Leitsatz

1. Die Gegenleistung ist in Entgelt und Steuerbetrag aufzuteilen.

2. Veräußert ein Verkäufer auf jährlich mehreren hundert Auktionen Waren über die Internetplattform "ebay", liegt eine nachhaltige und damit umsatzsteuerrechtlich unternehmerische Tätigkeit i.S. des § 2 Abs. 1 UStG vor.

3. Die Aufzeichnungspflichten gemäß § 25a Abs. 6 Satz 1 UStG gehören nicht zu den materiellen Voraussetzungen der Differenzbesteuerung. Ein Verstoß gegen die Aufzeichnungspflichten führt deshalb nicht grundsätzlich zur Versagung der Differenzbesteuerung.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1, § 10 Abs. 1, § 11, § 12 Abs. 1, § 25 Abs. 3, § 25a UStG, Art. 9 Abs. 1 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)

 

Sachverhalt

Die Klägerin kaufte in den Streitjahren (2009 bis 2013) Gegenstände aus Haushaltsauflösungen an und bot sie auf der Internet-Auktionsplattform "ebay" in Form von Versteigerungen zum Verkauf an. Dazu legte sie vier Konten auf "ebay" an und eröffnete zwei Girokonten. Die Klägerin verkaufte 2009 auf 577 Auktionen, 2010 auf 1.057 Auktionen, 2011 auf 628 Auktionen, 2012 auf 554 Auktionen und 2013 auf 260 Auktionen Waren über "ebay". Steuererklärungen gab sie nicht ab.

Das FA erließ ESt- und GewSt-Messbescheide, in denen es die Betriebsausgaben und Vorsteuern i.H.v. 30 % der Einnahmen schätzte. In den USt--Bescheiden für die Streitjahre jeweils vom 20.5.2016 setzte das FA USt i.H.v. 19 % auf die festgestellten Einnahmen fest. Vorsteuerbeträge erkannte das FA nicht an. Die Klage hatte teilweise Erfolg. So sei eine Schätzung der Betriebsausgaben bei der ESt- und GewSt-Festsetzung von 60 % des Nettoumsatzes gerechtfertigt (Hessisches FG, Urteil vom 19.7.2018, 2 K 1835/16, Haufe-Index 13053536, EFG 2019, 777).

 

Entscheidung

Der BFH hob die Entscheidung aus dem im Leitsatz 1 genannten Grund auf und verwies die Sache im Hinblick auf eine entgegen dem FG mögliche Anwendung der Differenzbesteuerung an das FG zurück.

 

Hinweis

1. Der Kernpunkt des Urteils verdeutlicht sich aus seinem dritten Leitsatz. Danach besteht für ebay-Verkäufer, die bereits nach der bisherigen BFH-Rechtsprechung als Unternehmer anzusehen sind, die Möglichkeit, auf ihre Lieferungen die Differenzbesteuerung auch dann anzuwenden, wenn ihnen Aufzeichnungen über ihre Einkaufspreise für Erwerbe von Nichtunternehmern fehlen. Der BFH begründet dies damit, dass den für die Differenzbesteuerung eigentlich einzuhaltenden Aufzeichnungspflichten kein materiell-rechtlicher Charakter zukommt, sodass bei einem Verstoß gegen die Aufzeichnungspflichten oder bei fehlenden Aufzeichnungspflichten eine Schätzung des Einkaufspreises zur Ermittlung der nach § 25a UStG zu besteuernden Differenz in Betracht zu ziehen ist.

2. Der BFH begründet dies unter Bezugnahme auf EuGH-Rechtsprechung. So hat der EuGH entschieden, dass sich die Bemessungsgrundlage, die nach der Differenzbesteuerung bestimmt wird, aus Aufzeichnungen ergeben muss, die es ermöglichen, zu überprüfen, ob sämtliche Voraussetzungen für die Anwendung dieser Regelung erfüllt sind (EuGH, Urteil vom 18.1.2017, C 471/15, Sjelle Autogenbrug, Rz. 43, EU:C:2017:20). Danach müssen die Aufzeichnungen des steuerpflichtigen Wiederverkäufers und die damit in Zusammenhang stehenden Rechnungen – abgesehen von Ausnahmefällen – objektive Informationen zu dem betreffenden Umsatz und den verkauften Gegenständen liefern können (EuGH, Urteil vom 11.7.2018, C‐154/17, E LATS, Rz. 38, EU:C:2018:560). Steht aber fest, dass die Voraussetzungen der Differenzbesteuerung gegeben sind, kann ein Ausnahmefall in diesem Sinne vorliegen, bei dem aufgrund des Fehlens von Aufzeichnungen die Anwendung der Differenzbesteuerung nicht zwingend zu versagen ist. Es ist dann vielmehr zu prüfen, ob Einkaufspreise ggf. mit einem (erheblichen) Sicherheitsabschlag zulasten des Wiederverkäufers nach § 162 AO geschätzt werden können.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 12.5.2022 – V R 19/20

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