Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG): Terminsgebühr nach gerichtlichem Hinweis und nach Rechtsmittel-Rücknahme?

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei nach gerichtlichem Hinweis zurückgenommener Revision und rechtzeitig vor dem ursprünglich vorgesehenen Verhandlungstermin eingestelltem Revisionsverfahren entsteht keine Terminsgebühr.

2. Die Rechtsmittel-Rücknahme stellt kein Anerkenntnis dar; die streitige Anwendbarkeit von § 307 ZPO i. V. m. § 155 FGO bleibt offen.

 

Normenkette

FGO §§ 90, 121, 125, 139, 149, 155; RVG-VV Nrn. 3210, 3202, 3104; ZPO §§ 307, 522

 

Gründe

A.

I.

Streitig ist die Entstehung und Erstattung einer anwaltlichen Terminsgebühr für die Klägerin im Revisionsverfahren I R 28/12 nach Ladung vom 24. April 2013 zur mündlichen Verhandlung vor dem BFH am 26. Juni 2013.

1. In der Ladung ist hingewiesen worden auf ein vorangegangenes Parallelverfahren mit Revisionsrücknahme des dort beklagten Finanzamts. Nach Abweichung der dortigen Vorinstanz von dem gleichermaßen einschlägigen BMF-Schreiben sei eine dortige Abstimmung mit dem BMF vor der dortigen Revisionsrücknahme zu unterstellen (FG-A Bl. 187). Zugleich ist den Beteiligten ein 2-seitiger Sachstand als Anlage zur Ladung übersandt worden (FG-A Bl. 188 f.).

Daraufhin hat das hier beklagte Finanzamt (FA) seine Revision I R 28/12 zurückgenommen, hat der BFH deswegen das Revisionsverfahren mit Beschluss vom 5. Juni 2013 auf Kosten des beklagten FA eingestellt (FG-A Bl. 181, 181b, 185) und ist die mündliche Verhandlung entfallen.

2. Eine außergerichtliche - etwa (i. S. v. Vorbem. 3 Abs. 3 Nr. 2 RVG-VV) auf die Erledigung des Verfahrens gerichtete - Besprechung der Beteiligten hat während des Revisionsverfahrens nicht stattgefunden.

II.

1. Die Klägerin hat mit ihrem Kostenfestsetzungsgesuch vom 20. (eingeg. 21.) Juni 2013 nach einem Streitwert von 30.000.000 Euro - neben unstreitigen Positionen - die hier in Rede stehende 1,5 Terminsgebühr von 137.244 Euro geltend gemacht (FG-A Bl. 182 ff., 184).

2. Nach beiderseitigen weiteren Stellungnahmen (FG-A Bl. 192 ff., 194 ff. = 197 ff., 200 ff.) hat die Kosten- und Urkundsbeamtin im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 1. Oktober 2013 die Terminsgebühr von den zu erstattenden Kosten abgesetzt (FG-A Bl. 204 ff.).

III.

1. Die Klägerin hat am 10. Oktober 2013 Erinnerung eingelegt und trägt im Wesentlichen vor (FG-A Bl. 212 ff. = 216 ff., 225 ff. = 229 ff., 234 ff.):

Die Terminsgebühr nach Nr. 3210 RVG-VV i. V. m. Nr. 3104 Anm. Abs. 1 Nr. 1 RVG-VV in einem Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung entstehe ohne letztere auch nach einem auf die Unbegründetheit des Rechtsmittels hinweisenden Beschluss und anschließender Rücknahme des Rechtsmittels (Hinweis auf Schons in Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2006, VV Nr. 3104 Rn. 16 mit Verweis auf Gebauer/Wahlen in Gebauer/Schneider, RVG, VV Nr. 3104 Rn. 18). Der vom BFH in der Ladung schriftlich übermittelte Hinweis habe den Charakter eines Hinweisbeschlusses und habe zur Rücknahme der Revision durch das FA geführt. Mit der Revisionsrücknahme des FA sei konkludent auf mündliche Verhandlung verzichtet worden. Auch für sie - die Klägerin - könne danach das Einverständnis mit einer Verfahrenserledigung ohne mündliche Verhandlung bei vollumfänglicher Klagezielerreichung angenommen werden.

2. Das FA erwidert (FG-A Bl. 220 ff.):

Der BFH habe keine Entscheidung i. S. d. Nr. 3104 RVG-VV getroffen. Der in dem Ladungsschreiben enthaltene Hinweis mit der Information über die Klagerücknahme in einem anderen Verfahren sei kein Hinweisbeschluss und ein solcher wäre keine Entscheidung i. S. v. Nr. 3104 RVG-VV. Zu einer Entscheidung i. S. d. Vorschrift sei es nach der Revisionsrücknahme gerade nicht mehr gekommen. Auch der Beschluss über die Verfahrenseinstellung stelle keine Entscheidung i. S. v. Nr. 3104 RVG-VV dar (Hinweis auf FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 18.04.2013 8 KO 508/12, Juris).

IV.

Der Erinnerung der Klägerin vom 10. Oktober 2013 hat die Kosten- und Urkundsbeamtin nicht abgeholfen (FG-A Bl. 233).

B.

I.

Die Erinnerung ist unbegründet. Zu Recht hat die Kosten- und Urkundsbeamtin keine nach § 139, § 149 FGO zugunsten der Klägerin vom FA zu erstattende Terminsgebühr für das Revisionsverfahren festgesetzt (§§ 2, 13 RVG).

1. Im Revisionsverfahren ist keine Terminsgebühr entstanden (§§ 2, 13 RVG), und zwar weder

- gemäß Nr. 3210 RVG-VV aufgrund mündlicher Verhandlung,

- gemäß Nr. 3210 i. V. m. Nr. 3202 Anm. Abs. 2 RVG-VV aufgrund Entscheidung nach § 90a, § 79a oder § 94a FGO durch Gerichtsbescheid (§ 79a oder § 94a FGO kommen im Revisionsverfahren gemäß § 121 Satz 2 FGO ohnehin nicht in Betracht.),

- gemäß Nr. 3210 i. V. m. Nr. 3104 Anm. Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 RVG-VV aufgrund Entscheidung im Einverständnis der Beteiligten mit einer Entscheidung ohne die vorgeschriebene mündliche Verhandlung (sog. Verzicht auf mündliche Verhandlung) nach § 90 Abs. 2 FGO (unten 2-3),

- gemäß Nr. 3210 i. V. m. Nr. 3104 Anm. Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 RVG-VV aufgrund Entscheidung ohne die vorgeschriebene mü...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Kühn, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung (Schäffer-Poeschel). Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge