Tz. 12

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Hat ein Beteiligter einen Bevollmächtigten bestellt (s. § 80 Abs. 1 AO) und sind Bestellung, Name und Anschrift der Behörde mitgeteilt worden, so kann der Verwaltungsakt gem. § 122 Abs. 1 Satz 3 AO an den Bevollmächtigten bekannt gegeben werden. Ob die Behörde dies tut, steht in ihrem pflichtgemäßen Ermessen (s. § 5 AO). Kein Wahlrecht hat die Finanzbehörde nach § 122 Abs. 1 Satz 4, wenn eine schriftliche oder eine nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch übermittelte Empfangsvollmacht vorliegt. In diesem Fall ist der Verwaltungsakt dem Bevollmächtigten bekannt zu geben, solange dem Bevollmächtigten nicht eine Zurückweisung nach § 80 Abs. 7 AO wirksam bekannt gegeben worden ist (s. hierzu BFH v. 22.07.2015, V R 50/14, BFH/NV 2015, 1694). Aus der widerspruchslosen Hinnahme der Bekanntgabe von Verwaltungsakten – insbes. Steuerbescheiden – durch den Stpfl. selbst ist weder ein Widerruf der erteilten Vollmacht noch sein Einverständnis zu entnehmen, dass er auch künftig mit der Bekanntgabe von Steuerbescheiden unmittelbar ihm gegenüber einverstanden ist (BFH v. 12.03.1998, IX B 112/97, BFH/NV 1998, 941 m. w. N.). Liegt keine schriftliche Vollmacht vor, ist die Finanzbehörde gehalten, Steuerbescheide (und Einspruchsentscheidungen) dem Stpfl. persönlich bekannt zu geben, wenn nicht die besonderen Umstände des Einzelfalles das Interesse des Stpfl. an der Bekanntgabe gegenüber dem Bevollmächtigten eindeutig erkennen lassen (BFH v. 29.07.1987, I R 367/83, BStBl II 1988, 242; BFH v. 06.11.1991, II B 86/90, BFH/NV 1992, 769; BFH v. 03.02.2004, VII R 30/02, BStBl II 2004, 439, stellt klar, dass die Zustellung eines Steuerverwaltungsakts an den Stpfl. persönlich auch dann zur Bekanntgabe und dem Lauf der Rechtsbehelfsfrist führt, wenn ein Bevollmächtigter zwar bestellt, eine schriftliche Vollmacht jedoch nicht vorgelegt wurde). Im Übrigen darf die Behörde, auch wenn ihr nicht ausdrücklich ein Zustellungsbevollmächtigter benannt worden ist, sie aber bisher laufend Verwaltungsakte dem Vertreter bekannt gegeben hat, nicht willkürlich den Empfänger wechseln und sich dadurch in Widerspruch zur Handhabung im bisherigen Verlauf des Verfahrens setzen (BFH v. 13.04.1965, I 36/64 U, BStBl III 1965, 389; BFH v. 03.02.2004, VII R 30/02, BStBl II 2004, 439). Wird ein Steuerbescheid einem Stpfl. trotz Vorliegens einer Empfangsvollmacht für dessen Steuerberater bekannt gegeben, so wird der Bescheid erst wirksam, wenn der Bevollmächtigte den Bescheid durch Weiterleitung nachweislich erhalten hat (BFH v. 27.07.2001, II B 9/01, BFH/NV 2002, 8 und BFH v. 09.06.2005, IX R 25/04, BFH/NV 2006, 225). Mit diesem Zeitpunkt beginnt auch der Lauf der Rechtsbehelfsfrist (BFH v. 08.12.1988, IV R 24/87, BStBl II 1989, 346). In der Bestellung eines neuen Empfangsbevollmächtigten liegt gleichzeitig der Widerruf der Empfangsvollmacht des vorherigen Empfangsbevollmächtigten (BFH v. 18.01.2007, IV R 53/05, BStBl II 2007, 369).

Die im Einkommensteuervordruck erteilte Empfangsvollmacht gilt nur für Bescheide des betreffenden Veranlagungszeitraums. Anders verhält es sich bei der im Erklärungsvordruck zur gesonderten und einheitlichen Feststellung erteilten Empfangsvollmacht: die Bestellung eines gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten i. S. des § 183 Abs. 1 Satz 1 AO durch die Feststellungsbeteiligten wirkt regelmäßig auch für künftige Bescheide in Feststellungsverfahren, und zwar auch soweit diese zurückliegende Feststellungszeiträume betreffen (BFH v. 18.01.2007, IV R 53/05, BStBl II 2007, 369; AEAO zu § 122, Nr. 1.7.2). Ein während eines Klageverfahrens eingehender Änderungsbescheid ist i. d. R. dem Prozessbevollmächtigten bekannt zu geben (BFH 29.10.1997, X R 37/95, BStBl II 1998, 266).

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