Leitsatz

Eine als selbstständige Musiklehrerin arbeitende Erzieherin kann sich auf die EU-Vorschriften zur Umsatzsteuerfreiheit für Privatlehrer berufen. Der Begriff "Schul- und Hochschulunterricht" beschränkt sich dabei nicht auf Unterricht, der zu einer Abschlussprüfung o. Ä. führt, sondern schließt Tätigkeiten ein, bei denen Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler weiterentwickelt werden.

 

Sachverhalt

Im Rahmen einer Franchising-Vereinbarung mit einer Musikschule betreibt eine Erzieherin als Einzelunternehmerin eine Musikschule, indem sie in angemieteten Schulräumen erste melodische Ausbildungen für kleine Kinder und Musikunterricht, der auch auf Musikprüfungen vorbereitet, durchführt. Sie war der Ansicht, dass ihre Umsätze als Musiklehrerin wie die einer Privatlehrerin steuerfrei seien und berief sich auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystemRL 2006/112/EG.

 

Entscheidung

Vor dem FG hatte die Erzieherin Erfolg. Der Begriff des Privatlehrers setze keinen bestimmten Ausbildungsgang voraus. Das Gericht verwies insoweit auf die Urteile des FG Hamburg v. 16.6.2011, 6 K 165/10 und des Niedersächsischen Finanzgerichtes v. 19.12.2011, 5 K 370/11. Zwar weisen Umsätze der Antragstellerin nicht die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 21 UStG auf. Jedoch gelte auch hier die europäische MwStSystemRL für die Steuerfreistellung von Unterrichtsleistungen durch Privatlehrer, die durch den nationalen Gesetzgeber nicht ausreichend umgesetzt worden sei. Danach beschränke sich der Begriff "Schul- und Hochschulunterricht" nicht auf Unterricht, der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer Qualifikation führt oder eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt, sondern schließe andere Tätigkeiten ein, bei denen die Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt wird, um die Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler oder Studierenden zu entwickeln, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben (EuGH, Urteil v. 14.6.2007, C-445/05, Haderer, UR 2007, S. 592, Rz 26; EuGH, Urteil v. 28.1.2010, C-473/08 - Eulitz GbR, UR 2010, S. 174, Rz 30). Es gebe keine Zweifel, dass der von der Antragstellerin erteilte Unterricht geeignet sei, die Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler zu entwickeln. Denn Musikunterricht gehöre zu den klassischen Schulfächern und könne letztlich Grundlage für eine Berufsausbildung als Musiker oder Musiklehrer sein.

 

Hinweis

Interessant im entschiedenen Fall war auch die Tatsache, dass die Musiklehrerin als Franchisenehmerin tätig war. Trotzdem bejahte das Gericht ihre unmittelbare Rechtsbeziehung zu ihren Schülern. Der Franchisenehmer erwerbe das Recht, eine eingeführte Marke nutzen zu dürfen, erbringe die Leistungen an Endkunden aber im eigenen Namen (Müller, UR 2008, S. 365; Weimann, Umsatzsteuer-Berater 2008, S. 267). Daran habe der Franchisegeber ein ausgeprägtes Interesse, weil auf diese Weise das Akquisitions- und Beitreibungsrisiko beim Franchisenehmer liege.

 

Link zur Entscheidung

FG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26.03.2013, 7 V 7361/12

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