I. Begriffsbestimmung

 

Tz. 8

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Bei der Bestimmung, welcher Person der Verwaltungsakt bekannt zu geben ist, müssen folgende Begriffe auseinandergehalten werden (Seer in Tipke/Kruse, § 122 AO Rz. 17; AEAO zu § 122, Nr. 1.1): Inhaltsadressat ist, für wen der Inhalt der Regelung bestimmt ist; z. B. bei einem Steuerbescheid der Steuerschuldner. Bekanntgabeadressat ist, an wen der Verwaltungsakt bekannt zu geben ist. Inhaltsadressat und Bekanntgabeadressat können auseinanderfallen, z. B. in den Fällen der gesetzlichen Vertretung oder der Bekanntgabe an Bevollmächtigte.

II. Bekanntgabe an Inhaltsadressaten oder an Drittbetroffene (§ 122 Abs. 1 Satz 1 AO)

 

Tz. 9

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Der Verwaltungsakt ist nach § 122 Abs. 1 Satz 1 AO grundsätzlich demjenigen Beteiligten (s. § 78 AO) bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Der Inhaltsadressat muss im Bescheid so eindeutig bezeichnet sein, dass Zweifel über seine Identität nicht bestehen. Entscheidend ist, ob der Inhaltsadressat durch Auslegung anhand der den Betroffenen bekannten Umstände hinreichend sicher bestimmt werden kann (s. § 119 AO Rz. 4). Dabei muss der Inhaltsadressat nicht zwingend aus dem Bescheid selbst oder dem Bescheid beigefügten Unterlagen für einen Dritten erkennbar sein. Eine Bezugnahme auf einen den Betroffenen bekannten Betriebsprüfungsbericht kann daher ausreichen (BFH v. 07.11.2005, III R 8/03, BStBl II 2006, 287). Eine fehlerhafte Schreibweise des Namens ist etwa dann unerheblich, wenn kein Irrtum über die Person des Inhaltsadressaten entstehen kann. Es genügt, wenn sich der Inhaltsadressat aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes einschließlich der Gründe zweifelsfrei erschließen lässt. Die Adresse auf dem Briefumschlag ist nicht maßgeblich (BFH v. 08.02.1974, III R 27/73, BStBl II 1974, 367). Fehlt die Angabe oder ist der Inhaltsadressat nicht hinreichend bestimmt (s. § 119 AO Rz. 3) ist der Verwaltungsakt nichtig (s. § 125 AO Rz. 3). Ist ein falscher Inhaltsadressat im Bescheid angegeben, ist der Verwaltungsakt rechtswidrig, aber nicht nichtig (BFH v. 14.02.2006, II B 2/05, BFH/NV 2006, 1245 f.) und sollte daher angefochten werden.

 

Tz. 10

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Ist nicht nur der Inhaltsadressat, sondern ein Dritter durch den Verwaltungsakt beschwert und damit einspruchsbefugt, so ist der Verwaltungsakt auch dem Drittbetroffenen bekannt zu geben (s. § 122 Abs. 1 Satz 1, 2. HS AO). Die fehlende Bekanntgabe des Verwaltungsaktes an den Drittbetroffenen lässt die Wirksamkeit der Bekanntgabe an den Inhaltsadressaten unberührt (BFH v. 05.06.1991, XI R 26/89, BStBl II 1991, 820).

III. Bekanntgabe an gesetzlichen Vertreter (§ 122 Abs. 1 Satz 2 AO, § 34 AO)

 

Tz. 11

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Die in § 122 Absatz 1 Satz 2 AO angeordnete entsprechende Anwendung des § 34 Abs. 2 AO betrifft die Bekanntgabe von Verwaltungsakten an nichtrechtsfähige Personenvereinigungen ohne Geschäftsführer und nichtrechtsfähige Vermögensmassen. In Betracht kommen u. a. nicht eingetragene Vereine, BGB-Gesellschaften, Partnerschaftsgesellschaften, Erbengemeinschaften, nicht rechtsfähige Stiftungen und sonstige Zweckvermögen (s. AEAO zu § 122, Nr. 2.4). Sind nach den Steuergesetzen die Vereinigungen oder Vermögensmassen selbst und nicht (wie im Fall der Erbengemeinschaft, s. Rz. 18) nur ihre Mitglieder Beteiligte am Besteuerungsverfahren (§ 78 AO), so sind Verwaltungsakte in entsprechender Anwendung des § 34 Abs. 2 AO entweder allen bekannt zu geben, die zur Personenvereinigung gehören bzw. denen das Vermögen zusteht, oder nach Wahl der Finanzbehörde an einen von ihnen unter dem geschäftsüblichen Namen (AEAO zu § 122, Nr. 2.4.1.3).

IV. Bekanntgabe an Bevollmächtigten (§ 122 Abs. 1 Satz 3 und 4 AO)

 

Tz. 12

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Hat ein Beteiligter einen Bevollmächtigten bestellt (s. § 80 Abs. 1 AO) und sind Bestellung, Name und Anschrift der Behörde mitgeteilt worden, so kann der Verwaltungsakt gem. § 122 Abs. 1 Satz 3 AO an den Bevollmächtigten bekannt gegeben werden. Ob die Behörde dies tut, steht in ihrem pflichtgemäßen Ermessen (s. § 5 AO). Kein Wahlrecht hat die Finanzbehörde nach § 122 Abs. 1 Satz 4, wenn eine schriftliche oder eine nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch übermittelte Empfangsvollmacht vorliegt. In diesem Fall ist der Verwaltungsakt dem Bevollmächtigten bekannt zu geben, solange dem Bevollmächtigten nicht eine Zurückweisung nach § 80 Abs. 7 AO wirksam bekannt gegeben worden ist (s. hierzu BFH v. 22.07.2015, V R 50/14, BFH/NV 2015, 1694). Aus der widerspruchslosen Hinnahme der Bekanntgabe von Verwaltungsakten – insbes. Steuerbescheiden – durch den Stpfl. selbst ist weder ein Widerruf der erteilten Vollmacht noch sein Einverständnis zu entnehmen, dass er auch künftig mit der Bekanntgabe von Steuerbescheiden unmittelbar ihm gegenüber einverstanden ist (BFH v. 12.03.1998, IX B 112/97, BFH/NV 1998, 941 m. w. N.). Liegt keine schriftliche Vollmacht vor, ist die Finanzbehörde gehalten, Steuerbescheide (und Einspruchsentscheidungen) dem Stpfl. persönlich bekannt zu geben, wenn nicht die besonderen Umstände des Einzelfalles das Interesse des Stpfl. an der Bekanntgabe gegenüber dem Bevollmächtigten eindeutig erke...

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