Tz. 1

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Wie § 173 VwGO für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und § 202 SGG für die Sozialgerichtsbarkeit, so verweist auch § 155 Satz 1 FGO für die Finanzgerichtsbarkeit zur Ausfüllung von Lücken auf das für die ordentlichen Gerichte geltende GVG (vgl. § 10 GVG) und, soweit nicht grundsätzliche Unterschiede entgegenstehen, auch auf die ZPO. Das Vorliegen einer Lücke ist unabdingbare Voraussetzung für die Anwendung der ZPO und des GVG über die Generalklausel des § 155 Satz 1 FGO (BFH v. 06.08.1971, III B 7/71, BStBl II 1972, 17). Daneben finden sich in der FGO besondere Einzelverweisungen (z. B. §§ 52 Abs. 1, 54 Abs. 2, 59, 82, 89, 94, 114 Abs. 3, 134, 142 FGO).

 

Tz. 2

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Nicht anwendbar sind all diejenigen Vorschriften dieser Gesetze, die grundsätzlichen Eigenständigkeiten der FGO widersprechen. Das trifft in erster Linie für Regelungen zu, welche die uneingeschränkte Verfügung der Parteien/Beteiligten über den Streitgegenstand voraussetzen (Verfügungsgrundsatz), wie z. B. Verzicht, Anerkenntnis (hierzu auch Völker, DStZ 1992, 207; offengelassen: FG Ha v. 04.12.2013, 3 KO 232/13, juris) und Vergleich (§§ 306, 307 ZPO), ferner das Tatsachengeständnis (§ 288 ZPO). Der für die FGO geltende Grundsatz der Ermittlung des Sachverhaltes von Amts wegen (§ 76 FGO) lässt keinen Raum für eine (subjektive) Beweislast (§ 282 ZPO); etwas anderes gilt für die objektive Feststellungslast (s. § 76 FGO Rz. 4). Derselbe Grundsatz und der öffentlich-rechtliche Charakter der Abgabenschuldverhältnisse stehen auch der Anwendung der restriktiven Vorschriften der ZPO über den Urkundenbeweis entgegen (§§ 415 bis 444 ZPO); Näheres hierzu bei § 82 FGO Rz. 10. Zum Teil bedarf es auch der Rücksicht auf entsprechende Regelungen des Besteuerungsverfahrens, z. B. hinsichtlich des Zeugnisverweigerungsrechtes (§ 84 FGO), das nicht abweichend von dem Auskunftsverweigerungsrecht gestaltet werden kann, das dritten Personen gem. den §§ 101 bis 103 AO zusteht. Die Sonderstellung, die der Abgabengläubiger im Vollstreckungsverfahren einnimmt (s. Vor § 249–346 AO Rz. 14), lässt keinen Raum für ein Mahnverfahren (§§ 688ff. ZPO).

 

Tz. 3

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Nicht anwendbar sind auch diejenigen Vorschriften, hinsichtlich deren Gegenstand die FGO eine der öffentlich-rechtlichen Natur der Abgabenstreitsachen gemäßere Regelung getroffen hat, wie z. B. in Gestalt der Beiladung (§ 60 FGO), die keinen Raum für die Anwendung der Vorschriften über die Beteiligung Dritter am Rechtsstreit lässt (§§ 64 bis 77 ZPO, Intervention und Streitverkündung). Vgl. im Übrigen ausführlich Brandis in Tipke/Kruse, § 155 FGO Rz. 2; Schwarz in HHSp, § 155 Rz. 20 ff.; Stiepel in Gosch, § 155 FGO Rz. 22 ff.; auch Stapperfend in Gräber, § 155 FGO Rz. 7 ff.

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