Rz. 1

[Autor/Stand] Überblick. Die Regelung des § 50d Abs. 3 EStG ist in einzigartig vielfältiger Weise unionsrechtlichen Einflüssen ausgesetzt. Das ergibt sich letztlich aus dem Umstand, dass § 50d Abs. 3 EStG seinem Tatbestand nach eine Vielzahl verschiedener Entlastungsansprüche erfasst (vgl. § 50d Abs. 3 EStG Rz. 137) und der unionsrechtliche Maßstab für die Prüfung und Auslegung des § 50d Abs. 3 EStG stets in Zusammenschau mit der jeweils betroffenen Entlastungsgrundlage zu bestimmen ist (vgl. Rz. 12 ff.). Da die jeweiligen Entlastungsansprüche auf unterschiedlich unionsrechtlich determinierten Rechtsgrundlagen beruhen, variiert je nach Harmonisierungsgrad der Rechtsgrundlage des Entlastungsanspruchs auch der unionsrechtliche Prüfungs- und Auslegungsmaßstab für dessen Versagung nach § 50d Abs. 3 EStG. So kann ein Verstoß gegen sekundäres Unionsrecht in Frage stehen, wenn § 50d Abs. 3 EStG Ansprüche nach § 43b EStG und § 50g EStG versagt, weil diese Entlastungsnormen auf EU-Richtlinien (Art. 5 MTR, vgl. dazu Rz. 46 ff. und Art. 1 ZLR, vgl. dazu Rz. 55 ff.) beruhen; zugleich stellt § 50d Abs. 3 EStG in diesem Bereich aber potenziell auch eine Umsetzung der in diesen Richtlinien vorgesehenen Missbrauchsvermeidungsklauseln dar (Art. 1 Abs. 2 ff. MTR, vgl. dazu Rz. 48 ff., Art. 5 ZLR, vgl. dazu Rz. 58 ff.). Daneben bewegt sich § 50d Abs. 3 EStG im potenziellen Umsetzungsbereich der allgemeinen Missbrauchsvermeidungsklausel des Art. 6 ATAD (vgl. Rz. 62 ff.) und (ggf. zukünftig) des Art. 11 Abs. 1 ATAD III (noch im Entwurf, vgl. Rz. 73 ff.). Darüber hinaus diskriminiert § 50d Abs. 3 EStG grenzüberschreitende Fälle und gerät damit in Konflikt mit europäischem Primärrecht in Form der Grundfreiheiten (vgl. Rz. 85 ff., 89 ff.). Schließlich ergeben sich potenzielle Wechselwirkungen mit dem EU-primärrechtlichen allgemeinen Rechtsgrundsatz des Missbrauchsverbots (vgl. Rz. 22 ff.). Zusammengefasst steht § 50d Abs. 3 EStG daher im (potenziellen) Einfluss folgender EU-Rechtsnormen bzw. EU-Rechtsquellen:

  • Grundfreiheiten (vgl. Rz. 85 ff.)
  • Allgemeiner Grundsatz des Missbrauchsverbots (vgl. Rz. 22 ff.)
  • Anti-Tax-Avoidance Directive (ATAD) (vgl. Rz. 62 ff.)
  • Mutter-Tochter-Richtlinie (MTR) (vgl. Rz. 46 ff.)
  • Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie (ZLR) (vgl. Rz. 55 ff.)
  • ATAD III (Entwurf) (vgl. Rz. 73 ff.).

Um das Verhältnis von § 50d Abs. 3 EStG zu diesen Unionsrechtsnormen zu klären, ist es wichtig, sich zunächst die Grundlagen der hier relevanten verschiedenen rechtlichen Einwirkungsmöglichkeiten zu vergegenwärtigen. Dies sind die allgemeinen (vertikalen) Einwirkungsmöglichkeiten des Unionsrechts auf das nationale (Steuer-)Recht (vgl. Rz. 2 ff.), aber auch die (horizontalen) Einwirkungsmöglichkeiten verschiedener Unionsrechtsquellen zueinander (vgl. Rz. 8 ff.). § 50d Abs. 3 EStG kann nämlich – je nach Fallgestaltung – zugleich in den Anwendungsbereich mehrerer der oben aufgeführten Unionsrechtsnormen fallen bzw. mit mehreren dieser Unionsrechtsnormen im Konflikt stehen, was eine Abgrenzung dieser Unionsrechtsnormen zueinander erforderlich machen kann. Daraus kann sich ergeben, dass § 50d Abs. 3 EStG nicht an allen potenziell betroffenen Maßstäben gleichzeitig zu prüfen und auszulegen ist. Diese Überlegungen bilden das systematische Fundament für die weiteren Überlegungen zur Einwirkung des Unionsrechts auf § 50d Abs. 3 EStG. Schließlich ist noch auf die Rechtsfolgen eines (etwaigen) Unionsrechtsverstoßes einzugehen (vgl. Rz. 17 ff.). Dazu gehört auch der unionsrechtliche Zinsanspruch bei unionsrechtswidrig erhobenen bzw. nicht erstatteten Steuern (vgl. Rz. 21 ff.).

[Autor/Stand] Autor: Erdem, Stand: 01.05.2022

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