Gemeinnützigkeit bei betriebsnahen Kindergärten

Eine Körperschaft, die Kinderbetreuungseinrichtungen betreibt, fördert nicht die Allgemeinheit, wenn sie bei der Belegung der Plätze bestimmte Unternehmen, mit denen sie Betreiberverträge abgeschlossen hat, in der Weise berücksichtigt, dass sich der geförderte Personenkreis nicht mehr als Ausschnitt der Allgemeinheit darstellt.

Hintergrund: Kindergarten für Mitarbeiterkinder

Die X-GmbH vereinbarte mit mehreren Unternehmen die Schaffung von Betreuungsplätzen für Mitarbeiterkinder. Dabei sollte die Belegungspräferenz der Vertragsunternehmen berücksichtigt werden. Nicht bei den Unternehmen Beschäftigte konnten nur dann einen Betreuungsplatz bekommen, wenn die Vertragsunternehmen aus ihrer Belegschaft keinen Bedarf hatten. Die Unternehmen zahlten für jeden Betreuungsplatz ein pauschales Entgelt. Im Streitzeitraum wurden die Betreuungsplätze nur in geringem Umfang auch mit Kindern von Nichtmitarbeitern belegt.

Das FA vertrat die Auffassung, die GmbH diene nicht gemeinnützigen Zwecken, da ihre Einrichtungen vorrangig den Beschäftigten ihrer Vertragsunternehmen vorbehalten seien. Dem schloss sich das FG an und wies die Klage ab.

Entscheidung: Keine Gemeinnützigkeit betriebsnaher Kindergärten

Der BFH wies die Revision zurück. Die GmbH fördert nicht die Allgemeinheut und verfolgt auch keine mildtätigen Zwecke.

Förderung der Allgemeinheit

Nach § 52 Abs. 1 Satz 1 AO verfolgt eine Körperschaft gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit (auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet) selbstlos zu fördern. Eine Förderung der Allgemeinheit ist nach § 52 Abs. 1 Satz 2 AO nicht gegeben, wenn der Kreis der Personen, dem die Förderung zugutekommt, fest abgeschlossen ist (z.B. Zugehörigkeit zu einer Familie oder zur Belegschaft eines Unternehmens) oder infolge seiner Abgrenzung, insbesondere nach räumlichen oder beruflichen Merkmalen, dauernd nur klein sein kann. Ein solcher Fall liegt vor, wenn die Interessen der Begünstigten klar von den Interessen der Allgemeinheit abgegrenzt sind.

Fest abgeschlossener Personenkreis

Die GmbH hatte sich vertraglich verpflichtet, fast sämtliche ihrer Betreuungsplätze den Vertragsunternehmen anzubieten. Wegen der Belegungspräferenz der Vertragsunternehmen kamen die Betreuungsplätze vorrangig den Beschäftigten dieser Unternehmen und damit nicht der Allgemeinheit zugute. Die nur wenigen anderweitig belegten Plätze (4 von 102 Plätzen) führen nicht dazu, dass sich der von der GmbH geförderte Personenkreis als Ausschnitt der Allgemeinheit darstellt (BFH v. 26.5.2021, V R 31/19, BStBl II 2021, S. 835, Rz. 40).

Ausschließlichkeit nicht erheblich

Auf das Kriterium der Ausschließlichkeit (§ 56 AO) kommt es im Streitfall zur Beurteilung der Gemeinnützigkeit nicht an, da es nach § 52 Abs. 1 Satz 2 AO bereits am Grundtatbestand der Gemeinnützigkeit fehlt.

Förderung von Jugendhilfe und Erziehung

Ergänzend berief sich die GmbH darauf, ihre Tätigkeit erfülle die Förderung der Jugendhilfe sowie der Erziehung nach § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 bzw. Nr. 7 AO und sei schon deshalb als Förderung der Allgemeinheit anzusehen. Dem steht jedoch entgegen, dass nach dem Einleitungssatz des § 52 Abs. 2 Satz 1 AO dies lediglich "unter den Voraussetzungen des Absatzes 1" und damit nur gilt, wenn der grundsätzlich begünstigte Zweck mit einer die Allgemeinheit i.S. von § 52 Abs. 1 AO fördernden Tätigkeit verfolgt wird (BFH v. 26.5.2021, V R 31/19, BStBl II 2021, S. 835, Rz. 45).

Keine Verfolgung mildtätiger Zwecke

Nach § 59 AO wird die Steuervergünstigung nur gewährt, wenn sich aus der Satzung ergibt, welcher Zweck verfolgt wird, dass dieser Zweck den Anforderungen der §§ 52 bis 55 AO entspricht und dass er ausschließlich und unmittelbar verfolgt wird. Dazu müssen die Satzungszwecke und die Art ihrer Verwirklichung so genau bestimmt sein, dass aufgrund der Satzung geprüft werden kann, ob die satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Steuervergünstigung gegeben sind (§ 60 Abs. 1 Satz 1 AO; sog. formelle Satzungsmäßigkeit). Die Satzung muss zweifelsfrei erkennen lassen, dass und welche ausschließlich steuerbegünstigten Zwecke der Steuerpflichtige verfolgt. Dies erfordert insbesondere eine Abgrenzung nach den gemäß §§ 52 bis 54 AO bestehenden Zwecken, die die Körperschaft verfolgen will.

Es fehlt die Benennung der mildtätigen Zwecke in der Satzung

Diese satzungsmäßigen Anforderungen sind hinsichtlich mildtätiger Zwecke nicht erfüllt. Denn Zweck der GmbH ist nach ihrem Gesellschaftsvertrag "die gemeinnützige Förderung der Jugendhilfe sowie der Bildung und Erziehung" und "die Förderung der Altenhilfe". Zudem verfolgt die GmbH danach "ausschließlich und unmittelbar nur gemeinnützige Zwecke im Sinne des Abschnitts 'steuerbegünstigte Zwecke' der AO". Aufgrund dieser eindeutig auf § 52 AO (gemeinnützige Zwecke) beschränkten Eigenbeschreibung der Zwecke, die die GmbH zu verfolgen beabsichtigt, ist es nicht möglich, die Satzung dahingehend auszulegen, dass die GmbH auch die Verfolgung mildtätiger Zwecke i.S. von § 53 AO anstrebt.

Hinweis: Formelle Satzungsmäßigkeit

Im Schrifttum wird vertreten, der Begriff "mildtätig" müsse nicht wörtlich in die Satzung aufgenommen werden (so Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 53 Rz 12). Der BFH ließ die Frage offen. Denn jedenfalls dann, wenn die Körperschaft nach ihrer Satzung eindeutig gemeinnützige Zwecke verfolgen soll, ist es erforderlich, die Art der anderen steuerbegünstigten Zwecke des § 51 Abs. 1 Satz 1 AO ("mildtätig" oder "kirchlich") eindeutig in der Satzung zu benennen. Fehlt es daran (wie im Streitfall), ist für die Anerkennung mildtätiger Zwecke im Rahmen der formellen Satzungsmäßigkeit schon deshalb kein Raum, weil ohne eine derartige Festlegung unklar bleibt, anhand welcher Steuerbegünstigung mit ihren jeweils eigenständigen Voraussetzungen (vgl. §§ 52, 53 und 54 AO) die Satzungsbestimmungen zu prüfen sind.

BFH Urteil vom 01.02.2022 - V R 1/20 (veröffentlicht am 18.08.2022)

Alle am 18.08.2022 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen