Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschwerdeentscheidung der OFD

 

Tenor

1. Die Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion A vom 20.07.1994 Az.: S 00 wird aufgehoben.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin.

 

Tatbestand

Die Klägerin schuldete Umsatzsteuer, verbliebene Säumniszuschläge zur Umsatzsteuer, zur Lohnsteuer und zum Solidaritätszuschlag, zur Körperschaftsteuer sowie Vollstreckungskosten in Höhe von 19.154,70 DM.

Wegen dieser Abgabenrückstände pfändete der Beklagte (das Finanzamt -FA-) mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 18.03.1994 alle gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen aus der Bankverbindung der Klägerin. Mit Drittschuldnererklärung vom 06.04.1994 erkannte das Kreditinstitut die Pfändung an und überwies den gepfändeten Betrag am 13.04.1994. Einer Erklärung der Bank, dass damit die Pfändung erledigt sei, widersprach das Finanzamt nicht.

Die Klägerin legte gegen die „Einzugs-, Pfändungsverfügung und Kontensperrung” Einspruch ein und machte zur Begründung Erstattungsansprüche gegen das Finanzamt geltend.

Das Finanzamt legte das als „Einspruch” bezeichnete Begehren als „Beschwerde” aus, half ihm nicht ab und legte es der Oberfinanzdirektion A mit dem Hinweis vor, die angeführten Erstattungsansprüche stünden wegen fehlender Unterlagen nicht fest. Die Oberfinanzdirektion A verwarf die „Beschwerde” mit Beschwerdeentscheidung vom 20.07.1994 als unzulässig. Sie sei nicht statthaft, weil der angegriffene Verwaltungsakt bereits vollzogen gewesen sei.

Hiergegen richtet sich die Klage, mit der die Klägerin im Wesentlichen geltend macht, ihr stünde ein Guthaben gegen das Finanzamt in Höhe von 110.025 DM zu.

Die Klägerin beantragt, zum Teil sinngemäß,

die Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion A vom 20. Juli 1994 aufzuheben.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt es aus, soweit die Klage sich gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 18.03.1994 richte, sei sie unzulässig. Durch die Überweisung des der Verfügung zugrundeliegenden Betrages habe sich der Verwaltungsakt erledigt. Die Klägerin könne nur noch im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsklage die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes feststellen lassen. Voraussetzung für die Zulässigkeit eines derartigen Antrages sei aber, dass die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der Feststellung habe. Ein derartiges Feststellungsinteresse werde von der Klägerin nicht vorgetragen. Soweit sie sich gegen die Umbuchung bzw. Verrechnung von Steuererstattungsansprüchen wende, begründet dies kein Interesse für die Feststellung der Rechtswidrigkeit. Vielmehr sei die Klägerin gehalten, im Rahmen des Abrechnungsverfahrens eine Klärung herbeizuführen. Ein Antrag auf Erteilung eines Abrechnungsbescheides sei von der Klägerin bisher nicht gestellt worden. Überdies habe eine Überprüfung des Steuerkontos der Klägerin ergeben, dass kein Guthaben festgestellt werden könne.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Zu Unrecht hat das Finanzamt das klägerische Begehren im Vorverfahren als Beschwerde gegen die Pfändungsverfügung ausgelegt. Es hat damit § 218 Abs. 2 der Abgabenordnung -A0- 1977 verletzt.

Zwischen den Beteiligten entstand bereits im Vorverfahren ein Streit, der die Verwirklichung der Steueransprüche (§ 218 Abs. 1 AO 1977) betraf; denn die Klägerin berief sich auf Guthaben, die sie verrechnet haben wollte. Deshalb musste das Finanzamt von Amts wegen einen Abrechnungsbescheid gemäß § 218 Abs. 2 AO 1977 erlassen Entgegen der Auffassung des Finanzamtes war hierzu ein ausdrücklicher Antrag der Klägerin nicht erforderlich (vgl. Tipke/Kruse, Komm. zur AO, FGO, § 218 AO, Tz. 8 m.w.N.).

Überdies musste das Finanzamt den „Einspruch” gegen „Pfändungsverfügung”, „Kontensperrung” als Antrag auf Erteilung eines Abrechnungsbescheides auslegen. Nach dem Empfängerhorizont kam eine Auslegung als Beschwerde nicht in Betracht, weil die Klägerin ja nur Erstattungsansprüche (§ 37 Abs. 2 AO 1977) verrechnen will, sich aber gerade nicht gegen die Pfändungsverfügung als solche wendet. Demgemäß ist die Beschwerdeentscheidung rechtswidrig. Es liegt einer der Ausnahmefälle vor, in dem das Gericht die Rechtsbehelfsentscheidung allein aufzuheben hat. Der außergerichtliche Rechtsbehelf ist zu Unrecht als unzulässig angesehen worden (siehe Gräber/von Groll, FGO, Komm., 3. Aufl., § 100, Rz. 19 m. w. N. aus der Rechtsprechung).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Der Senat entscheidet gemäß § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung. Er sieht keinen Anlass, die Revision zuzulassen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 979518

EFG 1995, 1043

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