Rz. 18

[Autor/Stand] Pflicht zur Einführung einer Hinzurechnungsbesteuerung gem. Art. 7 f. ATAD. Art. 7 und 8 ATAD verpflichten die Mitgliedstaaten zur Einführung von Vorschriften für eine Hinzurechnungsbesteuerung. Damit soll missbräuchlichen Steuergestaltungen i.S.d. Verlagerung von Einkünften in Niedrigsteuerländer entgegengewirkt werden. Dementsprechend definiert Art. 7 ATAD i.S. eines Mindestschutzniveaus (Rz. 17) die Voraussetzungen, unter welchen niedrig bzw. nicht besteuerte Einkünfte eines beherrschten, ausländischen Unternehmens in die steuerliche Bemessungsgrundlage des beherrschenden, inländischen Unternehmens (Gesellschafter) einzubeziehen sind. Im Einzelnen:

  • Bei dem beherrschenden, inländischen Unternehmen handelt es sich um ein Körperschaftsteuersubjekt, das in einem Mitgliedstaat unbeschränkt oder – wegen einer Betriebsstätte – beschränkt steuerpflichtig ist (Rz. 19).
  • Das beherrschende Unternehmen hält selbst oder zusammen mit verbundenen Unternehmen an einem anderen (beherrschten) Unternehmen unmittelbar und/oder mittelbar mehr als 50 % der Stimmrechte, des Kapitals oder der Gewinnberechtigung (Rz. 20).
  • Die tatsächlich entrichtete Steuer im Ansässigkeitsstaat des beherrschten Unternehmens unterschreitet die Steuer, die im Mitgliedstaat des beherrschenden Unternehmens angefallen wäre, und zwar um mehr als die Hälfte (Rz. 21).
  • Das beherrschte (ausländische) Unternehmen erzielt passive Einkünfte, insbesondere Zinsen, Dividenden, Lizenzgebühren, Einkünfte aus finanziellen Tätigkeiten oder Einkünfte aus "Abrechnungsunternehmen" mit nur geringem wirtschaftlichen Mehrwert. Alternativ ist eine Hinzurechnungsbesteuerung auf der Grundlage eines "Missbrauchs" geregelt (Rz. 22).
  • Es erfolgt keine Hinzurechnung, wenn das beherrschte (ausländische) Unternehmen in einem EU-/EWR-Mitgliedstaat ansässig ist und nachweisen kann, dass es eine wesentliche wirtschaftliche Tätigkeit ausübt. In Drittstaatenfällen haben die Mitgliedstaaten fakultativ die Möglichkeit, diesen Nachweis zuzulassen (Rz. 23). Darüber hinaus besteht die Möglichkeit der Einführung einer Bagatellgrenze (Rz. 24).
  • Als Rechtsfolge der Hinzurechnungsbesteuerung sind die Einkünfte des beherrschten ausländischen Unternehmens in die Steuerbemessungsgrundlage des (inländischen) beherrschenden Unternehmens einzubeziehen. Dabei gelten die nationalen Vorschriften. Dies gilt auch für eine Steueranrechnung zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (Rz. 25).
  • Eine spätere Gewinnausschüttung oder Veräußerung der Beteiligung an dem beherrschten Unternehmen führt zu einem Abzug der bereits der Hinzurechnungsbesteuerung unterworfenen Einkünfte (Vermeidung der Doppelbesteuerung).

Unter Berücksichtigung der vorstehenden "Eckpfeiler" einer Hinzurechnungsbesteuerung nach der ATAD war ein vollständiger Systemwechsel im Hinblick auf die bereits 1972 eingeführten §§ 7 ff. AStG aus deutscher Sicht nicht notwendig. Vielmehr wurde die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung durch das ATADUmsG v. 25.6.2021[2] punktuell an die Vorgaben der ATAD angepasst (Rz. 42 und 81 ff.). Dies gilt insbesondere hinsichtlich der folgenden Regelungsbereiche:[3]

  • Änderung des Beherrschungskriteriums i.S. einer Abkehr von der Inländerbeherrschung hin zu einer gesellschafterbezogenen Betrachtungsweise unter Berücksichtigung nahestehender Personen,
  • Anpassung des Substanztests,
  • Einführung eines Kürzungsbetrags bei Gewinnausschüttungen zur Vermeidung von Doppelbelastungen,
  • Berücksichtigung von Gewinn- und Liquiditätserlösansprüchen als Beherrschungskriterium,
  • Wegfall der übertragenden Hinzurechnungsbesteuerung,
  • Verlegung des Zeitpunkts der Hinzurechnung,
  • Ausschluss eines Verlustrücktrags für negative Einkünfte aus einer Zwischengesellschaft.

Die vorstehend dargestellten Änderungen sind nach § 21 Abs. 4 erstmals für Wirtschaftsjahre der Zwischengesellschaft anzuwenden, die nach dem 31.12.2021 beginnen. Damit wurden die zeitlichen Vorgaben der ATAD (Umsetzung der Regelungen zur Hinzurechnungsbesteuerung bis zum 31.12.2018, Rz. 15) nicht fristgerecht umgesetzt. Zu den daraus resultierenden Konsequenzen s. Rz. 81.

 

Rz. 19

[Autor/Stand] Adressat der Hinzurechnungsbesteuerung. Nach Art. 1 ist die ATAD grundsätzlich auf körperschaftsteuerpflichtige Steuersubjekte anzuwenden (Rz. 16). Infolgedessen sind natürliche Personen von der Hinzurechnungsbesteuerung i.S.d. ATAD nicht erfasst. Darüber geht § 7 AStG hinaus, da sich die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung auch auf einkommensteuerpflichtige Steuersubjekte bezieht. In Anbetracht des Mindestschutzniveaus gem. Art. 3 ATAD (Rz. 17) ist dies unproblematisch, da der Gesetzgeber über die Vorgaben der ATAD hinausgehen kann. Nach dem Erwägungsgrund (4) der ATAD soll sie für "alle Steuerpflichtigen" und auch "für Betriebsstätten" Anwendung finden. Dies spricht dafür, dass auch im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht – ausgelöst durch eine Betriebsstätte – die Regelungen zur Hinzurechnungsbesteuerung Anwendung finden können. So spricht Art. 7 Abs. 1 ATAD allgemein von dem ...

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