Was das "Zahlenwerk" angeht, ist in der Praxis der Ermittlung von Gewinnen aus der Veräußerung von im Privatvermögen gehaltenen Einheiten einer virtuellen Währung und sonstigen Token problematisch, dass die von den Handelsplattformen bereitgestellten Daten nicht selten unvollständig oder fehlerhaft sind.

Ermittlung und Herleitung der Bemessungsgrundlagen: Eine sachgerechte Ermittlung der Bemessungsgrundlagen lässt sich in diesen Fällen nur durch individuelle, den Anforderungen des Einzelfalls entsprechende Behelfsmaßnahmen erreichen. Dies kann zum einen bedeuten, einzelne Zuflüsse (z.B. Airdrops) an virtuellen Währungen oder sonstigen Token händisch zu ergänzen, weil sie nicht in den bereitgestellten Daten enthalten sind. Bestehen indes größere Datenlücken, z.B. weil die Handelsplattform nicht mehr erreichbar ist, können diese durch ein punktuell aggregiertes Ermittlungsvorgehen geschlossen werden. So kann über die Ein- und Auszahlungen in einer Totalperiode ein Gewinn oder Verlust ermittelt werden, der unter Berücksichtigung der besonderen Anforderungen des Einzelfalls zur Ermittlung der steuerpflichtigen Einkünfte im jeweiligen Veranlagungszeitraum herangezogen werden kann.

Beraterhinweis In solchen Fällen ist es jedenfalls anzuraten, der Finanzbehörde nicht nur die ermittelte steuerliche Bemessungsgrundlage, sondern auch die Herleitung offenzulegen. Hierzu sind über den ermittelten Wert in Form einer Zahlenangabe hinaus Angaben zu machen, bspw. im Freitextfeld der Steuererklärung oder in einem Begleitschreiben.

Problem Datenverlust: Dass der Datenverlust ein höchst praxisrelevantes Problem darstellt, zeigen eindrücklich die Entwicklungen um die Kryptobörsen Mt.Gox, Cryptopia und zuletzt FTX. Soweit ausschließlich eine Einkunftsart vorliegt und im Einzelfall eine Abgrenzung von Veranlagungszeiträumen gelingt, mag die Ableitung eines Totalgewinns durch Gegenüberstellung der Ein- und Auszahlungen sowie der Endbestände noch als adäquates Mittel angesehen werden. Freilich lässt sich auf diesem Wege keine verlässliche Aussage zu etwaigen Haltefristen oder der Differenzierung zwischen Gewinnen und Verlusten verschiedener Einkunftsarten treffen, die auf einem Account einer Handelsplattform erzielt wurden, für welche keine Daten mehr verfügbar sind. Dies ist allenfalls nach Maßgabe einzelfallbezogener Annahmen möglich. Fraglich ist, wem solche sachverhaltsbedingten Unschärfen zu Lasten gelegt werden können. Mangels Aufzeichnungspflichten kommt eine für den Steuerpflichtigen nachteilige Schätzung u.E. grundsätzlich nur dann und insoweit in Betracht, wie ein Verstoß gegen die erweiterten Mitwirkungspflichten vorliegt (vgl. Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 162 AO Rz. 32 [Mai 2022]). Die Finanzverwaltung wird dies bei ausländischen Handelsplätzen wohl regelmäßig unterstellen. Besondere Brisanz gewinnt diese Fragestellung unter Berücksichtigung der Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäfte des § 20 Abs. 6 S. 5 EStG im Privatvermögen, nach der Verluste aus Termingeschäften nur bis zu EUR 20.000 pro Veranlagungszeitraum mit Gewinnen aus Termingeschäften verrechenbar sind (vgl. zur Anwendung auf Krypto-Derivate Himmer / Liedgens, Ubg 2022, 194, 199).

Beraterhinweis Wie die Finanzverwaltung solche Fälle in der Praxis handhabt, ist aufgrund der Neuartigkeit der betragsmäßigen Verlustverrechnungsbeschränkung noch unklar. Indes ist eine tendenziell nachteilige Schätzung nur insoweit zulässig, als eine Schätzungsbefugnis dem Grunde und der Höhe nach vorliegt (vgl. noch unter III.). Da bei einem vollständigen Datenverlust keine objektive Grundlage zur Anwendung der Verlustverrechnungsbeschränkung für Zwecke der Schätzung vorliegt, könnte eine Schätzung von Einkünften im Einzelfall gar zu einem günstigeren Ergebnis führen als bei Vorliegen aller steuererheblichen Tatsachen.

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