[Ohne Titel]

RA Sebastian Gerhards / RAin Esther Seibt-Pfitzner[*]

Nach der Auffassung der Finanzverwaltung kann die einmal erklärte Umsatzsteueroption in einem notariellen Grundstückskaufvertrag bislang nicht zurückgenommen werden. Sämtliche umsatzsteuerlichen Risiken hat insoweit meistens der Käufer zu tragen. Dem ist der BFH nunmehr mit seiner Entscheidung (BFH v. 2.7.2021 – XI R 22/19, UR 2021, 899) entgegengetreten und gewährt den Parteien von Grundstückskaufverträgen durch einen Widerruf der Umsatzsteueroption die Möglichkeit, flexibel auf eine Änderung der umsatzsteuerlichen Situation zu reagieren. Der nachfolgende Beitrag stellt die Entscheidung des BFH und seine Auswirkungen für die Praxis dar.

[*] RA Sebastian Gerhards ist Associate und RAin Esther Seibt-Pfitzner ist Senior Associate, in der Praxisgruppe Steuerrecht bei GSK Stockmann Rechtsanwälte Steuerberater Partnerschaftsgesellschaft mbB, München.

A. Überblick Umsatzsteueroption bei Grundstückslieferungen

Nach § 4 Nr. 9 Buchst. a) UStG sind Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen, umsatzsteuerfrei. Mit der Vorschrift soll eine Doppelbelastung mit Umsatzsteuer und Grunderwerbsteuer vermieden werden.[1] Dies gilt selbst dann, wenn diese Umsätze von der Grunderwerbsteuer befreit sind, so dass es für die Umsatzsteuerbefreiung bereits ausreichend ist, dass der Umsatz dem Grunde nach grunderwerbsteuerbar ist.[2] Das ergibt sich auch aus einem Umkehrschluss aus § 4 Nr. 9 Buchst. b) Satz 2 Alt. 2 UStG, wonach Umsätze, die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallen, dann nicht steuerbefreit sind, wenn die Steuer allgemein nicht erhoben wird.[3] Eine entsprechende Regelung für die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallenden Umsätze existiert nicht. Hierbei muss beachtet werden, dass nur solche Rechtsvorgänge unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen, die sich auf ein inländisches Grundstück beziehen.[4] Für im Ausland belegene Grundstücke kann die Umsatzsteuerbefreiung daher mangels Anwendbarkeit des Grunderwerbsteuergesetzes nicht fruchtbar gemacht werden.

[1] Heidner in Bunjes, 20. Aufl. 2021, UStG § 4 Rz. 1.
[2] Heidner in Bunjes, 20. Aufl. 2021, UStG § 4 Rz. 3.
[3] Leipold in Sölch/Ringleb, 93. EL Oktober 2021, UStG § 4 Nr. 9 Rz. 19.

I. Reichweite der Umsatzsteueroption

Nachfolgend soll kurz auf die Reichweite der Steuerbefreiung eingegangen werden, um den Umfang der Umsatzsteueroption zu skizzieren. Der für § 4 Nr. 9 Buchst. a) UStG maßgebliche Grundstücksbegriff ergibt sich aus § 2 GrEStG.[5] Es wird somit von dem Grundstück i.S.d. bürgerlichen Rechts (§ 2 Abs. 1 S. 1 GrEStG) und nicht von dem Grundvermögen i.S.d. § 68 Abs. 1 BewG ausgegangen. Diese unterschiedliche Behandlung ist nicht bloß für die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage relevant, sondern auch für Zwecke der Umsatzsteuer wichtig. Denn nicht unter den Grundstücksbegriff des § 2 GrEStG fallen nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 GrEStG Maschinen und sonstige Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören. Solche Vorrichtungen werden selbst dann nicht als Grundstücksteile behandelt, wenn sie wesentliche Bestandteile des Grundstücks sind. Betriebsvorrichtungen können nur einzelne Bestandteile und Zubehör eines Grundstücks sein.[6] Diese Differenzierung gilt es auch bei der Kaufpreisaufteilung in Grundstückskaufverträgen zu beachten. Denn in umsatzsteuerlicher Hinsicht sind die Umsätze aus der Übertragung solcher Vorrichtungen auf den Leistungsempfänger umsatzsteuerpflichtig, unabhängig davon, ob eine Umsatzsteueroption ausgeübt wird.[7]

Auf folgenden weiteren Aspekt möchten wir in diesem Kontext kurz hinweisen: Wird diesen beweglichen Wirtschaftsgütern im steuerrechtlichen Sinn kein gesonderter Kaufpreisanteil zugewiesen, besteht für den Käufer das Risiko einer überhöhten Grunderwerbsteuer, da in diesem Fall nach § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG grds. auf den ganzen Kaufpreis als Bemessungsgrundlage die Grunderwerbsteuer berechnet wird. Der Identifikation von solchen Vorrichtungen wird daher bei Ankaufsprüfungen regelmäßig sowohl für Zwecke der Umsatz- als auch für Zwecke der Grunderwerbsteuer besondere Aufmerksamkeit geschenkt.

[5] Leipold in Sölch/Ringleb, 93. EL Oktober 2021, UStG § 4 Nr. 9 Rz. 22; Spilker in BeckOK UStG, 31. Ed. 21.12.2021, UStG § 4 Nr. 9 Rz. 31.
[6] Viskorf in Viskorf, 20. Aufl. 2021, GrEStG § 2 Rz. 95 f.
[7] Anders beurteilt sich der hier nicht dargestellte Fall einer Geschäftsveräußerung im Ganzen. Die Mitübertragung solcher Vorrichtungen ist dann ebenfalls bereits nicht umsatzsteuerbar, § 1 Abs. 1a Satz 1 UStG.

II. Entstehung der Steuer

Das Umsatzsteuerrecht nimmt an dieser Stelle auf das Grunderwerbsteuergesetz Bezug, so dass Folgendes beachtet werden muss: Die Umsatzsteuer entsteht (bis auf bestimmte Ausnahmefälle wie bspw. Anzahlungen gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) Satz 4 UStG) im Falle einer Grundstückslieferung nach § 3 Abs. 1 UStG grundsätzlich erst mit der Verschaffung der Verfügungsmacht.[8] Bei Immobilien-Transaktionen ist dies der Übergang von Besitz, Nutzen und Lasten auf den Käufer.[9] Hingegen entsteht die Grunderwerbsteuer ...

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