Tz. 45

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Aussetzung der Vollziehung berührt nicht die Wirksamkeit des Verwaltungsaktes, sondern die Möglichkeit, ihn zu verwirklichen, von ihm Gebrauch zu machen. Die AdV beseitigt damit nicht die durch den Verwaltungsakt begründeten Forderungsrechte des Gläubigers und Leistungspflichten des Steuerpflichtigen. Es wird lediglich ihre Verwirklichung gehemmt.

 

Tz. 46

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Eine positive Aussetzungsentscheidung schiebt auch die Fälligkeit der ausgesetzten Forderung hinaus, mit der Folge, dass mangels Aufrechnungslage auch die Aufrechnung mit einer Gegenforderung ausgeschlossen ist. Aus dem gleichen Grund entstehen auch keine Säumniszuschläge (§ 240 Abs. 1 AO) und zwar auch dann nicht, wenn der Antragsteller später im Hauptsacheverfahren unterliegt (BFH v. 23.11.1994, V B 166/93, BFH/NV 1995, 662). Für die Zeit der Aussetzung schuldet er dann nur Aussetzungszinsen (§ 237 AO). Säumniszuschläge können dann rückwirkend aufgehoben werden, wenn die Vollziehung des Verwaltungsaktes erst nach Fälligkeit ausgesetzt wird (BFH v. 30.03.1993, VII R 37/92, BFH/NV 1994, 4). Die Aussetzung unterbricht weiterhin die Zahlungsverjährung (§ 231 Abs. 1 AO) und verbietet (weitere) Vollstreckungsmaßnahmen. Bei der AdV des Folgebescheides werden dann keine Aussetzungszinsen nach § 237 Abs. 1 Satz 2 AO erhoben, wenn der Grundlagenbescheid antragsgemäß geändert wird. Nur bei Erfolglosigkeit des Rechtsmittels gegen den Grundlagenbescheid ist der ausgesetzte Betrag des Folgebescheides zu verzinsen; die steuerlichen Auswirkungen im Folgebescheid sind dagegen nicht maßgeblich (BFH v. 22.01.2003, X B 36/03, AO-StB 2004, 4).

 

Tz. 47

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Auch die An- und Abrechnung von Vorleistungen auf die festgesetzte Steuer ist Gebrauchmachen und damit Vollziehung des Verwaltungsaktes. Ein umfassendes Verbot jeglichen Gebrauchmachens, wie es die AdV begründet, würde demnach dazu führen, dass Vorleistungen, wie Steuerabzugsbeträge, anzurechnende Körperschaftssteuer und festgesetzte Vorauszahlungen zurückgezahlt werden müssten, da mit der AdV der Steuerfestsetzung deren Rechtsgrundlage entfallen ist (BFH v. 03.07.1995, GrS 3/93, BStBl II 1995, 730). Der Gesetzgeber hat auf diese Rechtsprechung reagiert und mit § 361 Abs. 2 Satz 4 AO die Wirkung der AdV auf den Unterschiedsbetrag zwischen festgesetzter Steuer und anzurechnender Körperschaftssteuer, festgesetzten Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträgen begrenzt (mit Berechnungsbeispielen AEAO zu § 361, Nr. 4.1 bis 4.5).

 

Tz. 48

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Von der Beschränkung der AdV und der Aufhebung der Vollziehung auf den Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und den Vorleistungen macht § 361 Abs. 2 Satz 4 2. HS AO dann eine Ausnahme, wenn die Aussetzung oder Aufhebung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Wesentliche Nachteile für den Steuerpflichtigen sind dann zu bejahen, wenn durch die Beschränkung seine wirtschaftliche oder persönliche Existenz unmittelbar und ausschließlich bedroht ist (es finden die zur Regelungsanordnung in § 114 FGO aufgestellten Grundsätze Anwendung; BFH v. 02.11.1999, I B 49/99, BStBl II 2000, 57; AEAO zu § 361, Nr. 4.6.1). Nicht ausreichend ist das Erleiden eines Zinsverlustes, die Erforderlichkeit einer Kreditaufnahme oder die Einschränkung des persönlichen Lebensstandards (AEAO zu § 361, Nr. 4.6.1). Nach großzügigerer Auffassung soll der Begriff der "wesentlichen Nachteile" weit ausgelegt bereits dann eingreifen, wenn durch die Beschränkung der Aussetzung/Aufhebung solche Nachteile für den Antragsteller zu erwarten sind, die trotz Obsiegens im Hauptsacheverfahren bestehen bleiben würden und deshalb nicht zumutbar sind (Seer in Tipke/Kruse, § 69 FGO Rz. 188).

 

Tz. 49

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Aussetzung der Vollziehung hat rechtsgestaltende Wirkung für die Zukunft (ex nunc). Dabei wird der Beginn der Aussetzung regelmäßig auf den Tag der Fälligkeit oder aber, bei Antragstellung nach Fälligkeit, auf den Tag der Antragstellung verfügt. Eine rückwirkende Aussetzung der Vollziehung ist möglich, wenn die Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bereits zu diesem Zeitpunkt vorgelegen haben (BFH v. 10.12.1986, I B 121/86, BStBl II 1987, 389). Dadurch entfallen bereits entstandene Säumniszuschläge rückwirkend (Rz. 46). Bereits durchgeführte Vollstreckungsmaßnahmen müssen jedoch ausdrücklich aufgehoben werden (§ 257 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 3 AO). Wird der Beginn der AdV nicht ausdrücklich verfügt, so tritt ihre Wirkung erst mit Bekanntgabe der Aussetzungsverfügung ein (BFH v. 27.11.1991, X R 103/89, BStBl II 1992, 319). Die AdV gilt grundsätzlich nur für einen Verfahrensabschnitt und ihr Ende ist deshalb auf eine Frist nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung bzw. nach Rücknahme des Einspruchs festzulegen. Säumniszuschläge sind in vollem Umfang zu erlassen, wenn eine rechtswidrige Steuerfestsetzung aufgehoben wird und der Steuerpflichtige zuv...

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