Leitsatz

1. Eine Auflassungsvormerkung steht der Rückgängigmachung eines Kaufvertrags i.S.des § 16 Abs. 1 GrEStG dann entgegen, wenn der Erwerber dem Notar im notariellen Kaufvertrag lediglich die – unwiderrufliche – Vollmacht erteilt hat, die Löschung einer Auflassungsvormerkung bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen selbst zu bewilligen; denn vor Erstellung der entsprechenden Urkunde durch den Notar liegt noch keine Löschungsbewilligung in grundbuchrechtlich gebotener Form vor.

2. Eine Abtretungsanzeige, die eingeht, bevor der abzutretende Anspruch auf Erstattung von Grunderwerbsteuer nach Rücktritt vom Kaufvertrag gemäß § 16 Abs. 1 GrEStG entstanden ist, ist unwirksam.

 

Normenkette

§ 16 Abs. 1 GrEStG, § 37, § 46 Abs. 2, § 218 Abs. 2 AO, § 19, § 29 GBO

 

Sachverhalt

Die Klägerin veräußerte ein Grundstück. In dem Kaufvertrag vereinbarten die Vertragsparteien u.a. Folgendes:

"Der Käufer verpflichtet sich, die Auflassungsvormerkung am Kaufgegenstand wieder löschen zu lassen, wenn der Verkäufer von diesem Kaufvertrag zurückgetreten ist. Zu diesem Zweck wird der Notar vom Käufer unwiderruflich bevollmächtigt, ermächtigt und beauftragt, die am Kaufgegenstand einzutragende Auflassungsvormerkung wieder löschen zu lassen und im Namen des Käufers die Löschung der Auflassungsvormerkung zu bewilligen und zu beantragen und dem Grundbuchamt zum Vollzug vorzulegen, wenn (kumulativ) …"

Das FA setzte die GrESt gegenüber der Erwerberin fest, die diese zahlte. Nachdem die Erwerberin jedoch den Kaufpreis nicht entrichtet hatte, trat die Klägerin vom Kaufvertrag zurück. Die Erwerberin trat einen Anspruch auf GrESt an die B-Gesellschaft ab, die den Formvorschriften entsprechende Abtretungsanzeige ging am 23.4.2015 beim FA ein. Der Notar erstellte am 24.4.2015 die Löschungsbewilligung und versendete den Antrag auf Löschung der Auflassungsvormerkung am selben Tag an das Grundbuchamt. Die Löschung der Auflassungsvormerkung erfolgte am 7.5.2015. Am 18.5.2015 erließ das AG einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zugunsten der Klägerin zur Einziehung über einen Betrag von knapp 840.000 EUR gegen die Erwerberin, der dem FA am 20.5.2015 zugestellt wurde. Das FA hob den GrESt-Bescheid am 22.5.2015 auf. Gegen den Erstattungsanspruch rechnete das FA mit Säumniszuschlägen i.H.v. etwa 67.000 EUR auf. Den Restbetrag i.H.v. rund 1.485.000 EUR erstattete das FA am 2.6.2015 an den Abtretungsempfänger, die B-Gesellschaft.

Auf Antrag der Klägerin erließ das FA einen Abrechnungsbescheid und vertrat die Ansicht, dass der Anspruch aus § 16 Abs. 1 GrEStG nach den Vereinbarungen im Kaufvertrag am 21.4.2015 entstanden sei, nämlich zehn Werktage nach der Rücktrittsmitteilung des Notars an die Erwerberin. Damit sei die Abtretung wirksam und der Erstattungsbetrag zu Recht an die Abtretungsempfängerin gezahlt worden.

Nach erfolglosem Einspruch hatte die Klage Erfolg. Das FG urteilte, der Rückforderungsanspruch hinsichtlich der Grunderwerbsteuer sei erst mit Eingang der Löschungsbewilligung im Grundbuchamt nach dem 24.4.2015 entstanden (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.12.2018, 12 K 12116/16, Haufe-Index 15141500, EFG 2019, 1160).

 

Entscheidung

Die Revision des FA hatte aus den unter den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen keinen Erfolg.

 

Hinweis

1. Im Streitfall ging es um einen Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 AO, der im Kern auch die Frage klären sollte, wann der Anspruch auf Rückzahlung der bereits entrichteten GrESt (§ 16 Abs. 1 GrEStG) entstanden war. Davon hing ab, ob die Abtretung des GrESt-Erstattungsanspruchs durch den Erwerber vorrangig gegenüber der Pfändung dieses Anspruchs durch die Klägerin (Veräußerin) war.

2. Nach § 46 Abs. 1 AO können u.a. Erstattungsansprüche abgetreten werden. Die Abtretung wird nach § 46 Abs. 2 AO jedoch erst wirksam, wenn sie der Gläubiger in der gesetzlich vorgeschriebenen Form nach Entstehung des Anspruchs anzeigt.

Im Streitfall hatte die Grundstückserwerberin einen Anspruch auf Rückzahlung der bereits entrichteten GrESt aus § 16 Abs. 1 GrEStG an die B-Gesellschaft abgetreten. Dabei handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung um einen eigenständigen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis i.S.v. § 37 Abs. 1 AO.

3. Um die Frage der Wirksamkeit der Abtretung zu beantworten, musste der BFH klären, wann der Anspruch aus § 16 Abs. 1 GrEStG im Streitfall entstanden war.

Nach § 16 Abs. 1 GrEStG wird eine Steuerfestsetzung auf Antrag aufgehoben, wenn ein Erwerbsvorgang unter den in Nr. 1 oder Nr. 2 aufgestellten Voraussetzungen rückgängig gemacht wird, bevor das Eigentum am Grundstück auf den Erwerber übergegangen ist. Allein die zivilrechtliche (formale) Aufhebung des Rechtsgeschäfts reicht nicht aus. "Rückgängig gemacht" ist ein Erwerbsvorgang vielmehr erst dann, wenn sich die Vertragspartner über die zivilrechtliche Aufhebung des Rechtsgeschäfts hinaus derart aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen haben, dass die Möglichkeit zur Verfügung über das Grundstück nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer sein...

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