Für die Frage, ob eine Teilpraxis vorliegt, sind die Verhältnisse beim Übertragenden im Zeitpunkt der Veräußerung entscheidend.[1] Die Veräußerung einer Teilpraxis setzt eine vor der Veräußerung ausgeübte freiberufliche Tätigkeit voraus, die sich von der übrigen Tätigkeit abgrenzbar unterscheidet.[2] Die Unterscheidung kann nach sachlichen oder nach örtlichen Gesichtspunkten vorzunehmen sein.

Eine sachliche Abgrenzung im Sinne der  1. Fallgruppe besteht, wenn

  • ein Freiberufler zwei der Sache nach, also wesensmäßig verschiedenartige freiberufliche Tätigkeiten mit verschiedenen Kunden-, Mandanten- oder Patientenkreisen ausübt und
  • beide Praxisteile organisatorisch und hinsichtlich der Mandantschaft getrennt sind, z. B. ein Rechtsanwalt, der zugleich als Steuerberater tätig ist.
 
Hinweis

Teilpraxen setzen eine organisatorische Verselbstständigung voraus

Auch wenn ein Freiberufler zwei wesensmäßig verschiedene Tätigkeiten mit zugehörigen unterschiedlichen Kunden- oder Patientenkreisen ausübt (1. Fallgruppe), setzt die Annahme zweier Teilpraxen das Vorliegen einer gewissen organisatorischen Verselbstständigung der verschiedenen Praxisteile voraus. Die getrennte Buchführung bzw. Gewinnermittlung ist nicht zwingende Voraussetzung für die Annahme einer Teilpraxis, wenn andere Umstände, wie die räumliche Trennung oder der Einsatz besonderen Personals, die organisatorische Selbstständigkeit hinreichend deutlich werden lassen.[3]

 
Praxis-Beispiel

Teilpraxen

  • Die Veräußerung des Anwaltspraxisanteils durch einen Anwaltsnotar ist die Veräußerung einer Teilpraxis i. S. d. § 18 Abs. 3 EStG. Dass die Zulassung als Rechtsanwalt beibehalten wird, ist unschädlich.[4]
  • Eine begünstigte Teilpraxisveräußerung liegt auch vor, wenn ein Arzt, der sowohl als Allgemeinmediziner als auch auf arbeitsmedizinischem Gebiet tätig ist und diese Tätigkeit in organisatorisch selbstständigen Praxisteilen mit unterschiedlichen Kunden- und Patientenkreisen und unterschiedlichem Personal ausübt, einen dieser Praxisteile veräußert.[5]

Von derart verschiedenartigen und zugleich organisatorisch selbstständigen Berufstätigkeiten ein und desselben Steuerpflichtigen kann allerdings nicht gesprochen und demzufolge keine steuerbegünstigte Teilpraxisveräußerung anerkannt werden, wenn

  • ein Steuerberater von seiner freiberuflichen Praxis lediglich denjenigen Teil veräußert, in dem nur Buchführungsarbeiten durchgeführt werden[6],
  • ein Steuerberater, der eine landwirtschaftliche Buchstelle und eine Steuerberaterpraxis für Gewerbetreibende betreibt, einen Bereich davon veräußert[7],
  • ein Steuerbevollmächtigter 80 % seiner Mandanten aus gesundheitlichen Gründen an einen anderen Steuerbevollmächtigten veräußert, aber am Ort seiner bisherigen beruflichen Tätigkeit weiterhin die verbliebenen 20 % seiner bisherigen Mandantschaft betreut[8],
  • ein Tierarzt seine "Großtierpraxis" unter Zurückbehaltung der "Kleintierpraxis" veräußert[9],
  • ein Zahnarzt sein Dentallabor, das nur eine unselbstständige Organisationseinheit der zahnärztlichen Praxis ist, veräußert[10],
  • ein Arzt, der sowohl über einen kassenärztlichen als auch über einen privatärztlichen Patientenstamm verfügt, lediglich den Bereich der Kassenpatienten veräußert[11]; das gilt auch, wenn noch vor der Veräußerung eine räumliche und personelle Trennung in eine Privatpatientenpraxis und eine Kassenpatientenpraxis mit jeweils eigener Organisation durchgeführt wird, beide Praxisteile aber im selben örtlichen Wirkungskreis belegen sind[12],
  • eine Ärztin, die ihre Patienten sowohl nach schulmedizinischen Methoden allgemeinmedizinisch als auch unter Anwendung der Psychotherapie (PT) und/oder der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) behandelt, den allgemeinmedizinischen Teilbereich ihrer Arztpraxis veräußert und unter Anwendung der PT sowie der TCM weiterhin als Ärztin tätig bleibt. Der allgemeinmedizinische Teilbereich stellt keinen selbstständigen Teil des Vermögens i. S. d. § 18 Abs. 3 EStG in Form einer Teilpraxis dar[13],
  • der Veräußerer eines Teils der Praxis weiterhin im Rahmen seiner bisherigen Tätigkeit für den Stamm an Mandanten bzw. Patienten tätig ist, der Gegenstand des Veräußerungsgeschäfts ist[14],
  • ein Steuerberater die Hälfte des Mandantenstamms veräußert und den Rest seines Mandantenstamms anschließend in Bürogemeinschaft mit dem Erwerber für über 2 Jahre auf eigene Rechnung weiter betreut[15],
  • ein Arzt einen Teil seines Patientenstamms auf einen Kollegen überträgt und anschließend mit ihm eine Praxisgemeinschaft gründet.[16]

     
    Praxis-Tipp

    Revision anhängig

    Hinsichtlich der Frage, ob die Tätigkeitsbereiche "Praxis für Allgemeinmedizin" und "Prüfarzttätigkeit für Medikamentenstudien" eine gewisse organisatorische Selbstständigkeit aufweisen, sodass die Veräußerung der Praxis für Allgemeinmedizin eine tarifbegünstigte Teilbetriebsveräußerung darstellt, ist eine Revision anhängig.[17]

     
    Achtung

    Problemfall und mögliche Lösung

    Problematisch ist die Veräußerung einer Teilpraxis, wenn die wesensmäßig verschiedenen Tätigkeiten im zum...

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