Leitsatz

Die Führung einer Behindertenwerkstatt durch eine Körperschaft kann die Voraussetzungen für die Anerkennung der Verfolgung mildtätiger Zwecke gemäß § 53 AO erfüllen. Die Förderung des Wohlfahrtswesens oder die Zugehörigkeit der Körperschaft zum Diakonischen Werk schließt die Anerkennung mildtätiger Zwecke nicht aus.

 

Sachverhalt

Die Steuerpflichtige betrieb in der Rechtsform einer GmbH eine Werkstatt für Behinderte. Ihr Zweck bestand in der Eingliederung geistig, körperlich oder seelisch behinderter Menschen i. S. d. Bundessozialhilfe-, des Schwerbehinderten- und des Arbeitsförderungsgesetzes. Die GmbH stellte Menschen, die wegen ihrer Behinderung auf dem freien Arbeitsmarkt keine Beschäftigung fanden, Dauerarbeitsplätze sowie geeignete soziale Einrichtungen (wie insbesondere Werkstätten und Unterkünfte) zur Verfügung. Überprüfungen der Behinderungen erfolgten durch die öffentlich rechtlichen Kostenträger, die die Betreuungsleistungen erstatteten. Die GmbH war Mitglied eines anerkannten Spitzenverbandes der freien Wohlfahrtspflege. Die Steuerpflichtige beantragte für ihre Betätigung die Anerkennung ausschließlich und unmittelbar steuerbegünstigter mildtätiger Zwecke. Im Freistellungsbescheid stellte das Finanzamt fest, dass die GmbH gemeinnützigen Zwecken diene. Die Anerkennung mildtätiger Zwecke scheitere an einer selbstlosen Unterstützung Not leidender Personen. Ferner könne die Tätigkeit allein aus systematischen Gründen nicht als mildtätig i. S. d. § 53 AO anerkannt werden, weil bereits § 52 Abs. 2 Nr. 2 AO i. V. m. § 66 Abs. 1 AO erfüllt sei, da die GmbH der Förderung des Wohlfahrtswesens diene. Die GmbH strebte durch Anerkennung ihrer Mildtätigkeit die Befugnis an, Spendenquittungen auszustellen, die den Geber zum erhöhten Spendenabzug nach § 10 b Abs. 1 Nr. 2 EStG berechtigen. Durch die Betreuung ausschließlich geistig oder körperlich behinderter Menschen, die in der Regel eine Einschränkung der Erwerbstätigkeit zu 100 % besäßen, verfolge die Geschäftsführung mildtätige Zwecke. Die Behindertenwerkstatt decke einen zentralen Bereich Bildung und Arbeit für den genannten Personenkreis ab. Die Mitgliedschaft in einem Spitzenverband der Wohlfahrtspflege stand nach Ansicht der GmbH der Anerkennung der Mildtätigkeit nicht entgegen.

 

Entscheidung

Das FG bestätigt die Zulässigkeit der Feststellungsklage und stimmt der Rechtsauffassung der Steuerpflichtigen zu. Der Gesellschaftszweck erfüllt mildtätige Zwecke und ermöglicht Spendern einen höheren Spendenabzug von 10 % ihres Einkommens. Neben der Förderung von Personen, die aufgrund körperlicher, geistiger oder seelischer Krankheit hilfsbedürftig sind, erfordert die Rechtsnorm des § 53 AO das Merkmal der Selbstlosigkeit. Dem Erfordernis der Selbstlosigkeit genügt die Tätigkeit einer nicht auf Gewinnerzielung gerichteten Gesellschaft, deren Mittel nur unmittelbar dem mildtätigen Zweck zugute kommen. Die Hilfsbedürftigkeit der in der Werkstatt betreuten Personen ergibt sich im Urteilsfall aus ihrer Anerkennung als Behinderte und den für sie gezahlten Betreuungsleistungen. Mildtätig sind laut FG nicht nur Mahlzeitendienste und Unterstützungen bei Naturkatastrophen, sondern auch zur ausschließlichen und selbstlosen Betreuung behinderter Menschen geführte Einrichtungen. Mildtätige Zwecke sind den sonstigen begünstigten Zwecken nicht untergeordnet. Sie stehen gleichberechtigt nebeneinander. Bei § 52 Abs. 2 Nr. 2 AO handelt es sich um einen Beispielkatalog gemeinnütziger Zwecke ohne abschließende Aufzählung. Eine Überschneidung mit anderen Zwecken wie der Mildtätigkeit ist nicht ausgeschlossen und bei Wohlfahrtseinrichtungen durchaus üblich.

 

Hinweis

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

 

Link zur Entscheidung

FG Berlin, Urteil vom 06.10.2003, 8 K 8844/99

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