Leitsatz

1. Durch das Dienstverhältnis veranlasste Leistungen des Arbeitgebers sind auch dann Arbeitslohn, wenn es an einem Rechtsgrund fehlt.

2. Zurückgezahlter Arbeitslohn ist erst im Zeitpunkt des Abflusses Steuer mindernd zu berücksichtigen.

 

Normenkette

§ 11, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO

 

Sachverhalt

Der Kläger erhielt ab November 1995 als Lohnfortzahlung nach BAT Krankenbezüge, rückwirkend ab Juli 1995 eine Berufsunfähigkeitsrente und ab Dezember 1995 eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs verpflichtete sich der Kläger, dem Arbeitgeber überzahlte Krankenbezüge i.H. eines Teilbetrags von rd. 7.000 DM zurückzuzahlen. Diese Rückzahlung erfolgte 1997.

Der Kläger begehrte, die Rückzahlung durch Änderung der bestandskräftigen ESt-Bescheide 1995 und 1996 zu berücksichtigen. Dies lehnte das FA ab. Die Klage hatte Erfolg. Es liege ein rückwirkendes Ereignis vor.

 

Entscheidung

Auf die Revision des FA hob der BFH das FG-Urteil auf und wies die Klage ab. Nach den o.a. Hinweisen könne die Rückzahlung nur 1997 berücksichtigt werden, nicht jedoch durch Änderung der (bestandskräftigen) ESt-Bescheide 1995 und 1996.

 

Hinweis

Die Besprechungsentscheidung löst mehrere Fragen:

1. Stellt vom Arbeitgeber geleistetes Krankengeld (§ 71 BAT) Arbeitslohn dar?

Zum Arbeitslohn gehören nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG alle "Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden". In ständiger Rechtsprechung definiert der BFH den Begriff des Arbeitslohns als jedweden geldwerten Vorteil, der durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst ist. Eine solche Veranlassung liegt vor, wenn der Vorteil nur gewährt wird, weil der Zuwendungsempfänger Arbeitnehmer des Arbeitgebers ist, der Vorteil also mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt wird, und wenn sich die Leistung des Arbeitgebers im weitesten Sinn als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist. Dabei genügt die tatsächliche Veranlassung der Einnahmen durch das Dienstverhältnis.

Allerdings liegt Arbeitslohn u.a. dann nicht vor, wenn die Zuwendungen wegen anderer Rechtsbeziehungen oder wegen sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewährt werden.

Nach diesen Grundsätzen ist die Zahlung des Krankengelds gem. § 71 BAT als Arbeitslohn anzusehen. Denn eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber bildet Arbeitslohn i.S.d. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Der Arbeitgeber erfüllt damit im Fall der Arbeitsunfähigkeit den arbeitsrechtlichen Lohnzahlungsanspruch des Arbeitnehmers. Zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gehört indessen auch der hier strittige Krankenbezug.

2. Liegt Arbeitslohn auch dann vor, wenn er ohne Rechtsgrund geleistet wird? Der BFH bejaht diese Frage zu Recht. Denn nach § 19 Abs. 1 Satz 2 EStG ist es gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Leistung besteht. Ist aber ein Rechtsanspruch keine Voraussetzung für die Annahme von Arbeitslohn, so stellen auch irrtümlich oder versehentlich (etwa durch Fehlbuchungen) geleistete Zuwendungen des Arbeitgebers Arbeitslohn dar.

3. Dies führt zu der Frage, wann zurückgezahlter Arbeitslohn Steuer mindernd zu berücksichtigen ist.

Der Zeitpunkt der steuerlichen Erfassung von Einnahmen und Ausgaben ergibt sich bei den Überschusseinkünften aus der Regelung in § 11 EStG. Danach sind Einnahmen innerhalb des Kalenderjahrs bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Ausgaben sind für das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet werden. § 11 EStG bezweckt als rein verfahrenstechnische Zuordnungsvorschrift die einfache und klare Erfassung von Einkommensveränderungen. Die Feststellung der Endgültigkeit der Vermögensverschiebung würde diesem Zweck ebenso zuwiderlaufen wie die Ermittlung der zeitlichen Zuordnung entsprechend der wirtschaftlichen Verursachung. Ebenso vermeidet die Regelung, die eigentliche "Fehlerquelle" für die vorübergehende Vermögensverschiebung suchen zu müssen.

Demnach liegt ein Zufluss auch dann vor, wenn der Empfänger den Betrag später wieder zurückzahlen muss. Denn das Behaltendürfen ist kein Merkmal einer Einnahme. Es reicht eine vorübergehende wirtschaftliche Verfügungsmacht. Dies gilt selbst dann, wenn die Rückzahlungsverpflichtung schon im Leistungszeitpunkt feststeht. Hieraus ergibt sich zwingend, dass zurückgezahlte Einnahmen erst im Zeitpunkt des Abflusses Steuer mindernd zu berücksichtigen sind.

4. Dies bedeutet auch, dass die Rückerstattung eines überzahlten Betrags kein rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO darstellt. Zufluss und Abfluss von Einnahmen und Ausgaben können als tatsächliche Vorgänge nicht ungeschehen gemacht werden.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 4.5.2006, VI R 19/03

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