Rz. 67

[Autor/Stand] Die Finanzverwaltung trifft für Zwecke der Bedarfsbewertung keine Unterscheidung zwischen den Begriffen "gemeiner Wert" und "Verkehrswert". Im Ergebnis werden beide Begriffe nebeneinander verwandt. Definitionsdivergenzen sind möglicherweise in der Praxis allenfalls in Grenzbereichen der Argumentation von Bedeutung. Denn für eine unstreitig belegbare zahlenmäßige Abweichung dürften die Definitionsunterschiede im Regelfall nicht ausreichen.

Soweit Tz. 2 die gleich lautenden Erlasse vom 2.4.2007[2] auf die Wertermittlungsverordnung (WertV) und die Wertermittlungsrichtlinien (WertR) Bezug nehmen, gelten seit dem 1.7.2010 die Immobilienwertermittlungsverordnung[3] und die dazu ergangenen Richtlinien. M.E. muss ein Gutachten, das heute für einen zurückliegenden Zeitpunkt erstellt wird, die gegenwärtig geltenden Regelungen zur Ermittlung des gemeinen Werts zugrunde legen. Das bedeutet, auch für zurückliegende Bewertungszeitpunkte müssen die aktuell geltende Immobilienwertermittlungsverordnung sowie die dazu ergangenen Richtlinien berücksichtigt werden.

Zusätzlich zur ImmoWertV sind folgende Richtlinien zur Bewertung der Grundstücke herausgegeben worden, die bei Sachverständigengutachten maßgeblich sind:

Die Richtlinien wurden von einer Arbeitsgruppe aus Vertretern des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, des Bundesministeriums der Finanzen, der für das Gutachterausschusswesen zuständigen Ministerien der Länder sowie der Bundesvereinigung der Kommunalen Spitzenverbände erarbeitet.

[Autor/Stand] Autor: Mannek, Stand: 01.09.2018
[2] Vgl. gl. lt. Erl. der obersten Finanzbehörden der Länder zur Umsetzung des JStG 2007 v. 2.4.2007, BStBl. I 2007, 314, betr. Regelungen zur Anwendung des Vierten und Fünften Abschnitts des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes für Besteuerungszeitpunkte nach dem 31.12.2006.
[3] Verordnung über die Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken (Immobilienwertermittlungsverordnung – ImmoWertV) v. 19.5.2010, BGBl. I 2010, 639.
[4] Bodenrichtwertrichtlinie – BRWRL v. 11.1.2011, BAnz. Nr. 24 S. 597.
[5] Sachwertrichtlinie – SW-RL, v. 5.9.2012, BAnz AT 18.10.2012 B1.
[6] Vergleichswertrichtlinie – VW-RL, v. 20.3.2014, BAnz AT 11.4.2014 B3.
[7] Ertragswertrichtlinie v. 12.11.2015, BAnz AT v. 4.12.2015, B 4.

1. Voraussetzungen für den Nachweis

 

Rz. 68

[Autor/Stand] Den Steuerzahler trifft die Nachweislast für einen niedrigeren gemeinen Wert und nicht eine bloße Darlegungslast. Die Finanzverwaltung lässt als Nachweis für einen niedrigeren Verkehrswert das Gutachten eines Sachverständigen oder des örtlich zuständigen Gutachterausschusses einerseits und einen stichtagsnahen Kaufpreis andererseits zu. Hierbei handelt es sich um eine beispielhafte Aufzählung, die für den Regelfall gilt. Weitere Nachweismöglichkeiten sind grundsätzlich denkbar, wie z.B. der ertragsteuerlich anerkannte Einlage- oder Entnahmewert eines Grundstücks. Denn für den Nachweis ist lediglich "regelmäßig" ein Gutachten des örtlich zuständigen Gutachterausschusses oder eines Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken erforderlich.[2]

a) Nachweislast

 

Rz. 69

[Autor/Stand] Dass den Steuerpflichtigen nicht eine bloße Darlegungs- und Feststellungslast, sondern die Nachweislast für einen niedrigeren gemeinen Wert trifft, ist durch den BFH bestätigt worden.[4],[5] Es genügt somit nach der Rechtsprechung des BFH nicht, wenn der Steuerpflichtige lediglich die Einholung eines Sachverständigengutachtens durch das Gericht beantragt. Vielmehr muss er selbst ein solches Gutachten einholen und vorlegen.

 

Rz. 70

[Autor/Stand] Ebenfalls vom BFH bestätigt ist die Auffassung, dass der Steuerpflichtige in der Wahl der Mittel zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts grundsätzlich frei ist. Ein solcher Nachweis kann deshalb nicht nur durch Vorlage eines Gutachtens des örtlich zuständigen Gutachterausschusses oder eines Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken geführt werden. Vielmehr kann auch ein im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zeitnah zum maßgebenden Bewertungsstichtag – Zeitpunkt der Entstehung der Steuer[7] – erzielter Kaufpreis für das zu bewertende Grundstück als Nachweis dienen.[8] Demgegenüber genügen mehrere Jahre später abgegebene Kaufangebote für das zu bewertende Grundstück oder Maklerangebote über nicht vergleichbare andere Grundstücke nicht als Nachweis.

 

Rz. 71

[Autor/Stand] Die Vorschrift des § 145 Abs. 3 Satz 3 BewG i.d.F. vor dem Jahressteuergesetz 2007[10], wonach die auf der Basis der Bodenrichtwerte festgestellten Grundstückswerte nur durch den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts widerlegt werden können, verstößt nicht gegen die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG.[11] Gem. § 145 Abs. 3 Satz 3 BewG steht dem Betroffenen die Möglichkeit offen, einen niedrigeren gemeinen Wert des fiktiv unbebauten Grundstücks nachzuweisen. Dass ihm dabei die Beweislast für den niedrigeren gemeinen Wert aufgeb...

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