Die Vorschläge der Europäischen Kommission zur Aktualisierung der Mehrwertsteuervorschriften für die Einführung einer fiktiven Leistungskette bei kurzfristiger Unterkunftsvermietung und Personenbeförderung zum 1.1.2025 enthalten eine recht unsystematische neue Regelung zur Erhebung der Mehrwertsteuer für Unterkünfte und Verkehrsmittel. Die Kommission zielt im Wesentlichen darauf ab, auf die kurzfristige Unterkunftsvermietung oder Personenbeförderung auch dann Mehrwertsteuer zu erheben, wenn diese Leistungen durch Vermieter/Fahrer erbracht werden, welche im Wesentlichen nicht zur Abführung der Mehrwertsteuer verpflichtet sind (bzw. durch Kleinunternehmer). Zu diesem Zweck sollen Plattformbetreiber, welche solche Leistungen künftig "unterstützen", so behandelt werden, als hätten sie selbst diese Leistungen empfangen und erbracht. Die Leistung des Vermieters/Fahrers für den Plattformbetreiber soll steuerfrei sein, ohne dass der Dienstleistungserbringer ein Recht auf Vorsteuerabzug haben soll. Die Leistung des Plattformbetreibers an den Kunden unterliegt den allgemeinen Besteuerungsregeln. Diese "Unterstützungsdienstleistung" des Plattformbetreibers soll für Zwecke der Ortsbestimmung als Vermittlerdienstleistung gelten, wenn die fiktive Leistung an eine nichtsteuerpflichtige Person erbracht wird. Als Ort der Vermittlerdienstleistung des Plattformbetreibers an eine nichtsteuerpflichtige Person soll sodann der Ort gelten, an dem der zugrunde liegende Umsatz bewirkt wird. Sofern dem Plattformbetreiber keine gegenteiligen Angaben vorliegen, soll dieser die Person, an die diese fiktive Dienstleistung erbracht wird, als nicht-steuerpflichtig betrachten, wenn sie keine Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer angibt.

Da die Anwendung der fiktiven Leistungskette vom Status des Dienstleistungserbringers abhängt, soll die Neuregelung nur dann Anwendung finden, wenn der Dienstleistungserbringer dem Plattformbetreiber keine gültige Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer mitteilt. Für den Plattformbetreiber besteht ein Risiko, wenn der Vermieter/Fahrer eine Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer mitteilt und der Plattformbetreiber daraufhin davon ausgeht, dass die fiktive Leistungskette keine Anwendung findet, jedoch die Voraussetzungen der neuen fiktiven Leistungskette tatsächlich vorlagen. Unter bestimmten Voraussetzungen sieht der Richtlinienvorschlag vor, dass der Plattformbetreiber nicht in Anspruch genommen werden soll.

Sollte der Vorschlag der Europäischen Kommission in dieser Form umgesetzt werden, muss der Plattformbetreiber seine Steuerfindung und damit auch seine Abrechnungsprozesse umstellen. Es ist absehbar, dass die drohende Inanspruchnahme des Plattformbetreibers, wenn dieser fälschlicherweise von der Nichtanwendung der fiktiven Leistungskette ausgeht, zu Streitigkeiten mit der Finanzverwaltung führen werden. Insbesondere ist zu befürchten, dass die Finanzverwaltung einen sehr strengen Maßstab anwenden wird, wenn es um die Frage geht, ob der Plattformbetreiber nachweisen kann, dass er nicht wusste und nach vernünftigem Ermessen nicht wissen konnte, dass die Angaben falsch waren.

Schließlich halten wir die Einführung der fiktiven Leistungskette bei kurzfristiger Unterkunftsvermietung und Personenbeförderung insgesamt für problematisch. Auch der Bundesrat sieht diese Regelung bisher kritisch und sieht die von der Europäischen Kommission als Begründung vorgetragene Wettbewerbsverzerrung nicht als so gravierend an, dass eine solche Regelung notwendig wäre.

 

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