Mitwirkungspflichten des § 90 Abs. 1 und 2 AO: Wie unter den Rz. x10 und x11 des BMF-Entwurfs zutreffend dargestellt, bleibt es für Einkünfte im Zusammenhang mit virtuellen Währungen und sonstigen Token – vorbehaltlich der Aufbewahrungsvorschriften des § 147a Abs. 1 AO – bei den Mitwirkungspflichten des § 90 Abs. 1 und 2 AO. Dies dürfte die weit überwiegende Mehrheit aller relevanten, d.h. von den Regelungen des BMF-Entwurfs betroffenen, Steuerfälle sein.

Keine Aufzeichnungspflicht: Nach Auffassung des BMF führen Gewinne aus der Veräußerung von im Privatvermögen gehaltenen Einheiten einer virtuellen Währung und sonstigen Token innerhalb der Spekulationsfrist zu Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Im Rahmen der sonstigen Einkünfte gibt es grundsätzlich weder eine originäre (§ 141 AO) noch eine abgeleitete (§ 140 AO) Aufzeichnungspflicht. Damit gelten auch die GoBD nicht; speziell gibt es im Privatvermögen das fragliche Erfordernis einer Verfahrensdokumentation nicht.

Aufbewahrungspflicht bei hohen Überschusseinkünften: Für Steuerpflichtige mit Überschusseinkünften von mehr als EUR 500.000 im Kalenderjahr gilt jedoch § 147a AO, wonach die Aufzeichnungen und Unterlagen über die Einnahmen und Werbungskosten sechs Jahre aufzubewahren sind. Nach zutreffender h.M. normiert die Vorschrift keine Aufzeichnungspflicht, sondern lediglich eine Aufbewahrungspflicht (vgl. Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 147a AO Rz. 3 [August 2018,]; Dißars in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 147a AO Rz. 1 [Juli 2022]; Goldshteyn, StBp. 2010, 68, 72; Kuhfus in Kühn/von Wedelstädt, AO/FGO, 22. Aufl. 2018, § 147a AO Rz. 1; Brinkmann, StBp 2011, 125, 128; a.A. noch Dißars, BB 2010, 2085, 2086). Insb. gelten also nicht die Regelungen der §§ 145, 146 AO (vgl. Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 147a AO Rz. 3 [August 2018]; Haselmann in Koenig, AO, 4. Aufl. 2021, § 147a Rz. 1; Dißars in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 147a AO Rz. 1 [Juli 2022]; Märtens in Gosch, AO/FGO, § 147a AO Rz. 7 [Juli 2020]; Rätke in Klein, AO, 16. Aufl. 2022, § 147a Rz. 27). U.E. gehören zu den aufbewahrungspflichtigen Aufzeichnungen und Unterlagen im Zusammenhang mit Erträgen aus Kryptowährungen und Token die zur Erstellung der Steuererklärung herangezogenen Unterlagen, wie typischerweise u.a. von den Handelsplattformen zur Verfügung gestellte Transaktionshistorien, Steuerreports sowie selbst erstellte Aufzeichnungen zur Ermittlung der Einkünfte als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten. Also praktisch alles, was der Steuerpflichtige zum Zwecke der Steuererklärung erstellt und gesammelt hat (vgl. Niewerth in Lippross/Seibel, Basiskommentar Steuerrecht, § 147a AO Rz. 3 [August 2022]). Beachten Sie: Das Erfordernis einer Verfahrensdokumentation gilt nach unserer Lesart des BMF-Entwurfs auch bei Steuerpflichtigen mit Einkünften im Privatvermögen, für die § 147a AO Anwendung findet, nicht (a.A. Pielke, beck.digitax 2022, 307, 309).

Die allgemeinen Mitwirkungspflichten erschöpfen sich in erster Linie in der Verpflichtung, die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenzulegen, mit anderen Worten vollständige und richtige Steuererklärungen abzugeben, was eine zutreffende Einkünfteermittlung voraussetzt. Soweit es sich bei virtuellen Währungen oder sonstigen Token im Privatvermögen um andere Wirtschaftsgüter i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG handelt[11], sind unter den für die Besteuerung maßgeblichen Tatsachen der Anschaffungs- und Veräußerungszeitpunkt, die Anschaffungskosten, der Veräußerungserlös sowie etwaige Werbungskosten zu verstehen.

Aussagekräftige Daten und Unterlagen: Unabhängig von der (nachgelagerten) Frage nach etwaigen Aufbewahrungspflichten ist der Steuerpflichtige dabei zwingend auf aussagekräftige Daten und Unterlagen angewiesen. Fertigt der Steuerpflichtige nicht bewusst nach jeder Transaktion eine entsprechende Dokumentation an, ist davon auszugehen, dass er zum Zeitpunkt der Erstellung der Steuererklärung nicht imstande ist, alle für eine lückenlose Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlagen notwendigen Tatsachen aufzuführen. Besondere Bedeutung kommt daher in der Praxis auch im Privatvermögen der von den Handelsplattformen zur Verfügung gestellten Transaktionshistorie zu. Dies gilt zumindest insoweit, als die Transaktionen nicht aus der Blockchain selbst extrahiert werden können. Allerdings lassen sich aus dieser Rohdatenbasis nicht ohne weiteres die vorstehend angeführten, für die Besteuerung maßgeblichen, Daten ermitteln. Vielmehr bedarf dies einem technisch sowie rechtlich anspruchsvollen Transformationsprozess, der zudem im Regelfall das Heranziehen weiterer Daten erfordert. Insb. wenn virtuelle Währungen und sonstige Token untereinander getauscht werden, erfordert die notwendige Bestimmung der Anschaffungskosten und des Veräußerungserlöses in Euro einen sachgemäßen Umrechnungskurs (vgl. zu den Anforderungen der Finanzverwaltung an entsprechende Kurswer...

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