Schrifttum

Alexy, Ermessensfehler, JZ 1996, 701;

Hain/Schette/Schmitz, Ermessen und Ermessensreduktion, AöR 122 (1997), 32;

Bartone, Gesellschafterfremdfinanzierung – Die Frage der Vereinbarkeit des § 8a KStG mit Verfassungs-, Europa- und Völkerrecht, Bielefeld 2001 (Diss. Saarbrücken, 2000);

Gersch, Überprüfung von Ermessensentscheidungen, AO-StB 2001, 76;

Stoll, Ermessen im Steuerrecht, Wien 2001;

Niemann, Ermessen, unbestimmter Rechtsbegriff und Beurteilungsspielraum bei der Abschlussprüfung, DStR 2004, 52;

Müller, Anfechtung von Ermessensentscheidungen, AO-StB 2006, 184;

Gersch, Ermessen im Steuerrecht, AO-StB 2007, 329;

Bartone, Gedanken zu den Grundsätzen der Normenklarheit und der Normenbestimmtheit als Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips, in: Rensen/Brink (Hrsg.). Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – erörtert von den wissenschaftlichen Mitarbeitern, Band I, Berlin 2008, S. 305 ff.;

Kohlhaas, Vollständiger Erlass von Säumniszuschlägen bei erfolgreichem Rechtsbehelfsverfahren, DStR 2010, 2387;

Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl., München 2017.

A. Bedeutung der Vorschrift und verfassungsmäßige Zulässigkeit von Ermessensvorschriften

 

Tz. 1

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 5 AO definiert nicht das Ermessen, sondern regelt die Anwendung des Ermessens für sämtliche Ermessensvorschriften (BFH v. 26.06.2007, VII R 35/06, BStBl II 2007, 742). Die Vorschrift setzt eine Ermächtigungsgrundlage voraus und bietet nur den Rahmen und die Grenzen der Ermessensausübung (wie § 40 VwVfG). Der Anwendungsbereich der Vorschrift erfasst hauptsächlich Steuerverwaltungsakte i. S. des § 118 AO und hat gerade für die Abwehrberatung eine große praktische Relevanz.

 

Tz. 2

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Verfassungsmäßige Bedenken gegen die Zulässigkeit von Ermessensermächtigungen sind nicht begründet. Zum einen beschränken der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) und das Prinzip der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) die Exekutive jedenfalls im Bereich der Eingriffsverwaltung auf die Ausführung der Gesetze. Diese Prinzipien gebieten eine inhaltliche Normierung der Tätigkeit der Verwaltung durch Gesetz (BVerfG v. 14.07.1998, 1 BvR 1640/97, BVerfGE 98, 218). Besonders bei belastenden Vorschriften verlangt das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) Bestimmtheit (s. Rz. 9, auch s. § 4 AO Rz. 9). Diesem Erfordernis ist aber auch bei Steuerrechtsnormen genügt, wenn der Gesetzgeber die wesentlichen Bestimmungen mit hinreichender Genauigkeit trifft. Er braucht nicht jede einzelne Frage zu entscheiden und ist hierzu angesichts der Kompliziertheit der zu erfassenden Vorgänge gar nicht in der Lage (BVerfG v. 08.08.1978, 2 BvL 8/77, BVerfGE 49, 89, 145; vgl. Bartone in Rensen/Brink, S. 305 ff.; s. Rz. 9). Zum anderen steht auch der Gleichheitssatz der gesetzlichen Einräumung von Ermessen nicht entgegen, soweit dies der Einzelfallgerechtigkeit dient (Wernsmann in HHSp, § 5 AO Rz. 36). Steuergesetze gewähren die Entscheidungsspielräume aus Gründen der Flexibilität, das Ermessen ist dabei auf den Einzelfall ausgerichtet, wie dies z. B. im Haftungsrecht (§ 191 Abs. 1 Satz 1 AO) oder im Vollstreckungsrecht (§§ 249ff. AO) geboten ist. Im Gegensatz dazu besteht eine gesetzliche Bindung, wenn das Gesetz in Tatbestand und Rechtsfolge die Voraussetzungen und den Inhalt des Verwaltungshandelns festlegt, dann existiert keine Handlungsalternative. Dies gilt namentlich für die Steuerfestsetzung (§§ 85 Satz 1, 155 Abs. 1 Satz 1 AO; s. § 155 AO Rz. 7; s. § 3 AO Rz. 14). Ausnahmsweise kann sich aber auch bei der Anwendung von Rechtsnormen, die der Finanzbehörde grds. Ermessen einräumen, im Einzelfall erweisen, dass nur eine einzige Rechtsfolge rechtmäßig ist (sog. Ermessensreduzierung auf null; s. Rz. 19)

B. Ermessensermächtigung der Finanzbehörde

I. Begriff des Ermessens und Ermessensentscheidung

 

Tz. 3

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Normen sind üblicherweise konditional aufgebaut: Sind die Tatbestandsmerkmale erfüllt, tritt die in der Norm angeordnete Rechtsfolge ein. Bei einer Ermessensnorm führt die Erfüllung des Tatbestands grds. nicht zu lediglich einer einzigen Rechtsfolge. Vielmehr wird der Behörde in diesem Fall ein Handlungsspielraum auf Rechtsfolgenseite eingeräumt. Die Behörde kann mithin zwischen mehreren rechtmäßigen Entscheidungen die sachgerechtere bzw. zweckmäßigere wählen (BFH v. 26.07.1972, I R 158/71, BStBl II 1972, 919). Das Verhalten der Verwaltung ist durch das Gesetz nicht genau vorherbestimmt, sondern es besteht innerhalb gewisser Grenzen Gestaltungsfreiheit der Verwaltung. Diese Freiheit führt jedoch nicht zu einer Beliebigkeit oder Willkür der Verwaltung. Durch das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) kann das Ermessen nur die gesetzesakzessorische und gesetzesgelenkte Wahlfreiheit der Verwaltung bei der Rechtsfolgenbestimmung bezeichnen (BFH v. 18.09.1974, II B 11/74, BStBl II 1975, 41). Ein Ermessen auf Tatbestandsseite existiert dagegen nicht. Wann ein Tatbestand erfüllt ist, muss wegen des Bestimmtheitsgrundsatzes dem Gesetz zu entnehmen sein (s. § 3 AO Rz. 17) und unterliegt der uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle.

 

Tz. 4

Stand: 22. Auflage – ET: 10/201...

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