen gerichtlich überprüfbaren Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung (BFH v. 28.05.2003, VII B 119/01, AO-StB 2004, 41; FG Münster v. 20.11.2003, 12 K 6405/02 S, DStRE 2004, 479). Dabei sollte die Finanzbehörde beachten, dass dem Einspruchsführer im finanzgerichtlichen Verfahren ein Anspruch auf Akteneinsicht zusteht. Zweckmäßig ist die Akteneinsicht, wenn der Steuerpflichtige seinen Bevollmächtigten wechselt (AEAO zu § 364, Satz 4). Dabei hat die Finanzbehörde das Steuergeheimnis von Dritten zu wahren und betreffende Aktenauszüge zu entfernen. Die Ablehnung des Antrags auf Akteneinsicht kann mit dem Einspruch angefochten werden. Urteile, die die Finanzbehörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat bzw. Berichte und Fundstellen oder Gutachten sind dem Steuerpflichtigen zu benennen und zugänglich zu machen.

D. Verletzungsfolgen

 

Tz. 5

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Ein Verstoß gegen § 364 AO führt zu einem schweren Verfahrensmangel, der nach § 100 Abs. 3 FGO zur Aufhebung der Einspruchsentscheidung führen kann. Der Verfahrensfehler kann noch während des Einspruchsverfahrens und im finanzgerichtlichen Verfahren geheilt werden. Kommt die Finanzbehörde ihrer Verpflichtung nach § 364 AO nicht nach, kann das die Aussetzung der Vollziehung (§ 361 AO) rechtfertigen (BFH v. 14.02.1984, VIII B 112/83, BStBl II 1984, 443).

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