Kommentar

1. Hat noch der Praxisinhaber seine freiberufliche Praxis wegen dauernder Berufsunfähigkeit verkauft, wird die Praxis aber erst nach seinem Tode übertragen, können die Erben den erhöhten Freibetrag nach § 18 Abs. 3 Satz 2 EStG i. V. m. § 16 Abs. 4 Satz 3 EStG beanspruchen ( Veräußerungsgewinn ).

2. Über die Höhe des Freibetrags ist bei der Einkommensteuerveranlagung zu entscheiden.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 21.09.1995, IV R 1/95

Anmerkung:

Wer bisher seinen Betrieb oder seine freiberufliche Praxis veräußerte oder aufgab ( Betriebsaufgabe und Betriebsveräußerung), konnte bei der Versteuerung des Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinns einen allgemeinen Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG und § 18 Abs. 3 EStG (in der bis 31. 12. 1995 geltenden Fassung) beanspruchen. Diese Vergünstigung entfällt nach dem Jahressteuergesetz 1996 für Veräußerungs- und Aufgabefälle nach dem 31. 12. 1995. Geblieben sind nur noch die Freibeträge für die Veräußerung und die Aufgabe von Betrieben wegen Berufsunfähigkeit oder nach Vollendung des 55. Lebensjahrs (allerdings unter Halbierung des bisherigen Betrags auf nunmehr 60.000 DM ( Veräußerungsgewinn ).

Um diesen Freibetrag ging es auch in der obigen Entscheidung. Betroffen war ein Arzt (A), der seine Praxis aus Gesundheitsgründen an einen anderen Arzt (B) verkauft hatte und noch vor der Übergabe der Praxis starb, so daß B die Praxis bereits vor dem im Kaufvertrag vorgesehenen Zeitpunkt übernahm. Zu entscheiden war, ob die Erben des A , denen der Gewinn aus der Veräußerung der Praxis anteilig zugerechnet wurde, bei ihrer Einkommensteuerveranlagung den Freibetrag wegen dauernder Berufsunfähigkeit des Erblassers geltend machen konnten.

Der BFH hat dies zu Recht bejaht. Der Erblasser lebte zwar im Zeitpunkt des Übergangs der Praxis nicht mehr: Er konnte daher – streng genommen – den Veräußerungsgewinn nicht mehr in eigener Person verwirklichen. Der BFH hat sich aber – zu Recht – auf den Standpunkt gestellt, für die Frage, ob eine Veräußerung „wegen” dauernder Berufsunfähigkeit erfolgt ist, komme es auf das Rechtsgeschäft an, mit dem die Veranlassungskette rechtlich bindend in Gang gesetzt wurde – nämlich auf den der Veräußerung zugrunde liegenden Kaufvertrag. Die Erben sind an den noch vom Erblasser abgeschlossenen Vertrag als dessen Rechtsnachfolger gebunden . Ihnen ist deshalb auch der erhöhte Freibetrag zuzuerkennen.

Über die Höhe der auf die einzelnen Erben entfallenden Anteile an dem Freibetrag kann im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung jedes der Erben entschieden werden, während die übrigen für die Besteuerung maßgebenden Beträge (Höhe des laufenden Gewinns aus der Praxis bis zum Tode des Erblassers, die Höhe des Veräußerungsgewinns) im Rahmen einer einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte ( § 180 Abs. 1 Nr. 2a AO ) festzustellen waren.

Betriebsaufgabe

Veräußerungsgewinn

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