Rz. 1100

[Autor/Stand] Im Gegensatz zu den übrigen offenen Rücklagen stellen die steuerfreien Rücklagen nicht zur Gänze Bestandteile des Eigenkapitals dar. Sie werden zulasten des steuerpflichtigen Gewinns gebildet. Ihre Auflösung in späteren Jahren hat den umgekehrten Effekt, so dass sie partiell Steuer"rückstellungen" verkörpern.[2]

Steuerlich wurden diese Rücklagen früher – d.h. bis zum Inkrafttreten des BilMoG[3]- in der Regel nur dann anerkannt, wenn sie auch in der Handelsbilanz gebildet worden waren. § 247 Abs. 3 HGB a.F. und § 273 HGB a.F. sahen zu diesem Zweck die "Sonderposten mit Rücklagenanteil" vor. Diese Posten dienten dazu, während der Inanspruchnahme der steuerfreien Rücklagen die Entstehung und Ausschüttung eines in entsprechender Höhe angefallenen handelsrechtlichen Mehrgewinns zu verhindern. Erst durch die gewinnmindernde Bildung dieses Sonderpostens in der Handelsbilanz trat aufgrund des Maßgeblichkeitsgrundsatzes (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG a.F.) ein Steuerstundungseffekt ein.[4]

Die dadurch bewirkte Verzerrung der handelsrechtlichen Vermögens- und Ertragslage war vielfach kritisiert worden.[5] So wurde insb. beklagt, dass der Sonderposten mit Rücklagenanteil erfolgswirksam zulasten des Jahresüberschusses gebildet werde, obgleich die Dotierung von Rücklagen ein Vorgang der Ergebnisverwendung sei. Auch führe die Bildung des Sonderpostens dazu, dass Vermögensgegenstände in der Handelsbilanz nicht mit ihren Anschaffungs- oder Herstellungskosten ausgewiesen würden und dadurch stille Reserven entstünden.[6]

Mit dem BilMoG[7] hat der Gesetzgeber (des HGB) diesen Sonderposten deshalb abgeschafft. Fortan ist die steuerliche Anerkennung der steuerfreien Rücklagen infolge der Lockerung des Grundsatzes der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG in der aktuellen Fassung) nicht mehr von dem Ausweis eines entsprechenden Sonderpostens in der Handelsbilanz abhängig.

Diese in der Steuerbilanz zulasten des Gewinns gebildeten steuerfreien Rücklagen können vorbehaltlich einer ausdrücklichen gegenteiligen Regelung im Gesetz bei der Bewertung des Betriebsvermögens – unabhängig vom Rechtsgrund ihrer Bildung – nicht abgezogen werden.[8]

Zur Kritik an der Nichtabziehbarkeit bestimmter steuerfreier Rücklagen insb. unter der Geltung der alten, bis 31.12.2008 anzuwendenden Rechtslage vgl. unten, Rz. 1123 ff.

 

Rz. 1101

[Autor/Stand] Zu diesen steuerfreien Rücklagen gehören bzw. gehörten insb. die Reinvestitionsrücklage nach § 6b EStG und § 6c EStG, die Rücklage für Ersatzbeschaffung nach R 6.6 EStR 2022, die Zuschussrücklage nach R 6.5 Abs. 4 EStR 2022 (Rücklage für im Voraus erhaltene Zuschüsse für Anlagegüter), die Euroumrechnungsrücklage nach § 6d EStG, die Ansparrücklage und die Investitionsabzugsbeträge nach § 7g EStG, die Rücklage nach § 5 Abs. 7 Satz 5 EStG sowie die Rücklage nach § 6 FördG a.F. Ferner gehörte hierzu die Rücklage einer Bausparkasse in den "Fonds zur bauspartechnischen Absicherung" gem. § 6 Abs. 1 Satz 2 BausparkG a.F.[10]

 

Rz. 1102

[Autor/Stand] Ebenso gehören hierher auch die Ausgleichsposten nach § 14 Abs. 4 KStG (= Ausgleichsposten für Mehr- und Minderabführungen der Organgesellschaft an den Organträger), die Ausgleichsposten gem. § 4g EStG bei Entnahmen nach § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG sowie die sog. Luftposten nach § 20 UmwStG und andere Ausgleichsposten mit Rücklagencharakter, namentlich der Ausgleichsposten, der im Zusammenhang mit der Überführung von Wirtschaftsgütern aus einer inländischen Betriebsstätte in eine ausländische Betriebsstätte des Unternehmens gebildet wird, wenn die auf die ausländische Betriebsstätte entfallenden Einkünfte nach dem maßgeblichen Doppelbesteuerungsabkommen von der deutschen Ertragsbesteuerung freigestellt sind. Im letzten Fall ist nach dem BMF-Erlass v. 24.12.1999[12] als Ertrag bzw. Aufwand der Differenzbetrag zwischen dem Fremdvergleichspreis des überführten Wirtschaftsguts und dem Wert festzuschreiben, den das in Rede stehende Wirtschaftsgut im Zeitpunkt des Transfers in das Ausland nach § 6 EStG besaß. Der so ermittelte Ertrag bzw. Aufwand ist indessen noch nicht im Übertragungszeitpunkt (sondern in der Regel erst bei der späteren Veräußerung des Wirtschaftsguts) zu erfassen und daher vorerst durch einen passiven bzw. aktiven Ausgleichsposten in der Steuerbilanz zu neutralisieren.[13] Näher hierzu unten, Rz. 1149 ff.

 

Rz. 1103– 1119

[Autor/Stand] Einstweilen frei.

[Autor/Stand] Autor: Dötsch, Stand: 01.04.2024
[2] Sie lassen sich als gleichsam "offen ausgewiesene stille Reserven" begreifen; vgl. auch BFH v. 25.6.1975 – I R 201/73, BStBl. II 1975, 848 (850).
[3] Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz v. 25.5.2009 (BGBl. I 2009, 1102).
[4] Vgl. Reiner/Haußer in Münchener Kommentar zum HGB, Bilanzrecht4, § 273 HGB a.F. Rz. 1 bis 2.
[5] Vgl. die Nachw. bei Reiner/Haußer in Münchener Kommentar zum HGB, Bilanzrecht4, § 273 HGB a.F. Rz. 3 mit Fußnote 5.
[6] Vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs zum BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, S. 49.
...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge