Rz. 43

[Autor/Stand] Ziel der Hinzurechnungsbesteuerung. Die im Jahr 1972 eingeführte Hinzurechnungsbesteuerung hatte das Ziel, bestimmte Einkünfte, die eine ausländische Basisgesellschaft erzielt, den im Inland ansässigen Anteilseignern entsprechend ihrer Beteiligung anteilig als Einkünfte aus Kapitalvermögen zuzurechnen. Dabei sollten nur niedrig besteuerte Einkünfte aus passivem Erwerb in den Hinzurechnungsbetrag eingehen. Dieses Ziel gilt – auch nach der Reform der Hinzurechnungsbesteuerung durch das ATADUmsG v. 25.6.2021[2] – heute noch unverändert fort. Denn ausweislich der Begründung des ATADUmsG soll die "Verlagerung von passiven Einkünften ins niedrig besteuerte Ausland" verhindert und so eine Besteuerung "nicht angemessen besteuerter Gewinne" verhindert werden, und zwar "losgelöst von etwaigen Ausschüttungen".[3] Ob indessen durch die Reform eine "zeitgemäße und rechtssichere" Hinzurechnungsbesteuerung sichergestellt wird, ist äußerst fraglich. Dies gilt beispielsweise für die Definition aktiver Einkünfte gem. § 8 Abs. 1, die durch ein äußerst komplexes Zusammenwirken von "Regel-Ausnahme", "Rückausnahme von der Ausnahme" und "Rückausnahme von der Rückausnahme" gekennzeichnet ist. Kritikwürdig ist dies umso mehr, weil die ATAD einen anderen Ansatz in Form einer positiven Auflistung von Einkünften verfolgt, die als passiv einzuordnen sind. Ferner findet immer noch der 1972 erstmalig definierte Aktivitätskatalog des § 8 Abs. 1 Anwendung, ohne den Wandel unternehmerischer Tätigkeiten von der produktionsorientierten Industrie hin zu einer Dienstleistungs- und Digitalisierungsgesellschaft zu berücksichtigen. Auch dieser Aspekt macht die Anwendung des Aktivitätskatalogs sehr schwierig, in manchen Fällen sogar unmöglich. Dies gilt vor allem für die Voraussetzung einer Tätigkeit der ausländischen Gesellschaft "ohne Mitwirkung eines solches Steuerpflichtigen oder einer solchen nahestehenden Person" gem. § 8 Abs. 1 Nr. 4 und § 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b. Dieses Mitwirkungskriterium ist in Zeiten einer wertschöpfungsübergreifenden, globalisierten Gruppenstruktur (häufig in Matrixstrukturen) sowie der fortschreitenden Digitalisierung des Informationsaustauschs nicht mehr zeitgemäß und praktikabel. Ferner liegt die Schwelle zur Niedrigbesteuerung gem. § 8 Abs. 5 (weiterhin) bei 25 %. Insoweit würde – so die Gesetzesbegründung – "den Vorgaben der ATAD entsprochen". Dies kann indessen nicht überzeugen. Unter Berücksichtigung der Gewerbesteuer und des Solidaritätszuschlags beläuft sich die ertragsteuerliche Gesamtbelastung von Kapitalgesellschaften im Durchschnitt auf ca. 30 %.[4] Sie liegt damit nur fünf Prozentpunkte über der vermeidlichen Niedrigbesteuerungsschwelle gem. § 8 Abs. 5 AStG-E. Bereits insoweit wird offensichtlich, dass das Festhalten an der Niedrigbesteuerungsschwelle von 25 % einer Logik entbehrt. Und: Da die Anrechnung im Ausland entrichteter Steuern auf die Körperschaftsteuer – zumindest nach Ansicht der Finanzverwaltung[5] – beschränkt ist, ergeben sich bei einer Steuerbelastung im Ausland von mehr als 15 % regelmäßig systematisch nicht sachgerechte Anrechnungsüberhänge, die zu einer faktischen Doppelbesteuerung führen. Dies zieht Belastungswirkungen nach sich, die über ein Heraufschleusen der Besteuerung auf das deutsche Niveau hinausgehen und letztlich einer "Strafbesteuerung" gleichkommen.[6] Zutreffend wäre eine Absenkung der Niedrigbesteuerungsgrenze auf die Höhe des Körperschaftsteuersatzes, derzeit bei 15 %, gewesen, um somit auch Anrechnungsüberhänge zu vermeiden. Mit einer Niedrigbesteuerungsgrenze von 25 % wird die Hinzurechnungsbesteuerung letztlich nicht ihrem Sinn und Zweck einer Missbrauchsbekämpfung gerecht, sondern zu einer "Regelbesteuerung" im internationalen Konzern. Dies ist nicht sachgerecht und auch nicht die Intention der ATAD.

 

Rz. 44

[Autor/Stand] Keine Zurechnungs-, Durchgriffs- oder Zugriffsbesteuerung. Im Schrifttum wird die Hinzurechnungsbesteuerung nach den §§ 7 ff. häufig als Zurechnungs-[8], Durchgriffs-[9] oder Zugriffsbesteuerung[10] bezeichnet.[11] In Anlehnung an § 15 Abs. 2 StAnpG a.F. besteht eine Durchgriffsbesteuerung, wenn die ausländische Gesellschaft selbst wie eine Organgesellschaft des Steuerinländers im Inland erfasst wird. Auch § 42 AO kann die Grundlage einer Durchgriffsbesteuerung sein. Von dieser Definition ausgehend ist die Annahme einer Durchgriffsbesteuerung für die §§ 7 ff. abzulehnen. Die §§ 7 ff. enthalten auch keine Zugriffsbesteuerung. Der BFH weist in seinem Urteil v. 28.9.1988[12] darauf hin, dass derartige Formulierungen nicht der Lösung von Problemen dienen, weil die §§ 7 ff. die Begriffe nicht verwenden. Die Auslegung muss von dem Wortlaut der Vorschriften ausgehen. Das BVerfG bezeichnet in einem Urteil v. 24.1.1962[13] den "Zugriff" durch die Kapitalgesellschaft als "Durchgriff". Die Abgrenzung der Begriffe voneinander ist fragwürdig, solange sie nicht als termini technici verwendet werden. Deshalb wird in dieser Kommentierung ausschließl...

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