Entscheidungsstichwort (Thema)

Zeitpunkt der Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs bei Vollmachtserteilung an den Notar, die Löschung einer Auflassungsvormerkung zu bewilligen. Unwirksamkeit einer vor Entstehung des abgetretenen Anspruchs eingegangenen Abtretungsanzeige

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die (tatsächliche und vollständige) Rückgängigmachung eines Grundstückskaufvertrags im Sinne des § 16 Abs. 1 GrEStG setzt voraus, dass die Parteien vom Vollzug des unwirksamen Rechtsgeschäfts Abstand nehmen und sich gegenseitig die etwa ausgetauschten Leistungen zurückgewähren. Dazu muss insbesondere eine zugunsten des Erwerbers eingetragene Auflassungsvormerkung gelöscht werden.

2. Ausnahmsweise kann bereits vor der tatsächlichen Löschung einer Auflassungsvormerkung im Grundbuch von einer Rückgängigmachung auszugehen sein, wenn der Erwerber dem Notar im notariellen Kaufvertrag die unwiderrufliche Vollmacht erteilt hat, die Löschung einer Auflassungsvormerkung bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen selbst zu bewilligen, und wenn die nach Eintritt der Bedingungen von dem Notar erstellte Löschungsbewilligung entweder dem Veräußerer persönlich vorliegt oder beim zuständigen Grundbuchamt eingegangen ist.

3. Eine Abtretungsanzeige, die eingeht, bevor der abzutretende Anspruch auf Erstattung von Grunderwerbsteuer nach Rücktritt vom Kaufvertrag gemäß § 16 Abs. 1 GrEStG entstanden ist, ist unwirksam. Die Unwirksamkeit wird nicht durch die spätere Entstehung des Steueranspruchs geheilt; die Anzeige muss wiederholt werden.

 

Normenkette

GrEStG § 16 Abs. 1 Nr. 1; AO §§ 37, 46 Abs. 1-2, § 218 Abs. 2; GBO §§ 19, 29

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 21.12.2021; Aktenzeichen VII R 5/19)

 

Tenor

Der Abrechnungsbescheid zur Grunderwerbsteuer vom 15.02.2016 und die Einspruchsentscheidung vom 30.03.2016 werden dahingehend geändert, dass ein auszuzahlender Betrag in Höhe von 107.262,19 Euro zugunsten der Klägerin ausgewiesen wird.

Die Revision wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Klägerin veräußerte mit notariellem Kaufvertrag vom 6./7. August 2014 an die B… ApS des Rechtsanwalts C… als amtlich bestellter Vertreter des Notars D… (UrkR …/2014) ein in E…, F…-straße und gelegenes Grundstück zu einem Kaufpreis von EUR 25.700.000.

Der Kaufvertrag enthielt unter III.2. zur Rückabwicklung folgendes:

„… Der Käufer verpflichtet sich, die Auflassungsvormerkung am Kaufgegenstand wieder löschen zu lassen, wenn der Verkäufer von diesem Kaufvertrag zurückgetreten ist. Zu diesem Zweck wird der Notar vom Käufer unwiderruflich bevollmächtigt, ermächtigt und beauftragt, die am Kaufgegenstand einzutragende Auflassungsvormerkung wieder löschen zu lassen und im Namen des Käufers die Löschung der Auflassungsvormerkung zu bewilligen und zu beantragen und dem Grundbuchamt vorzulegen, wenn (kumulativ)

  1. der Verkäufer dem Notar schriftlich mitgeteilt hat, dass er … wegen der nicht rechtzeitigen Zahlung des Kaufpreises … vom Kaufvertrag zurückgetreten ist und
  2. der Käufer dem Notar auf schriftliche Anforderung hin nicht innerhalb von 10 Werktagen die Ausfertigung einer gerichtlichen Entscheidung vorlegt, wonach dem Verkäufer die Mitwirkung an der Löschung der Auflassungsvormerkung untersagt und/oder ihm aufgegeben wird, den Notar anzuweisen, die Löschung der Auflassungsvormerkung des Käufers nicht zu bewilligen und zu beantragen.” …

Die aus dem Grundstückskaufvertrag resultierende Grunderwerbsteuer wurde mit Bescheid vom 2. September 2014 gegenüber der B… ApS in Höhe von 6 % des Kaufpreises auf EUR 1.552.000 festgesetzt und von dieser auch gezahlt.

Wegen Zahlungsverzug der B… ApS trat die Klägerin mit Schreiben vom 2. April 2015 vom Kaufvertrag zurück. Entsprechend der Regelungen im Kaufvertrag teilte der Notar den Rücktritt der Klägerin gegenüber dem Käufer, der B… ApS, mit Einschreiben/Rückschein vom 7. April 2015 und dem Beklagten mit Schreiben vom 27. April 2015 mit.

Die B… ApS und die G… AS unterzeichneten mit Datum vom 15. April 2015 auf einem Formblatt eine Abtretungsanzeige hinsichtlich des Anspruchs der B… ApS auf Grunderwerbsteuererstattung gegen den Beklagten zugunsten der G… AS. Diese Abtretungsanzeige wurde dem Beklagten zusammen mit einem Antrag auf Aufhebung der Grunderwerbsteuerfestsetzung am 16. April 2015 per Telefax mit dem Zusatz „Vorab per Telefax” an den Beklagten versendet. Das Original ging beim Beklagten am 23. April 2015 ein.

Mit Einwurf-Einschreiben vom 24. April 2015 sandte der Notar die Löschungsbewilligung für die Auflassungsvormerkung an das Grundbuchamt beim Amtsgericht E… und setzte per E-Mail vom gleichen Tag die Klägerin über den Versand der Löschungsbewilligung in Kenntnis; der Mail war im Anhang eine Kopie der Löschungsbewil...

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