Tz. 15

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Neben dem Vorliegen materieller Aussetzungsgründe ist zunächst zu prüfen, ob eine Aussetzung verfahrensrechtlich zulässig ist. Voraussetzung dafür ist ein schwebender Rechtsbehelf. Wird ein Antrag auf AdV gestellt, muss eine entsprechende Antragsbefugnis vorliegen.

I. Einspruchsverfahren

 

Tz. 16

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Gegen den Verwaltungsakt, dessen Vollziehung ausgesetzt werden soll, muss ein Rechtsbehelf erhoben worden sein. Die AdV setzt also ein streitiges Verfahren in der Hauptsache voraus, dass entweder ein anhängiges Klageverfahren (§ 69 FGO) oder ein finanzbehördliches Einspruchsverfahren sein kann. Die Aussetzung ist damit unzulässig, wenn der Verwaltungsakt bereits unanfechtbar geworden ist, aber auch, wenn die Rechtsbehelfsfrist zwar noch läuft, von ihr aber noch kein Gebrauch gemacht worden ist. Allein die Möglichkeit der Abänderbarkeit eines Verwaltungsaktes führt nicht zur Zulässigkeit eines AdV-Antrages (Seer in Tipke/Kruse, § 69 FGO Rz. 47; a. A. BFH v. 19.08.1969, VI B 51/69, BStBl II 1969, 685 zur Abänderbarkeit von Vorauszahlungsbescheiden). Ein schlichter Änderungsantrag nach § 172 Abs. 1 Nr. 2a AO ist kein förmlicher Rechtsbehelf, wenn auch mit gleicher Zielrichtung, und führt deshalb nicht zur Zulässigkeit der AdV. Gleiches gilt für Änderungsanträge nach §§ 164 Abs. 2, 165 Abs. 2 und 173 Abs. 1 Nr. 2 AO (Birkenfeld in HHSp, § 361 AO Rz. 151) sowie sämtliche anderen Korrekturvorschriften, die zu einer Steuerminderung führen können.

 

Tz. 17

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Der Verfahrensgegenstand im Hauptsacheverfahren und im Verfahren über die AdV muss identisch sein. Nur dann kann von der Anhängigkeit der Hauptsache gesprochen werden (BFH v. 01.04.1997, X S 3/96, BFH/NV 1997, 601). Die Zulässigkeit des Hauptsacheverfahrens ist nicht erforderlich; sie führt lediglich zur Unbegründetheit des AdV-Antrages. In welchem Stadium sich das Einspruchs- oder Klageverfahren befindet ist unerheblich. Es darf jedoch noch nicht durch Rücknahme oder Erledigungserklärung abgeschlossen sein (BFH v. 25.03.1971, II B 47/69, BStBl II 1971, 334).

 

Tz. 18

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Wird der ursprünglich angefochtene Verwaltungsakt nach § 365 Abs. 3 AO geändert, so wird der neue Verwaltungsakt auch Gegenstand des Aussetzungsverfahrens. Dies gilt nunmehr auch für die Änderung eines Verwaltungsaktes nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung erst im gerichtlichen Verfahren (§ 68 n. F. FGO). Der gerichtliche Antrag auf AdV bedarf keiner Änderung mehr (Seer in Tipke/Kruse, § 69 FGO Rz. 49).

 

Tz. 19

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Im Verhältnis eines Folgebescheides zum Grundlagenbescheid wird der Grundsatz des Anfechtungserfordernisses durchbrochen. Hier bedarf es lediglich der Anfechtung des Grundlagenbescheides. Bei AdV des angefochtenen Grundlagenbescheides ist auch die Vollziehung des Folgebescheides auszusetzen, sodass es in der Regel am Rechtsschutzbedürfnis für einen solchen AdV-Antrag hinsichtlich des Folgebescheides fehlen wird. Wird der Folgebescheid jedoch erlassen, ohne dass vorher ein Grundlagenbescheid ergangen ist, kommt auch eine AdV des Folgebescheides in Betracht (Dumke in Schwarz/Pahlke, § 361 AO Rz. 69; Seer in Tipke/Kruse, § 69 FGO Rz. 51).

 

Tz. 20

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

vorläufig frei

II. Antragserfordernis

 

Tz. 21

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 361 AO setzt keinen Antrag voraus. Die Finanzbehörde entscheidet von Amts wegen darüber, ob Aussetzung der Vollziehung zu gewähren ist. Dies hat insbes. immer dann zu geschehen, wenn der Einspruch offensichtlich begründet ist oder aber die Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer entscheidungserheblichen Norm durch das BVerfG zu erwarten ist (AEAO zu § 361, Nr. 2.1.; Seer in Tipke/Kruse, § 361 AO Rz. 3, § 69 FGO Rz. 54). Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist von Amts wegen auch die Vollziehung des Folgebescheides auszusetzen (§ 361 Abs. 3 Satz 1 AO).

 

Tz. 22

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

In der Praxis ist die AdV auf Antrag die Regel. Das Ermessen der Finanzbehörde ist dann bei Vorliegen der Aussetzungsgründe (Rz. 29) eingeschränkt. Im Regelfall "soll" Aussetzung gewährt werden, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder seine Vollziehung zu einer unbilligen Härte führt. Der Aussetzungsantrag kann zusammen mit dem Einspruch gestellt werden; kann aber noch bis zum Ende des finanzgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden (§ 69 Abs. 2 FGO). Wegen der anfallenden Aussetzungszinsen (§ 237 AO) ist gerade bei zweifelhaften Erfolgsaussichten jedoch zunächst zu prüfen, ob ein Aussetzungsantrag wirtschaftlich sinnvoll ist. Der Finanzverwaltung ist es diesbezüglich verwehrt, dem Steuerpflichtigen eine AdV mit dem Ziel aufzudrängen, dem Staat den Zinsvorteil aus § 237 AO zu verschaffen (FG Köln v. 08.09.2010, 13 K 960/08, EFG 2011, 105).

 

Tz. 23

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Selbst bei guten Erfolgsaussichten sollte aber die Einleitung jedenfalls eines gerichtlichen AdV-Verfa...

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