Tz. 103

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 171 Abs. 10 Satz 1 AO ordnet an, dass die Finanzbehörde innerhalb von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheides den Folgebescheid ändern muss (§ 361 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 2 AO; ebenso Banniza in HHSp, § 171 AO Rz. 218; Kruse in Tipke/Kruse, § 171 AO Rz. 96; zur "Folgeaussetzung" s. § 361 Abs. 3 Satz 1 AO, § 69 Abs. 2 Satz 3 FGO). Für den Fristbeginn ist nach dem Wortlaut des § 171 Abs. 10 Satz 1 AO maßgebend die Bekanntgabe des Grundlagenbescheids (§ 122 AO) an den/die Adressaten; der Fristbeginn setzt nicht voraus, dass der Grundlagenbescheid unanfechtbar geworden ist (BFH v. 19.01.2005, X R 14/04, BStBl II 2005, 242; BFH v. 27.11.2013, II R 57/11, BFH/NV 2014, 596; Paetsch in Gosch, § 171 AO Rz. 173; Banniza in HHSp, § 171 AO Rz. 221). Voraussetzung ist jedoch ein wirksamer Grundlagenbescheid. Stellt die Finanzbehörde durch Verwaltungsakt die Nichtigkeit eines Grundlagenbescheids fest (§ 125 Abs. 5 AO), ist der Folgebescheid gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zu ändern. Zugleich bewirkt die Nichtigkeitsfeststellung die Hemmung des Ablaufs der Festsetzungsfrist für den Folgebescheid nach § 171 Abs. 10 AO (BFH v. 20.08.2014, X R 15/10, BStBl II 2015, 109). Ist die Rechtmäßigkeit des Grundlagenbescheids Gegenstand eines finanzgerichtlichen Verfahrens und wird er durch das Gericht aufgehoben oder geändert, wird dies nicht schon mit Bekanntgabe, sondern erst mit Rechtskraft des Urteils wirksam. Erst zu diesem Zeitpunkt beginnt die Zweijahresfrist (s. § 151 Abs. 2 Nr. 1 FGO; gl. A. Banniza in HHSp, § 171 AO Rz. 223; Kruse in Tipke/Kruse, § 171 AO Rz. 98; ebenso allgemein zu Änderungsbescheiden: Söhn, DStZ 2002, 811, 812). Bei Bekanntgabe an mehrere Adressaten ist jeweils der Zeitpunkt maßgebend, zu dem der Grundlagenbescheid dem einzelnen Adressaten bekannt gegeben worden ist (BFH v. 27.04.1993, VIII R 27/92, BStBl II 1994, 3).

 

Tz. 104

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Finanzbehörde kann nach § 171 Abs. 10 Satz 4 AO die Auswertung von Grundlagenbescheiden noch über den Zweijahreszeitraum hinaus zurückstellen, wenn wegen eines anderen Teils des Steueranspruchs die Festsetzungsfrist wegen einer Außenprüfung nach § 171 Abs. 4 AO gehemmt ist. Hierdurch wird der Finanzbehörde ermöglicht, die Änderung des Folgebescheides nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO zugleich mit der Auswertung der Feststellungen der Außenprüfung vornehmen zu können (Cöster in Koenig, § 171 AO Rz. 157). § 171 Abs. 10 Satz 4 AO verhindert, dass für den vom Grundlagenbescheid erfassten Teil der Folgesteuer Teilverjährung eintritt. Voraussetzung hierfür ist, dass nach Ablauf der zweijährigen Frist die Festsetzungsfrist hinsichtlich des vom Grundlagenbescheid nicht erfassten Teils der Folgesteuer noch nach § 171 Abs. 4 AO gehemmt ist.

 

Tz. 105

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 171 Abs. 10 Satz 1 AO bewirkt eine Ablaufhemmung für die Festsetzung der Folgesteuer, soweit und solange in offener Feststellungsfrist ein Grundlagenbescheid, der für die Festsetzung der Folgesteuer bindend ist, noch zulässig ergehen kann (BFH v. 27.11.2013, II R 57/11, BFH/NV 2014, 596). Die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 AO tritt daher auch dann ein, wenn die ursprüngliche Festsetzungsfrist für den Folgebescheid – bei Außerachtlassung des noch offenen Verfahrens über den Grundlagenbescheid – bei Ergehen des Grundlagenbescheids bereits abgelaufen gewesen wäre (BFH v. 27.01.2016, X R 53/14, BFH/NV 2016, 889). Ein nach Ablauf der Feststellungsfrist ergangener Grundlagenbescheid kann somit nur hinsichtlich der Folgebescheide, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist, verjährungshemmende Wirkung entfalten (BFH v. 30.11.1999, IX R 41/97, BStBl II 2000, 173; Kruse in Tipke/Kruse, § 171 AO Rz. 88; Paetsch in Gosch, § 171 AO Rz. 169). Eine abweichende Auffassung vertritt der BFH in einem anderen Urteil (BFH v. 19.01.2005, X R 14/04, BStBl II 2005, 242), wonach die Anfechtung eines Grundlagenbescheids mit Einspruch oder Klage nicht dazu führt, dass die für die Festsetzung der Folgesteuern maßgebender Festsetzungsfrist bis zur Unanfechtbarkeit des Feststellungsbescheids gehemmt wird. Die Zulässigkeit des Erlasses eines solchen gesonderten Feststellungsbescheides richtet sich allein nach § 181 Abs. 5 AO. § 171 Abs. 10 AO bleibt insoweit außer Betracht (s. Rz. 96; § 181 Abs. 5 Satz 1, letzter HS AO).

 

Tz. 105a

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Wird von dem betroffenen Stpfl. vor Ablauf der zweijährigen Auswertungsfrist ein Antrag auf Änderung des Folgebescheids gestellt, führt dies zu einer (weiteren) Ablaufhemmung in Bezug auf den Folgebescheid nach § 171 Abs. 3 AO (BFH v. 27.11.2013, II R 57/11, BFH/NV 2014, 596). Aus dem Antrag muss auch hinreichend konkret hervorgehen, inwieweit der Stpfl. die Änderung des Folgebescheids begehrt (BFH v. 14.01.1998, X R 84/95, BStBl II 1999, 203; BFH v. 27.11.2013, II R 57/11, BFH/NV 2014, 596; Banniza in HHSp, § 171 AO Rz. 39; Kruse in Tipke/Kruse, §...

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