Tz. 16

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Voraussetzungen, ob ein Verfahren öffentlich geführt werden muss, ergeben sich aus § 52 FGO i. V. mit §§ 169ff. GVG. § 119 Nr. 5 FGO bezieht sich ausdrücklich nur auf mündliche Verhandlungen, auch wenn sie in Beschlussverfahren stattfinden. Für Erörterungstermine gelten die Bestimmungen nicht; diese sind stets nicht öffentlich. Die Verletzung der Vorschriften über die Öffentlichkeit stellen aber nur dann einen absoluten Revisionsgrund dar, wenn in einem zwingend öffentlichen Verfahren die Öffentlichkeit nicht hergestellt war; dies entspricht dem Schutzzweck der Norm, der Öffentlichkeit eine "Kontrollmöglichkeit" einzuräumen (BFH v. 27.11.1991, X R 98–100/90, BStBl II 1992, 411; BFH v. 10.11.2005, VIII B 166/04, BFH/NV 2006, 752). Die Beschränkung der Öffentlichkeit muss durch das Gericht bewusst hergestellt worden sein oder auf dessen mangelnder Sorgfalt beruhen (BFH v. 21.03.1985, IV S 21/84, BStBl II 1985, 551; BFH v. 10.01.1995, IV B 108/94, BFH/NV 1995, 803). Ausreichend ist, wenn sich ein Zuschauer jederzeit Zugang verschaffen kann; auch wenn er erst nach Betätigen einer Klingel Einlass erhält oder eine Personenkontrolle durchgeführt wird. Ein fehlender Aufruf der Sache ist kein Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz. Gleiches gilt für eine unterlassene öffentliche Verkündung des Urteils (BFH v. 15.07.2015, II R 31/14, BFH/NV 2015, 1697).

Zu beachten ist, dass die Beteiligten – nicht aber die Behörde – den Ausschluss der Öffentlichkeit verlangen können (§ 52 Abs. 2 FGO).

Umgekehrt können die Beteiligten auch auf die Einhaltung der Vorschriften über die Öffentlichkeit verzichten; wegen dieser Möglichkeit des Rügeverzichts sollten etwaige Verstöße gegen Öffentlichkeitsgrundsätze bereits während der Verhandlung gerügt werden (auch s. Rz. 13; BFH v. 21.02.2017, IX B 126/16, BFH/NV 2017, 613)).

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