a) Bindungswirkung eines Versäumnisurteils über die Erbunwürdigkeit

Ein die Erbunwürdigkeit aussprechendes Urteil gem. §§ 2342, 2344 BGB hat auch dann Bindungswirkung für ein Erbscheinsverfahren, wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt.

BGH v. 26.4.2023 – IV ZB 11/22

BGB § 2339, § 2342, § 2344

Beraterhinweis Die Erbunwürdigkeit kann nach § 2342 Abs. 1 BGB nicht im Erbscheinsverfahren, sondern ausschließlich durch Anfechtungsklage im Erbunwürdigkeitsprozess geltend gemacht werden (BayObLG v. 9.6.2000 – 1Z BR 25/00, FamRZ 2001, 319; OLG Rostock v. 31.8.2011 – 3 W 58/11, FGPrax 2012, 74; Olshausen in Staudinger, BGB, § 2342 Rz. 1; Müller-Christmann in BeckOK/BGB, § 2342 Rz. 1) und entfaltet ihre Wirkung nach § 2342 Abs. 2 BGB erst mit Rechtskraft des Urteils. Das Nachlassgericht ist an ein rechtskräftiges Anfechtungsurteil gebunden (BayObLG v. 9.6.2000 – 1Z BR 25/00, FamRZ 2001, 319). Dies muss auch für ein Versäumnisurteil gelten. Würde man eine Bindung des Nachlassgerichts an ein solches Urteil verneinen, könnte ein nach § 2339 BGB materiell erbunwürdiger Erbe durch seine Säumnis im Erbunwürdigkeitsprozess dauerhaft verhindern, dass seine Erbunwürdigkeit im Erbscheinsverfahren berücksichtigt wird. Das Nachlassgericht müsste ihm auf Antrag einen Erbschein erteilen, weil es die Voraussetzungen der Erbunwürdigkeit nicht selbst prüfen darf. Einer erneuten Erbunwürdigkeitsklage stünde wiederum die Rechtskraft des Versäumnisurteils entgegen.

b) Zulässigkeit eines Erbscheinsantrages bei fehlender Angabe von Beweismitteln

Ein Erbscheinsantrag ist nicht unzulässig, wenn der Antragsteller vom Gesetz geforderte Beweismittel ohne Verschulden nicht angibt. Stattdessen setzt die Pflicht des Nachlassgerichts zur Amtsermittlung gem. § 26 FamFG ein.

BGH v. 8.2.2023 – IV ZB 16/22

FamFG § 26, § 352

Beraterhinweis Aus den Bestimmungen des § 352 FamFG zur Antragstellung im Erbscheinsverfahren ergibt sich, dass der Antragsteller zunächst selbst nach Kräften bemüht sein muss, sein behauptetes Erbrecht nachzuweisen, wie er es im Erbschein bezeugt haben will (BayObLG v. 21.12.1951 – BReg. 2 Z 239/1951, BayObLGZ 1951, 690; OLG Köln v. 8.10.1980 – 2 Wx 19/80, Rpfleger 1981, 65; OLG Frankfurt v. 10.6.1996 – 20 W 142/96, FamRZ 1996, 1441). Verweigert der Antragsteller seinen Beitrag zur Verfahrensförderung ohne triftigen Grund, ist das Nachlassgericht berechtigt, den Erbscheinsantrag nach entsprechender Zwischenverfügung ohne weitere Sachaufklärung zurückzuweisen (Krätzschel in Krätzschel/Falkner/Döbereiner, Nachlassrecht, § 38 Rz. 57). Die Beschaffung weiterer Informationen kann vom Antragsteller aber nur verlangt werden, wenn dies für ihn mit – auch finanziell – vertretbarem Aufwand möglich ist. Die kostenpflichtige Einschaltung eines Erbenermittlers oder Privatdetektivs gehört i.d.R. nicht dazu, denn gem. § 26 FamFG hat das Nachlassgericht die erforderlichen Ermittlungen grundsätzlich von Amts wegen durchzuführen (OLG Hamm v. 13.2.2015 – 15 W 313/14, NJW-RR 2015, 1160).

c) Keine Aussetzung des Erbschaftsprozesses bis zur Entscheidung im Erbscheinsverfahren

1. Es ist unzulässig, einen zivilrechtlichen Erbschaftsprozess bis zu einer Entscheidung in einem gleichzeitig betriebenen Erbscheinsverfahren auszusetzen, weil es an der Vorgreiflichkeit fehlt.

2. Reine Zweckmäßigkeitserwägungen rechtfertigen eine Aussetzung nach § 148 ZPO nicht.

OLG Rostock v. 30.3.2023 – 3 W 30/23

ZPO § 148

Beraterhinweis Ein Erbscheinsverfahren kann nach § 21 FamFG ausgesetzt werden, wenn zwischen den Erbprätendenten ein Zivilprozess zur Feststellung des Erbrechts anhängig ist (BayObLG v. 30.4.1998 – 1Z BR 187/97, FamRZ 1999, 334; Grziwotz in MünchKomm/FamFG, § 352e Rz. 76), denn das Ergebnis des Feststellungsprozesses ist für das Erbscheinsverfahren vorgreiflich. Sofern Dritte als Erben nicht ernsthaft in Betracht kommen, hat das Nachlassgericht den Erbschein demjenigen zu erteilen, dessen Erbrecht im Prozess rechtskräftig festgestellt wird (BayObLG v. 30.4.1998 – 1Z BR 187/97, FamRZ 1999, 334; Grziwotz in MünchKomm/FamFG, § 352e Rz. 82). In umgekehrter Richtung gilt dies nicht, weil das Erbscheinsverfahren für den Zivilprozess keine präjudizielle Wirkung hat (KG v. 3.2.1975 – 12 U 1157/74, OLGZ 1975, 355; OLG Dresden v. 21.7.1994 – 7 U 0544/94, OLG-NL 1994, 243; LG Braunschweig v. 21.10.2021 – 8 T 500/21, ZEV 2022, 602; Greger in Zöller, ZPO, § 148 Rz. 9). Dem Erbschein kommt keine materielle Rechtskraftwirkung zu, sondern er kann nach § 2361 BGB jederzeit eingezogen werden (BGH v. 14.4.2010 – IV ZR 135/08, FamRZ 2010, 1068). Auch die Richtigkeitsvermutung des Erbscheins nach § 2365 BGB und die damit verbundene Beweiserleichterung ändern nichts daran, dass für den Zivilprozess keine Vorgreiflichkeit begründet wird.

d) Wert des Beschwerdegegenstandes bei Verurteilung zur Auskunft

1. Wird bei einer Stufenklage eine Verurteilung zur Auskunft ausgesprochen, so ist für die Bemessung des Werts des Beschwerdegegenstands das Interesse des Rechtsmittelführers maßgebend, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Dabei kommt es grundsätzlich auf den Aufwand an Zeit und Kosten an, den die Erteilung der geschuldeten Auskunft erfordert.

2. Bei entsprechender Anwendung des Stundensatzes für die Zeitversäumnisentschädigung nach § 20 JVEG i.H.v. 4 EUR bleibt der Aufwand für die Erste...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge