Unter dem Stichwort "VAT in the Digital Age" ("ViDA"[1]) möchte die Europäische Kommission das europäische Mehrwertsteuersystem schrittweise bis 2028 modernisieren, vereinfachen und durch Maßnahmen zur Digitalisierung des Meldewesens weitergehender gegen Betrug absichern.

Teil I: In Teil I dieses Beitrages[2] haben wir einen kurzen Überblick über sämtliche vorgeschlagenen Maßnahmen gegeben und sind näher auf die Vorstellungen der Europäischen Kommission zur Einführung digitaler Meldepflichten eingegangen. Insoweit war festzustellen, dass der Zeitplan zur Einführung einer digitalen Meldepflicht mit verpflichtender elektronischer Rechnungstellung[3] bis 2028 kaum umsetzbar sein dürfte, und dass zusätzlich zu den bestehenden Deklarationsverpflichtungen im Rahmen der Steuererklärungen vor allem zusätzliche Verpflichtungen der Umsatzsteuer-Compliance zu erwarten sind, angesichts der geplanten Ersetzung der ZM durch neue digitale Meldepflichten für grenzüberschreitende Umsätze und der Möglichkeit der Erweiterung solcher digitalen Meldepflichten auf lokale Umsätze. Bereits jetzt zeichnen sich eine Reihe rechtlicher Unklarheiten und Abgrenzungsfragen ab, etwa zu der Einhaltung der sehr kurzen Rechnungstellungs- und Meldefristen und den Konsequenzen verspäteter Meldungen, etwa für die Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen, bei der Verlagerung der Steuerschuld und im Hinblick auf innergemeinschaftliche Erwerbe.

Teil II: In Teil II dieses Beitrags[4] haben wir die Vorschläge der Europäischen Kommission zur Besteuerung der kurzfristigen Unterkunftsvermietung und Personenbeförderungen bewertet. Sofern solche Leistungen über elektronische Plattformen[5] angeboten werden, soll auch dann Mehrwertsteuer erhoben werden, wenn die eigentlichen Vermieter/Fahrer nicht zur Abführung der Mehrwertsteuer verpflichtet sind (etwa bei Kleinunternehmern). Diese Änderungen sollen zum Januar 2025 eingeführt werden. Die Plattformbetreiber, welche solche Leistungen künftig "unterstützen", sollen so behandelt werden, als hätten sie selbst diese Leistungen empfangen und erbracht. Es ist absehbar, dass die drohende Inanspruchnahme des Plattformbetreibers, wenn dieser fälschlicherweise von der Nichtanwendung der fiktiven Leistungskette ausgeht, zu Streitigkeiten mit der Finanzverwaltung führen werden.

Teil III: In diesem Teil III werden wir die Vorschläge der Europäischen Kommission zur Einführung einer "einzigen"Mehrwertsteuerregistrierung erläutern. Diese Regelung erfasst neben Lieferungen über Online-Plattformen auch Vorgänge des innergemeinschaftlichen Verbringens, eine Abschaffung der erst zum 1.1.2020 durch die sog. Quick Fixes eingeführten derzeitigen Konsignationslagerregelung[6] und die Einführung eines erweiterten "Reverse Charge"-Verfahrens. Abschließend bewerten wir die ViDA-Maßnahmen im Kontext des seit mehreren Jahren verfolgten "Aktionsplans" der Europäischen Kommission für eine Mehrwertsteuerreform[7], um u.a. einen Überblick darüber zu geben, welche Maßnahmen bereits umgesetzt und welche ggf. nicht mehr verfolgt werden (mit Bezug auf die ursprünglich geplante einheitliche "Lieferung von Gegenständen innerhalb der Union" mit Besteuerung im Bestimmungsmitgliedstaat, die "Quick Fixes" zur grenzüberschreitenden Besteuerung von Waren und die beiden in Kraft getretenen MwSt-Digitalpakete).

[1] Im Folgenden verwenden wir das Akronym "ViDA", soweit wir uns auf die Gesamtheit der Vorschläge der Europäischen Kommission v. 8.12.2022 zu "VAT in the Digital Age" beziehen.
[2] Connemann/Meyer-Burow, UStB 2023, 190 ff.
[3] Da die europäische Kommission den deutschen Antrag nach Art. 395 MwStSystRL unterstützt, die Verwendung elektronischer Rechnungen, die von im Hoheitsgebiet Deutschlands ansässigen Steuerpflichtigen ausgestellt wurden, nicht von einer Zustimmung des im deutschen Hoheitsgebiet ansässigen Rechnungsempfängers abhängig zu machen, hat das BMF mittlerweile in dem Referentenentwurf für ein Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness (Wachstumschancengesetz; Referentenentwurf v. 6.7.2023), die Vorschläge aus dem BMF-Positionspapier zur Einführung einer obligatorischen elektronischen Rechnung für inländische B2B-Umsätze im Wesentlichen übernommen (s. Art. 27 des Gesetzentwurfes). Nach dem Gesetzentwurf soll nur noch eine Rechnung, die in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellt, übermittelt und empfangen wird, das ihre elektronische Verarbeitung ermöglicht, und die den Vorgaben der Richtlinie 2014/55/EU vom 16.4.2014 (ABl. Nr. L 133 v. 6.5.2014, S. 1, CEN-Format EN 16931) entspricht, als elektronische Rechnung gelten. Rechnungen, die in einem anderen elektronischen Format oder auf Papier übermittelt werden, werden unter dem neuen Begriff "sonstige Rechnung" zusammengefasst. Der Vorrang der Papierrechnung wird gestrichen. Ferner soll die Ausstellung von elektronischen Rechnungen verpflichtend vorgeschrieben werden, wenn der leistende Unternehm...

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