Schrifttum

Paetsch, Persönliche Akteneinsicht durch die Beteiligten im Revisionsverfahren?, DStZ 2007, 79;

Bartone, Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs im Finanzprozess – Eine Zusammenstellung der jüngeren BFH-Rechtsprechung, AO-StB 2011, 179.

 

Tz. 1

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 78 FGO regelt das Akteneinsichtsrecht der Beteiligten. Es ist Ausfluss des grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG (s. Rz. 5). Der Anspruch auf Akteneinsicht aus § 78 Abs. 1 FGO bezieht sich ausschließlich auf das finanzgerichtliche Verfahren. Die AO kennt demgegenüber – anders als § 29 VwVfG und § 25 SGB X – keinen solchen allgemeinen Anspruch (s. § 91 AO Rz. 6). Im Verwaltungsverfahren vor den Finanzbehörden (Besteuerungsverfahren) besteht daher allenfalls ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung über einen Antrag auf Akteneinsicht (BFH v. 10.02.2011, VII B 183/10, BFH/NV 2011, 992). Ein Anspruch auf Akteneinsicht im Finanzprozess gem. § 78 FGO setzt voraus, dass die Klage und das Rechtsmittel zulässig sind. Denn bei einem unzulässigen Rechtsmittel ist die beantragte Akteneinsicht ungeeignet, der Verwirklichung des Rechtsschutzes zu dienen (z. B. BFH v. 08.04.2009, V S 1/09, BFH/NV 2009, 1442; BFH v. 26.05.2009, X B 124/08, ZSteu 2009, R682; BFH v. 26.04.2016, I B 12/16, BFH/NV 2016, 1288). Das Akteneinsichtsrecht nach § 78 FGO dient demnach allein der Prozessführung und erlischt folglich, sobald das betreffende Verfahren endgültig abgeschlossen ist (BFH v. 01.03.2016, VI B 89/15, BFH/NV 2016, 936; auch s. Rz. 10).

 

Tz. 2

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Den Anspruch auf Akteneinsicht haben grds. nur die Beteiligten (§ 57 FGO) im finanzgerichtlichen Verfahren. Am Rechtsstreit nicht Beteiligten steht das Akteneinsichtsrecht des § 78 FGO demzufolge nicht zu (BFH v. 24.02.2009, I B 172/08, juris). Wurde über das Verfahren des Klägers das Insolvenzverfahren eröffnet, steht dem Insolvenzverwalter das Akteneinsichtsrecht zu, und zwar bereits vor Aufnahme des Verfahrens (BFH v. 28.03.2007, III B 10/07, BFH/NV 2007, 1182; Bartone, AO-StB 2007, 49). Dies gilt auch für den vorläufigen "starken" Insolvenzverwalter (s. § 74 FGO Rz. 13), wenn das Insolvenzgericht während eines anhängigen finanzgerichtlichen Verfahrens die Verwaltungsbefugnis und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Klägers auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter übertragen hat. Der Kläger nicht dann nicht mehr befugt, ohne Zustimmung des Insolvenzverwalters im finanzgerichtlichen Verfahren einen Antrag zur Einsichtnahme in die Gerichtsakte zu stellen (BFH v. 16.10.2009, VIII B 346/04, BFH/NV 2010, 56 m. Anm. Bartone, jurisPR-StR 8/2010; Bartone, AO-StB 2007, 49).

 

Tz. 3

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Gegenstand des Akteneinsichtsrechts sind zum einen auf die bei dem Gericht erwachsenden Akten (Prozessakten, mit Ausnahme der in § 78 Abs. 4 FGO bezeichneten Schriftstücke. Gerichtsakten i. S. des § 78 Abs. 1 Satz 1 FGO sind die Akten, die alle das gerichtliche Verfahren betreffenden Schriftstücke enthalten; dazu gehören auch Beiakten, z. B. Akten betreffend die AdV oder die an die Verfahrensbeteiligten übermittelten Aufhebungsschreiben des Termins zur mündlichen Verhandlung, auch beigezogene Akten eines anderen Gerichts (BFH v. 30.06.1998, IX B 142/97, BFH/NV 1999, 61; BFH v. 03.08.2017, IX B 63/17, BFH/NV 2017, 1451). Zum anderen haben die Beteiligten (s. Rz. 2) nur Anspruch auf Einsicht in die dem Gericht tatsächlich vorliegenden Akten (z. B. BFH v. 16.04.2015, XI S 7/15, BFH/NV 2015, 1096; BFH v. 27.01.2016, IV B 128/15, BFH/NV 2016, 767; BFH v. 30.09.2016, X B 27/16, BFH/NV 2017, 162). Um solche Akten handelt es sich, wenn sie von der aktenführenden Behörde dem FG gem. § 71 Abs. 2 FGO vorgelegt worden sind, weil sie nach deren Ansicht den Streitfall betreffen oder weil sie von dem Gericht beigezogen worden sind (§ 71 Abs. 2 FGO; § 71 FGO Rz. 3; z. B. BFH v. 18.03.2008, V B 243/07, BFH/NV 2008, 1334; BFH v. 12.12.2012, XI B 70/11, BFH/NV 2013, 705). Dabei ist die Aktenvorlagepflicht des FA aus § 71 Abs. 2 FGO nicht erzwingbar. Auch soweit Urkundenbeweis in Betracht kommt (§ 86 FGO), können Zwangsmittel gegen die beklagte Finanzbehörde nicht angewendet werden (§ 89 FGO). Hingegen besteht kein Anspruch auf Einsicht in die dem Gericht tatsächlich nicht vorliegenden Akten (z. B. BFH v. 11.09.2013, I B 179/12, BFH/NV 2014, 48; BFH v. 05.03.2014, V B 14/13, BFH/NV 2014, 918). Ebenso wenig besteht ein Anspruch darauf, dass sich das Gericht zum Zwecke der Gewährung von Akteneinsicht Akten vorlegen lässt, die es aus seiner Sicht für seine Entscheidungsfindung nicht benötigt (BFH v. 22.01.2008, VIII B 92/07, juris; BFH v. 14.01.2011, VIII B 56/10, BFH/NV 2011, 630). Bei einer Klage auf Akteneinsicht umfasst das durch § 78 FGO gewährleistete Akteneinsichtsrecht indessen nur die Akten, die für die Frage eines etwaigen Anspruchs auf Akteneinsicht von Bedeutung sind; dazu gehören nicht die Akten, um deren Kenntnisgabe gerade gestritten wird...

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